
Interview | 10 Jahre Tempelhofer Feld - "Es ist ein Ort, der unheimlich gut angenommen wird"
Vor zehn Jahren wurde der Flughafen Tempelhof geschlossen, seitdem ist sein Flugfeld für die einen ein Ort der Freiheit und für die anderen ein Ärgernis, das dringend bebaut werden sollte. Auf jeden Fall ein Ort der Demokratie, sagt der Projektmanager zum Geburtstag.
Der Flughafen Tempelhof ist seit zehn Jahren geschlossen und das Tempelhofer Feld ist inzwischen ein Symbol für Politik, die von der Bevölkerung gemacht wird. Es ist mit seinen gut 390 Hektar (425 Fußballfeldern) eine der größten innerstädtischen Freiflächen der Welt. Platz genug, um sich auch in Corona-Zeiten Bewegung an frischer Luft zu schaffen. Über drei Millionen Menschen haben das Feld 2019 besucht.
Die Mitwirkung der Bürger ist hier gefragt, denn 2014 hat sich Berlins Bevölkerung bei einem Volksentscheid gegen die Randbebauung des Tempelhofer Feldes und für eine weitgehende Erhaltung des jetzigen Zustands ausgesprochen. Die weitere Entwicklung wird in einem breit angelegten Partizipationsprozess gemeinsam mit der Bevölkerung erarbeitet.
Michael Rostalski ist im Auftrag der Grün Berlin GmbH Projektmanager für Bürgerbeteiligung.
Herr Rostalski, wie würden Sie denn jemandem das Feld beschreiben, der noch nie da war?
Michael Rostalski: Es ist ein Ort, der total faszinierend in seiner Freiheit ist. Und dieser Ort ist immer noch wie ein alter Flughafen und hat sich in den zehn Jahren optisch sehr wenig verändert. Und es ist ein Ort, der unheimlich gut von Menschen angenommen wird - genauso wie von der Tier- und Pflanzenwelt.
Man denkt an Leute, die dort joggen oder Rad fahren. Hat sich das Nutzungsverhalten in den vergangenen zehn Jahren geändert?
Ja, das kann man schon sagen. Die sportliche Nutzung ist wahrnehmbar viel mehr geworden. Vor allem die Freizeitnutzung ist gestiegen. Aber es ist auch ein sozialer Alltagsraum geworden, wo sich Menschen aktiv verabreden, auf ihn kommen und sich auch aktiv in die Entwicklung mit einbringen. Sie möchten und sollen über Beteiligungsstrukturen mitsprechen möchten, wie dieses Feld sich weiterentwickelt und wie es genutzt werden soll.
Was bringt das für die Bürger, die sich beteiligen?
Es ist ein demokratischer Ort und wird deshalb auch stärker angenommen. Die Menschen, die sich hier einbringen, akzeptieren dann auch die Weiterentwicklung, sie akzeptieren, was wir hier auf dem Feld tun oder auch nicht tun.
Man kann ganz klar sagen, dass die Menschen diesen Ort dementsprechend nutzen und auch schätzen und lieben gelernt haben.
Stand jetzt bleibt das Feld unbebaut, wird im Rahmen von Bürgerbeteiligung kontinuierlich behutsam weiterentwickelt. Ihr Job ist es, das mit zu beobachten. Was für Projekte stehen in Zukunft an?
Zu meinem Job gehört es nicht nur, die Prozesse zu beobachten, sondern auch mit zu leiten. Wir sind gerade intensiv dabei, die Freianlagen im Bereich der Oderstraße aktiv zu qualifizieren. Das heißt, wir wollen auf diesen Teil des Feldes mehr Sportflächen bringen. Wir haben gerade aktuell in diesem Jahr 91 weitere Bäume gepflanzt. Diese Bäume sollen stärker in Themen der Umweltbildung eingebracht werden, damit Kitas, Schulen und Vereine den Ort stärker für Umweltbildung nutzen können. Wir werden in Zukunft noch weitere Bäume pflanzen und neue Projekte für Bürger zu ermöglichen. Das heißt, dass Bürger selbst auch ihre Gärten oder andere Ideen auf diesem Feld bringen und gemeinwohlorientiert nutzen können.
Zehn Jahre Tempelhofer Feld
Neben einer Schafherde, die gerade auf dem Feld grast: Was leben noch für Tiere und Pflanzen auf dem Feld?
Die Experten sagen, das Feld steht unter der sogenannten Leitart der Feldlerchen. Das ist ein Brutvogel, der das Feld sehr stark nutzt. Die Nutzung ist seit 20101 um 38 Prozent gestiegen. Es gibt vor allem sehr viele Insekten, weil wir keine Insektizide ausbringen. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl von Tieren wie Reptilien, die das Feld als Nahrungsraum nutzen. Wir haben viele Gräser und viele Bäume, die in der Weite nur nicht so auffällig und sichtbar sind. 2019 hatten wir zuletzt ein Naturschutz-Monitoring, das alle zwei Jahre durchgeführt wird. Die Ergebnisse kann man sich auf der Webseite von Grün Berlin [Externer Link: pdf mit Ergebnissen] ansehen und sich ein Bild von der Vielfalt machen.
Mit Michael Rostalski sprach Nancy Fischer für Radioeins. Dieser Text ist eine redigierte Form des Interviews, das Sie oben im Beitrag als Audio hören können.
Sendung: Radioeins, 06.05.2020, 11:10 Uhr
3 Kommentare
Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.
Jaja, Demokratie ist schon anstrengend, Abstimmungen und so...Sie haben bestimmt ne schöne Wohnung, nicht wahr? Dann kann es ihnen ja auch egal sein, wenns nicht bebaut wird. Lehrstand und Wuchermieten....Weder das eine, noch das andere ändern, wenn man es beseitigen würde, die Wohnungsnot. Zumindest nicht wirklich Spürbar. Da müssen wir natürlich eine Riesige Baufläche für einen minimalen Teil der Bevölkerung opfern, damit man da seinen individualismus pflegen kann.
Aber so ist hallt die Demokratie: Anstrengend und nicht immer so wie man es sich wünscht! Und doch alternativlos.....
Ich finde es gut, dass die zeitweise geplante Bebauung bisher nicht verwirklicht wurde, und hoffe dass es so bleibt. Es stimmt natürlich dass Wohnungen gebraucht werden, aber dafür sollte man lieber den Leerstand bekämpfen und die Wuchermieten und die Zweckentfremdung. Auch Freiflächen sind wichtig für die Lebensqualität, und das Klima einer Stadt, und die Gesundheit der Bewohner. Und das ganze Theater mit Demonstrationen und Volksabstimmung muss ich auch nicht nochmal haben.
Mal ganz abgesehen von der Rolle und Verhaltensweise von Grün Berlin und Senatsverwaltung bei der Bürgerbeteiligung
nach dem Tempelhofer Feld Gesetz (ThFG) und dem Entwicklungs und Pflegeplan (EPP) bleibt der Erhalt des Feldes,
in seinem jetzigen Zustand, oberste gesetzliche Aufgabe.
Um so mehr wundert es mich das im angehängten Kasten (Der Flughafen Tempelhof) der Volksentscheid vom 25.5.2014
keinerlei Erwähnung findet! Zumal ohne ihn es kein ThFG und EPP geben würde, ja sogar das Tempelhofer Feld nicht mehr
existent wäre!