20 Jahre Wikipedia - Das Mehr-Augen-Prinzip hat sich etabliert

Fr 15.01.21 | 11:53 Uhr | Von Stefan Oszváth
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Audio: Inforadio | 15.01.2021 | Martina Schrey

Vor 20 Jahren wurde die Online-Enzyklopädie Wikipedia aus der Taufe gehoben. Für die einen ist sie modernes Mittel der Volksaufklärung, andere kritisieren Manipulation. Eins ist Wikipedia aber auf jeden Fall: nicht mehr wegzudenken. Von Stefan Oszváth

Iva aus Berlin schreibt, prüft, verbessert und ergänzt Wikipedia-Artikel. Mittlerweile ist sie schon zehn Jahre dabei. "Anfangs wollte ich einfach was zurückgeben von dem, was ich von Wikipedia habe", erzählt sie. Inzwischen bringe sie zehn bis 15 Stunden pro Woche mit diesem Hobby zu. Ivas Fokus sind Frauenthemen: "Ich habe mir vor einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, die Artikel zu sichten, die entweder von Teilnehmerinnen der Gruppe sind, oder Artikel, die über Frauen geschrieben wurden."

Iva ist eine von 18.650 Aktiven bei der Wissensplattform im deutschsprachigen Raum. Die meisten Ehrenamtlichen sind Männer mit beachtlichem Output. Allein im deutschsprachigen Wikipedia gibt es bereits 2,5 Millionen Artikel. Wikipedia ist ein modernes Mittel der Volksaufklärung, sagt der Kommunikationswissenschaftler Rudolf Stöber. "Es gibt eine Reihe von Besonderheiten. Die Wichtigste: Jeder kann mitmachen. Die zweite: Das Lexikon ist für alle Nutzer frei zugänglich. Eine dritte ist: Im Unterschied zu vielen anderen Lexika sieht man, welche Dinge überarbeitet wurden, und von wem."

Mehr-Augen-Prinzip hat sich etabliert

Im Wissensvergleich mit etablierten Lexika schneidet Wikipedia regelmäßig gut ab. Das liege auch am sogenannten Crowd-Reviewing, meint Stöbers Kollege Patrick Franke, ein Islamwissenschaftler. Das Mehr-Augen-Prinzip habe sich mittlerweile auch in der Wissenschaft etabliert. Die Originalquellen könnten schließlich auf Wikipedia durch die Link-Verweise überprüft werden. Franke wünscht sich aber mehr Engagement auch von Wissenschaftlern; er selbst hat auf Wikipedia eine Islam-Enzyklopädie aufgebaut.

Manchmal wird auch manipuliert

Immer wieder gibt es aber auch Kritik an Wikipedia. Der Investigativ-Journalist Marvin Oppong hat das in einer Studie für die Otto-Brenner-Stiftung 2014 dokumentiert. Es gebe zwar inzwischen in der deutschsprachigen Wikipedia sogenannte benutzerverifizierte Accounts, sagt Oppong. Da könne man sich über eine E-Mail-Adresse verifizieren lassen und dann sei für jedermann erkennbar, dass es sich beispielsweise um einen Unternehmens-Account handele. "Doch ich konnte vor einiger Zeit herausfinden, dass selbst mit diesen benutzerverifizierten Accounts Schindluder getrieben wird und damit eben auch manipuliert wird", so der Journalist.

Wegen der versteckten PR ist Wikipedia letztes Jahr vom deutschen Rat für Public Relations gerügt worden. Mittlerweile muss bezahltes Schreiben auf Wikipedia offengelegt werden, sagt der Bamberger Islamexperte Franke.

Wikipedia gehört zum Schulalltag

Für die Berliner Lehrerin Elisabeth Kraft gehört Wikipedia derweil zum Schulalltag dazu. Lehrer und Schüler würden Wikipedia gleichermaßen häufig nutzen, um sich einen Überblick über ein Thema zu verschaffen, sagt Kraft. Sie betont aber auch: "Was wir aber nicht gestatten es, wenn Wikipedia die einzige Quelle ist."

Mittlerweile gibt es das Online-Lexikon in 300 Sprachen. Die größte Nutzer- und Autorengruppe ist die Englischsprachige. Wikipedia finanziert sich über Spenden - Träger ist eine Stiftung in den USA.

Beitrag von Stefan Oszváth

11 Kommentare

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  1. 11.

