Corona und Studieren - Verkehrte Welt: Studentendorf sucht Bewohner

Sa 06.06.20 | 08:27 Uhr | Von Franziska Ritter
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Studentendorf Schlachtensee (Quelle: Michael Setzpfandt)
Michael Setzpfandt
Audio: Inforadio | 03.06.2020 | Franziska Ritter | Bild: Michael Setzpfandt

Einen Platz im Studentenwohnheim in Berlin zu bekommen, ist normalerweise ein Ding der Unmöglichkeit - so lang sind die Wartelisten. Doch wegen Corona stehen plötzlich hunderte Zimmer frei. Von Franziska Ritter

Über mangelnde Nachfrage konnte sich die Genossenschaft, die das Studentendorf Schlachtensee [ext. Link] auf dem Campus der Freien Universität betreibt, noch nie beklagen. Doch zurzeit stehen mehr als 400 Zimmer in der Wohnanlage leer. Beim Ableger auf dem Campus der Humboldt-Universität in Adlershof sieht es ähnlich aus. Dort sind derzeit 60 Wohnplätze frei.

Andreas Barz, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft vom Studentendorf Schlachtensee (Quelle: Markus Scheffler)
Andreas Barz | Bild: Markus Scheffler

"Das hatten wir noch nie", betont Andreas Barz, Vorstandsvorsitzender des Studentendorfs. "Wir sind sonst immer mit Vollauslastung ins Semester gestartet." In den Wohnanlagen bekommen vor allem jene Studierende einen Platz, die an Austauschprogrammen wie Erasmus teilnehmen. Wegen der Corona-Pandemie sind viele von ihnen aus Berlin abgereist oder gar nicht erst nach Deutschland gekommen.

Jedes dritte Zimmer leer

Die Situation stellt das Studentendorf vor enorme wirtschaftliche Herausforderungen – zumal die Genossenschaft gerade erst mehrere der denkmalgeschützten Häuser in Schlachtensee saniert hat. Andreas Barz befürchtet, dass die Genossenschaft in diesem Jahr ein Minus von bis zu einer Million Euro einfahren könnte. "Wir sind mit dem Senat im Gespräch, was einen Rettungsschirm betrifft", sagt er – und hofft, dass das Studentendorf zum Wintersemester wieder voll wird. "Ansonsten wäre das für die Genossenschaft fatal."

Neue Bewohner gesucht

Um zügig Mieter für die Wohnanlagen in Schlachtensee und Adlershof zu finden, geht das Studentendorf neue Wege. Es inseriert freie Wohnheimplätze auf Immobilienbörsen und WG-Portalen – ein Novum in der Geschichte der Genossenschaft. Allein 176 nigelnagelneue Unterkünfte im Studentendorf Schlachtensee warten auf neue Bewohner. Andreas Barz und sein Team kooperieren unter anderem mit Badi, einer Plattform, die Zimmer in europäischen Großstädten an Wohnungssuchende vermittelt. "Das Angebot stößt bei Studenten oft auf Interesse. Viele wundern sich aber, dass es noch freie Plätze im Studentenwohnheim gibt – erst recht in Berlin", berichtet Falk Siegel, der sich um das Deutschlandgeschäft von Badi kümmert.
Studentendorf Schlachtensee (Quelle: Michael Setzpfandt)Studentenzimmer in Schlachtensee

Nicht nur Wohnraum für Studenten

Normalerweise werden die Zimmer im Studentendorf, wie es der Name schon sagt, an Studierende vermietet. Doch angesichts der aktuellen Situation öffnet sich die Wohnanlage für weitere Gruppen: Junge Menschen, die in Berlin eine Ausbildung machen oder Vorkurse an der Universität besuchen, sind nach Angaben der Genossenschaft gerne gesehen. "Wir können uns auch vorstellen, die ein oder andere Wohnung vorübergehend an Gruppen zu geben, die es schwer haben, in Berlin ein Dach über dem Kopf zu finden", fügt Andreas Barz hinzu. Ein Haus im Studentendorf Schlachtensee steht bereits jungen Geflüchteten offen, die ohne Begleitung nach Deutschland gekommen sind.

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Beitrag von Franziska Ritter

10 Kommentare

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  1. 10.

    Ich habe 1977/78 ca. 2 Jahre im Studentendorf gewohnt auf 10 qm mit gemeinschaftlichem Bad und Küche. Bei recht einfacher Möblierung betrug die Miete 70 DM alles inklusive. Damals bekam man meist ohne Wartezeit ein Zimmer. Trotz des fehlenden Komforts war es eine schöne Zeit mit viel Gemeinschaftserleben. Die heutigen Ansprüche an studentisches Wohnen sind sicher ganz anders (zb Internetanschluss), dennoch erscheint mir der Vergleich zur aktuellen Miete doch erstaunlich. Die heutige Studentengeneration hat es wohl insgesamt nicht leichter als wir damals.

