Interview | Zeitgeschichtliche Videos in der ARD-Mediathek - "Das Interesse an historischen Inhalten ist sehr groß"
Berlin und Brandenburg bis 1966: Tausende zeitgeschichtlich relevante Videos gehen ab Dienstag schrittweise online. So etwas interessiert immer, sagt rbb-Archivar Jörg Stoffers im Interview. "rbb retro" heißt das Angebot, das zu einem ARD-Gesamtprojekt gehört.
Herr Stoffers, am Dienstag öffnet die ARD ihre Fernseharchive für die Zuschauerinnen und Zuschauer. Warum gerade dieser Tag?
Jörg Stoffers: Welcher Tag würde sich besser eignen als der Unesco-Welttag des Audiovisuellen Erbes, der jährlich am 27.10. begangen wird? Unbestritten gehören die historischen Betrachtungen der politischen Geschehnisse, Berichte über spektakuläre Ereignisse aber auch ganz einfache Einblicke in die damalige Lebenswirklichkeit aus unseren Archiven zum schützenswerten audiovisuellen Erbe.
Dazu werden ausgewählte Beiträge und Sendereihen aus den Anfangsjahren des deutschen Fernsehens bis zum 31.12.1965 in den neuen Retro-Angeboten der Landesrundfunkanstalten in der ARD-Mediathek dauerhaft und sukzessive ansteigend zur Verfügung gestellt.
Welche Produktionen werden zu sehen sein?
Der rbb beteiligt sich mit einem eigenen Retro-Bereich namens "rbb Retro" an der Archivöffnung. Dazu werden ausgewählte Beiträge der "Berliner Abendschau" von 1958 bis 1965 sowie ganze Sendungen aus den Formaten "Das Profil", "Berlin stellt vor" und "Wie ich angefangen habe" zur Verfügung gestellt.
Gleichzeitig kooperieren wir mit dem Deutschen Rundfunkarchiv, in dem die Inhalte des DFF, dem staatlichen Fernsehen der DDR, verwaltet werden. Das heißt, innerhalb unseres "rbb Retro"-Bereiches werden auch regional oder thematisch zu uns passende Beiträge der "Aktuellen Kamera" und "Prisma" zu sehen sein.
Wie haben genug Material, um "rbb Retro" stetig mit neuen interessanten, spannenden, humorvollen und berührenden Inhalten zu füllen.
Warum werden nur Produktionen bis 1965 gezeigt?
Aus rechtlichen Gründen. Anfang 1966 trat das Urheberrecht in Kraft. Deshalb unterliegt das Zur-Verfügung-Stellen von Material, das ab dem 1. Januar 1966 veröffentlicht wurde, gewissen Risiken - auch finanzieler Natur: Wenn die Rechte Dritter berührt werden, kann das teuer werden. Da wir versuchen, das Ganze kostenneutral zu halten, kommt das für uns derzeit nicht in Frage.
Wir hoffen, dass die Archivöffnung jetzt ein großer Erfolg wird, damit der Gesetzgeber unser Medienprivileg in dieser Hinsicht ausweitet. Dann könnten wir auch die Inhalte von 1966 bis heute dauerhaft anbieten.
Wie kam es zu dem "retro"-Angebot?
Das Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer an historischen Inhalten ist sehr groß - das zeigen individuelle Projekte wie "Rolle Rückwärts" der rbb-Abendschau oder Zeitreisen anderer Rundfunkanstalten. Die Intendant*innen haben deshalb prüfen lassen, ob zeitgeschichtliche Videos über die ARD-Mediathek der Öffentlichkeit zeitlich unbegrenzt zur Verfügung gestellt werden können. Diese Prüfung fiel positiv aus, und seitdem arbeiten alle Rundfunkanstalten an der Umsetzung ihres eigenen Retro-Channels in der Mediathek.
Wie bewerten Sie denn dieses neue Projekt?
Ich bin und war schon immer der Ansicht, dass die Archivierung der vielfältigen Formate des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nicht nur einem Selbstzweck dient, sondern unsere zum Kulturerbe gehörenden Inhalte den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern dauerhaft zur Verfügung gestellt werden sollten.
Vielen Dank für das Gespräch!