Bakterielle Infektionskrankheit - Berlin registriert im Schnitt noch täglich einen Tuberkulose-Fall

Fr 22.05.20 | 10:40 Uhr
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Berlin: Ein Arzt zeigt im Vivantes Klinikum Neukölln auf das Röntgenbild einer Lunge, Archivbild (Quelle: DPA/Silas Stein)
Bild: DPA/Silas Stein

Besonders da, wo viele Menschen auf engem Raum leben, kann sich Tuberkulose ausbreiten. Die Zahl der Infektionen ist in Berlin rückläufig. Allerdings nicht so deutlich, wie sich die Weltgesundheitsorganisation das wünscht.

Im vergangenen Jahr wurden in Berlin so wenig Fälle von Tuberkulose registriert wie zuletzt 2014. Das Robert-Koch-Institut (RKI) registrierte 361 Erkrankungen, im Jahr 2018 waren es noch 397. Um das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu erreichen, Tuberkulose bis 2050 zu eliminieren, ist nach Experten-Meinung ein jährlicher Rückgang um zehn Prozent erforderlich. In Berlin lag die Quote im vergangenen Jahr bei rund neun Prozent. In den ersten vier Monaten des Jahres 2020 wurden in Berlin bereits knapp 90 weitere Fälle registriert.

Im Schnitt waren 9,63 von 100.000 Einwohnern infiziert. In Steglitz-Zehlendorf und Mitte erkrankten verhältnismäßig viele Menschen (je rund zehn von 100.000). Durchschnittlich die wenigsten Infektionen hatten Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick (je rund fünf) und Pankow (knapp sechs). Die höchste Rate gab es aber wie schon seit Jahren im Bezirk Lichtenberg (36). Dort befindet sich das Gesundheitsamt für Tuberkulose, das auch Menschen ohne festen Wohnsitz registriert - was die hohe Zahl erklärt.

Infektionszahlen im weltweiten Verlgeich sehr gering

Oft treten bei Tuberkulose sogenannte Cluster auf: Wenn eine Person erkrankt, sind auch die Familie, Freunde oder Mitbewohner in einer Gemeinschaftsunterkunft betroffen, erklärt Ralf Otto-Knapp vom Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) die regionalen Unterschiede. Besonders Wohnheime für Geflüchtete, wo viele Menschen auf engem Raum leben, seien ein Risiko. Dort werden Röntgenuntersuchungen gemacht, bevor Leute aufgenommen werden. So soll Tuberkulose in der Lunge, wo rund 90 Prozent der Fälle auftreten, ausgeschlossen werden.

Otto-Knapp betont, dass die Fallzahlen in Deutschland im weltweiten Vergleich sehr gering sind. 2019 erkrankten 4.789 Menschen, zwölf Prozent weniger als im Jahr davor. Weltweit gibt es laut DZK rund zehn Millionen Erkrankte, pro Jahr sterben rund 1,5 Millionen Menschen an einer Tuberkulose-Infektion - also rund 4.000 Menschen pro Tag.

"Um bei den aktuell niedrigen Fallzahlen in Deutschland weitere Erfolge zu erzielen, muss man an die sogenannten latent Infizierten ran", sagt Otto-Knapp. Das heißt, dass Träger des Erregers präventiv behandelt werden müssen, bevor die Krankheit ausbricht. Dazu gebe es Präventionskampagnen.

Gut behandelbar, aber lange Dauer bis zur Genesung

Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien ausgelöst wird. Häufig wird die Krankheit von Mensch zu Mensch durch Einatmen von infektiösen Tröpfchen übertragen. Man müsse etwa acht Stunden in einem Raum mit einer erkrankten Person gewesen sein oder besonders intensiven Kontakt wie Mund-zu-Mund-Beatmung gehabt haben. Die Krankheit ist in der Regel gut behandelbar - aber langwierig. Mindestens sechs Monate lang müssen Infizierte behandelt werden.

2015 gab es bei der Tuberkulose wie auch bei anderen Krankheiten einen ungewöhnlichen Anstieg. Das ist auch auf die Einwanderung, die in diesem Jahr besonders stark war, zurückzuführen. Geflüchtete werden den Angaben nach oft während ihrer Flucht oder in
Sammellagern angesteckt. Und Infektionskrankheiten übertragen sich da besonders schnell, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenleben müssen.

Die Krankheit begleitet die Menschheit bereits seit Jahrtausenden. Erste Hinweise auf Tuberkulose wurden am Skelett eines Frühmenschen gefunden, der vor etwa 500.000 Jahren gelebt hat. Noch im 19. Jahrhundert war Tuberkulose die mit Abstand häufigste Todesursache. 1882 beschrieb er in Berlin als erster das Bakterium, das die Krankheit auslöst. 1905 erhielt Koch für seine Entdeckung den Medizin-Nobelpreis. Seine Urne wird in einem Mausoleum am Robert-Koch-Institut am Nordufer aufbewahrt.

6 Kommentare

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  1. 6.

    Laut dem Bericht war TBC in Deutschland nicht ausgerottet.
    Es hatte nur keiner auf dem Schirm, weil nicht täglich davon berichtet wird!
    Sie würden staunen, wenn Sie wüssten, was sich hier noch alles so an Bakterien und Viren rumtreibt!

  2. 5.

    Das Szenario mit dem Spucken finde ich auch übertrieben konstruiert, aber dieser User scheint auch eine sehr ängstliche, fast panikartige Person zu sein.
    Einfach normale Hygieneregeln einhalten und dann hätten wir auch keine Problem mit Tuberkulose mehr.

  3. 4.

    Die Impfung befindet sich in Phase 3, d.h. es dauert noch 5-10 Jahre, bis sie auf den Markt kommt.
    Sehr interessant, nun wissen wir, worauf wir uns die nächsten Jahre einzustellen haben!

  4. 3.

    Spucken in aller Öffentlichkeit ist für mich eine asoziale Handlung. Ich glaube da sind wir uns einig. Was Sie aber sonst hier so Wortreich kommentieren, halte ich für nicht gegeben. Ja, sogar übertrieben. Besonders jetzt, wo jede-r besonders auf Hygiene achtet, achten sollte. Zudem fasse ich niemals meine Straßenschuhe unten an der Sohle an. Gründliches Händewaschen, wenn ich von draußen komme, ist für mich schon zur Routine geworden. Aber zurück zum Thema. Ich finde es erschreckend, dass die Tuberkulose immernoch vorhanden ist und wir uns auch davor noch in acht nehmen müssen.

  5. 2.

    Traurig traurig ... TBC und Masern waren in Deutschland schon mal "ausgerottet" und jetzt noch Corona. Wir entwickeln uns scheinbar zurück. :-(

  6. 1.

    Persönlich habe ich einen potentiell gefährlichen Übertragungsweg der TBC festgestellt, dem m.E. noch zu wenig Beachtung geschenkt wird: Das Spucken auf Gehsteige, das viele Menschen praktizieren - auch jene, die TBC in sich tragen und dies noch nicht wissen. Das Bakterium hält sich sehr lange, sogar, wenn das Sputum bereits getrocknet ist. Der nächste Fußgänger läuft darüber, trägt es an den Schuhsohlen mit in seine Wohnung, zieht dort mit Handkkontakt seine Schuhe aus und greift sich unbewusst bis zum Händewaschen oftmals ins Gesicht ....

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