    Wikipedia als unseriöse Quelle hinzustellen ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die ihre Zeit und ihr Herublut für freies Wissen opfern.
    Wikipedia hat nämlich bei vielen Leuten zu mehr Offenheit beim Teilen von Wissen geführt!
    Es sind aber immer die Politaktiviszen, die solche sozialen Projekte durch ihre engstirnige Sichtweise zerstören. Leider ist es bei Wiki ebenso wie in allen öffentlichen Foren.. .

  2. 10.

    „Für die Berliner Lehrerin Elisabeth Kraft gehört Wikipedia derweil zum Schulalltag dazu.“ ——— Das ist an Unprofessionalität nicht zu unterbieten. Die sollte abgemahnt werden, für Schulen gibt es zugelassene Fachliteratur und dazu gehört nicht eine unseriöse Internetplattformen. Die kann höchstens zur Schulung der Medienkompetenz als schlechtes Beispiel dienen.

  3. 9.

    Kraft *betont aber auch: "Was wir aber nicht gestatten es, wenn Wikipedia die einzige Quelle ist."*
    Das mag nicht ganz korrekt zitiert worden sein, aber ich denke, der Sinn kommt rüber.

  4. 8.

    *Wer will schon "umerzogen" werden?* ... Soweit ich das derzeit überblicke, bin ich nicht gezwungen, Wikipedia zu nutzen. Der intelligente Medienkonsument schaltet bei Unerwünschtem ab.

  5. 7.

    Für Cottbuser Nerds gibts ja noch WikiMannia oder wie das heißt, da werden Sie geholfen. ;-)

  6. 5.

    Ja, sehr lästig, wenn es aus "dieser Ecke" kommt: Wer will schon "umerzogen" werden? Wer will schon in die "rechte Ecke" gestellt werden, bei Kritik? Wer will schon am Ende seine "Brötchen beim Bäcker*innen" nach Einkommen bezahlen? Wenn die Nehmenden sich wohler fühlen sollen als die Gebenden ist etwas faul. Und Umweltschutz ist nicht gerade eine Kernkompetenz: Zu viele gescheiterte Ideen wie, der Niedergang der dt. Pharmaproduktion (Einsellung der Herstellung von Insolin), betrieben durch einen J.Fischer (Autos sollen folgen); Biokraftstoffe(W10)(Gas) aus Maisanbau führt zu Bodenvernichtung und "Finanzhaie" greifen zu; Windräder vor dem Schlafzimmerfenster?; Tierwohl scheiterte an R.Künast (keine EU-Lösung) usw. usf. Es fehlt an Empathie der fleißig Schaffenden, still Gebenden und "Täterschutz vor Opferschutz" löst immer noch Dramen aus...

  7. 4.

    "zu einem links- grün lästigen Erziehungsportal" ... Solidarität und Umweltschutz sind "lästig"?
    Nun gut.

  8. 3.

    In allen politischen und umwelt-/klimarelevanten Themen ist Wikipedia tatsächlich ohne Gegencheck mittels mindestens der englischen Version, besser von zwei anderen Sprachversionen tatsächlich nicht mehr nutzbar. Besonders mies ist mir das tatsächlich aufgefallen, als vor einem reichlichen Jahr in Australien die schweren Waldbrände gewütet haben, die dann in der deutschen Version zu einer nie dagewesenen Katastrophe umgedeutet wurden. Dafür hat man dann extra die noch viel extremeren Brände in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts aus dem Beitrag gelöscht. Bis heute ist der Artikel (zum Beispiel in Englisch) noch nicht wieder vollständig hergestellt und erweckt weiterhin den Eindruck, die Brände 2019/20 wären vergleichbar mit oder gar größer als 1974/75, weil in der deutschen Version z.B. deren Ausmaß in mehrere Einträge unterteilt wurden. Wiki ist mit Vorsicht zu genießen und nie als einzige Quelle.

  9. 2.

    Ein gutes Werkzeug für den, der es richtig zu nutzen weiß. Ein erdschwerer Überblick über das "Allgemeinwissen", praktisch herumtragbar im Taschencomputer.

  10. 1.

    Leider ist Wiki von einem Wissens- und Informationsportal in großen Teilen zu einem links- grün lästigen Erziehungsportal geworden. Damit wird dem angeblichen Zeitgeist entsprochen. Genau wie beim Joernalismus.

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