Polizisten in Nötigungsprozess freigesprochen - "Dieser ganze Einsatz war unfassbar"

Di 16.02.21 | 17:35 Uhr
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Ein Polizist steht in Berlin im Bezirk Mitte (Quelle: dpa/Wolfram Steinberg)
Audio: rbb 88.8 | 16.02.2021 | Juliane Kowollik | Bild: dpa/Wolfram Steinberg

Weil sein Privatauto zugeparkt wurde, spürt ein Berliner Polizist der Fahrzeughalterin nach, "besucht" sie in Begleitung einer Kollegin und erniedrigt sie mit absurden Anweisungen. Vor Gericht wurde er nun dennoch freigesprochen - aber nicht ohne Standpauke der Richterin.

Nach einem Einsatz in einer Privatangelegenheit hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten zwei Polizisten vom Vorwurf der Nötigung im Amt freigesprochen. "Sie haben sich komplett daneben benommen, aber das erfüllt aus meiner Sicht keinen Straftatbestand", sagte Richterin Christine Mathiak am Dienstag in ihrer Urteilsbegründung. Dem 50-jährigen Polizeihauptkommissar und einer 30-jährigen Kollegin war vorgeworfen worden, eine Frau genötigt zu haben, die das Privatauto des Mannes eingeparkt hatte.

Fahrzeughalterin mit Hilfe des Polizeicomputers ausfindig gemacht

Laut Anklageschrift soll der 50-Jährige eine polizeiliche Datenabfrage veranlasst haben, nachdem er auf dem Weg zur Arbeit festgestellt hatte, dass sein Privatwagen zugeparkt war. Anschließend soll er sich gemeinsam mit seiner Kollegin in einem Polizeiauto zur Anschrift der Fahrzeughalterin begeben haben.

Der 50-Jährige soll die Frau zum Mitzukommen aufgefordert sowie dazu gedrängt haben, auszuparken und ein angeblich von ihr beschädigtes Nummernschild an seinem Auto wieder festzuschrauben. Außerdem soll er sie gezwungen haben, sich bei ihm zu entschuldigen.

Polizist verschwieg Grund des Einsatzes

Mehrfach soll der Polizeihauptkommissar bei seinen Forderungen zudem die Hand zu seiner Dienstwaffe geführt haben. Dass es sich bei dem zugeparkten Auto um sein Privatfahrzeug handelte, soll er seinen Kollegen vor Beginn des Einsatzes nicht gesagt haben.

Die Nebenklage sprach im Prozess von einem "unglaublichen Verhalten", bei dem es sich im Grunde um "Selbstjustiz" gehandelt habe. In ihrem Plädoyer forderte sie deshalb eine Freiheitsstrafe auf Bewährung für den Polizeihauptkommissar und einen Freispruch für die 30-jährige Polizistin.

"Dieser ganze Einsatz war unfassbar"

Staatsanwaltschaft und Verteidigung sahen hingegen keine hinreichenden Beweise für ein Fehlverhalten und forderten Freisprüche für beide Angeklagten. "Die Geschädigte fühlte sich bedroht, aber was die Angeklagten wirklich gemacht haben, weiß ich nicht", sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.

Auch die Richterin schloss sich in ihrem Urteil dieser Ansicht an. Die betroffene Fahrzeughalterin habe sich offensichtlich bedroht gefühlt und sich nicht anders zu helfen gewusst, als den "absurden" Anweisungen der Polizisten Folge zu leisten, sagte die Richterin. "Dieser ganze Einsatz war unfassbar."

Anwalt der Klägerin "fassungslos"

Trotzdem sei der Straftatbestand der Nötigung nicht erfüllt, sagte Mathiak in der Urteilsbegründung. Eine Androhung von Gewalt müsse "durch Tatsachen passieren", sagte die Richterin. "Dafür reicht es nicht, sich komplett daneben zu benehmen."

Über die Entscheidung sei er "natürlich ein bisschen fassungslos", sagte Nebenklageanwalt Ulrich von Klinggräf nach der Urteilsverkündung. Ob seine Mandantin in Berufung gehen wolle, sei noch nicht klar.

17 Kommentare

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  1. 17.

    Ein klassisches Fehlurteil. Fehlurteil deswegen, da die Bedrohungslage durch angedeutete Gewaltanwendung gegeben und damit Tatbestandsmerkmale von Nötigung eindeutig und unstrittig erfüllt sind. Klassisch deswegen, weil Polizist*innen in Strafverfahren privilegiert behandelt werden, nicht zuletzt werden zudem die wenigsten Fälle von Polizeigewalt - das war ein Fall davon - disziplinarisch oder strafrechtlich behandelt. Das, die mutmaßliche Tat des Polizisten, sowie die ignorante Bewertung des Gerichts sind Ausdruck von Autoritarismus und damit verfassungswidrig. Dass Teile von Polizei und Justiz nicht auf dem Boden des Grundegesetzes stehen, zeigen genau solche Fälle. Der Polizeistaat wird von unserer Verfassung als Staatsform ausgeschlossen.

  2. 16.

    Der Beamte ist eine Schande für die Polizei und gehört in den Innendienst versetzt oder am besten gleich ganz entlassen !

  3. 15.