  2. 9.

    Unsere Bruttomiete setzt sich zusammen aus Nettokaltmiete sowie Heiz- und Nebenkosten. Die angegebenen Werte pro Quadratmeter errechnen sich aus der Fläche des Zimmers zzgl. Gemeinschaftsflächenanteil, dies sind im Studentendorf ca. 22 qm/Wohneinheit.

    Unsere Nettokaltmiete beträgt ca. 12 Euro/qm. Dies ist wegen der erhöhten Personalkosten in der studentischen Vermietung (höhere Fluktuation, höherer Betreuungsaufwand) ein guter Wert.
    Die Heizkosten liegen bei 1,90 Euro/qm, auch das ein guter Wert, verbrauchen Studentenwohnheime doch statistisch mehr Heizung und vor allem Warmwasser.
    Die Nebenkosten enthalten zusätzlich Strom, Internet, Reinigung der Gemeinschaftsflächen (Bäder und Küchen), Pflege des Gartendenkmals (4 ha) sowie Möblierung (nicht Ikea!) und liegen bei 4,00 Euro/qm. Hohe spezifische Strom- und Wasserverbräuche sowie die Reinigung schlagen hier stark zu Buche.

    Gesamt liegen wir somit bei ca. 18 Euro warm in den sanierten Häusern, unsaniert bei ca. 13,50 Euro.

  3. 7.

    Wenn das mit den 10qm zu 400 bzw 300 Euro stimmt, dann ist das alles andere als angemessen.
    30 Euro/qm ?
    „Normal“ sollte um die 11-12 € Netto + 1,50 € BK + 1,50 € HK sein.
    Also 14-15 Euro warm. Wären 150,- Euro.
    Dann nochmal 30,00 für Internet.
    Bleiben mindestens 120,00 Euro übrig.. für was? Spärliche Ikea Möbel? Selbst wann man die nur auf 5 Jahre abschreiben würde, wären das 120x12x5 = 7.200,- Euro Wert des Mobiliars (wobei Tische und Betten eher Richtung 10 Jahre abgeschrieben werden dürften, demnach müsste dann das Mobiliar einen Wert von 14,400 Euro aufweisen)

  4. 6.

    400 Plätze weniger in der Vermietung und das voraussichtlich bis November ist schon eine harte Nuss und der Mietenrückgang siebenstellig. Das ist schwer zu verkraften, denn die Kosten laufen ja weiter und 500 Menschen sind ja noch da und die Mitarbeiter*innen müssen auch ihre Miete bezahlen.

  5. 5.

    Das glaube ich gerne. Die nicht erneuerten Studentenbuden aus den 1950er Jahren sahen nach 30 Jahren Instandhaltungsrückstau manchmal schon gruselig aus. Die Genossenschaft hat das Dorf aber so übernommen und seit 2006 rund 30 Millionen in die denkmalgeschützten Häuser gesteckt. Jetzt haben die Buden alle eine geregelte Zu- und Abluft, sodass es auch nicht mehr schimmelt. Diese Vorzüge der Technik gab es 1959 noch nicht, sodass wir den Vätern und Müttern des Studentendorfs auch keinen Vorwurf machen sollten. Die Genossenschaft selbst ist nicht gewinnorientiert und steckt all ihr Geld in die Siedlung und, à propos, verschuldet sich auch dabei. Ein Besuch lohnt.

  6. 4.

    Naja, das mit den 10qm ist natürlich nicht richtig. Wie in einer Wohnung auch, zahle ich die Miete für Zimmer, Bad und Küche und für all die anderen Dinge, die ich im Studentendorf nutzen kann. Das sind dann je nach Haus und Wohnform 17 bis 24 Quadratmeter. Betriebskosten, Möblierung, Fitness, Gemeinschaftsräume, Wohnungsreinigung, 45.0000 Quadratmeter Garten etc. sind ebenfalls inklusive. In einem Studentenhotel wäre das deutlich teurer.

  7. 3.

    Ich kenne noch Kommilitonen aus meiner Studentenzeit, die dort wohnten. Die Anlage war in gutem Zustand, die Preise für diese Topgegend angemessen. Wo gibt es da ein Problem, wenn mal 3 Monate nicht wie üblich Vollauslastung herrscht?

  8. 2.

    Ich hatte das "Vergnügen" 3 Jahre lang während meines Studiums im Studentendorf zu wohnen. Profit über alles. 99 % der Zimmer sieht keineswegs so wie das Foto in dem Artikel. Das unterste Niveau. Mein Zimmer war verschimmelt und gerade mal 9 m2. Macht rbb nun Werbung für diese "Genossenschaft"?

  9. 1.

    10 Quadratmeter zu 400 Euro. Wenn man sich das Bad mit 10 anderen teilen will, dann kostet es "nur noch" um die 300 Euro. Ich kann mir gar nicht erklären warum da keiner wohnen will.

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