    Der ganze Text schreit nach Falschaussagen seitens der Frau. Polizisten haben nun mal Ihre Hand an der Hüfte - wo sollen die denn sonst ihre Hände positionieren? Mehr als lächerlich - Stimme der Richterin zu.

  4. 14.

    Das macht einen wirklich sprachlos. In kaum einem anderen Berufsfeld werden Machtmissbrauch und massive Entgleisungen so gebilligt wie bei der Polizei. Die Justiz entscheidet hier leider nie objektiv. Ich habe bei den ganzen gebilligten Skandalen schon lange kein Vertrauen mehr.

  5. 13.

    Ist ja niedlich sonst schreien Alle nach härteren Strafen und "Durchgreifen" der Polizei, bsdrs im.Strassenverkehr. Das Zugeparktwerden ist mitlerweile Usus und ich empfinde das übrigens auch als Form der Freiheitsberaubung. Das da mal Jemand die Zündschnur durchschmort, kann ich nachvollziehen. Und natürlich ist die Karrierre dieses. Beamten mit dieser Aktion erstmal beendet auch ohne Haftstrafe oder was sonst noch gefordert war.

  6. 12.

    Ganz toll... Wäre ich nicht vorbestraft würde ich auch zur Polizei gehen und auf Kosten des Pöbel Karriere machen... Gut gemacht...

  7. 11.

    Für den Fall, dass die Polizei aber dennoch in Ihre Wohnung muss, haben die einen Generalschlüssel, der geschätzt etwa 15 kg wiegt...

  8. 10.

    Kann ja nicht sein, hier gehören die Polizisten sanktioniert, klar hat der typ nicht für seine privaten Zwecke den datenabruf durchzuführen, soll/ kann er kostenpflichtig machen, wie jeder andere auch. Und dann noch amtlich die Dame bedrohen und machen / tun lassen geht gar nicht. Absolut beschämende Polizei und Justiz

  9. 9.

    Eindeutig Machoismus und perfider Machtmissbrauch.
    Falsches Gerichtsurteil.
    Das klingt widerlich.

  10. 8.

    Autos zuparken ist doof und hat den Polizisten geschädigt. Amtsmissbrauch ist auch doof und schadet dem Ansehen der gesamten Polizei.

  11. 7.

    Naja, Selbstjustiz ist das nicht, aber in den Maßnahmen übers Ziel geschossen. Deswegen operieren Ärzte auch selten Verwandte. Der eigentlich mit 50 Jahren erfahrene Polizist hat hier den Abstand verloren. Besser, er hätte das seiner Kolllegin überlassen.Das die Klägerin sich bedroht fühlte, weil der Polizist an die Waffe fasste, ist wahrscheinlich eher Anklage-Strategie gewesen.
    Insgesamt unnötige Aktion

  12. 6.

    Unfassbar. Ich mach meine Tür jetzt nicht mehr auf, wenn "die Polizei" klingelt.

  13. 5.

    Ich fände es gut, wenn man Satire auch als solche kennzeichnen würde- so kann jemand auf die Idee kommen, sie würden solch absurden Unsinn ernst meinen. Oder sollten sie tatsächlich der Meinung sein, dass so weniger Schaden entstanden ist für die Frau und der Gesellschaft?

    Freiheitsstrafe auch auf Bewährung fände ich aber auch nicht richtig. Entlassung aus dem Polizeidienst, für dessen Untauglichkeit er mit diesem Verhalten bewiesen hat und Verlust des Beamtenstatus wären angemessen- zusätzlich zu einer angemessenen Schmerzensgeldzahlung für die geschädigte Frau und einer Entschuldigung an die Gesellschaft.
    Unglaublich eine solche Entgleisung eines erwachsenen Mannes, der sich dem Staatswohl verpflichtet hat.

  14. 4.

    Konsequenter Machtgebrauch/-missbrauch, einiger sich zum Sheriff erkohrenen, kann schon massiv nerven. Wieder eine Bürgerin die von unseren SicherheitsOrganen enttäuscht wurde.

  15. 3.

    Da hat die Frau aber noch Glück gehabt, dass der Polizist so umsichtig war und sie auf ihre Fehler aufmerksam gemacht hat. Wenn er nicht so kulant gewesen wäre, hätte sie das Auto gegen einen höheren Betrag von einem Autohof abholen können und hätte noch obendrein eine Anzeige erhalten. Daumen hoch, für so einen umsichtigen Beamten!

  16. 2.

    Immer wieder das Gleiche, umgekehrt hätte es ganz sicher keinen Freispruch gegeben.

    Die Messlatte für Rechtsbeugung durch Richterinnen und Richter muss deutlich tiefer gehängt werden, Umfragen belegen das eindeutig.
    Wir erleben derzeit beim Verwaltungsgericht Berlin, dass die jeweilige Kammer auf die Beklagte "hört", es gibt zwei hanebüchene Beschlüsse und ein ebensolches Urteil. Bei der Begründung der Entscheidung wurden wir vom Vertreter der Beklagten anhaltend hämisch Angegrinst, bis zur Aufforderung das zu unterlassen.

  17. 1.

    Hoffentlich geht sie in Berufung. Das ist purer Machtmissbrauch und solche Polizisten brauchen wir Bürger echt nicht.

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