Nur eine Beratungsstelle - Antidiskriminierungsarbeit bleibt in Brandenburg auf der Strecke
In Brandenburg haben die Beratungsanfragen wegen rassistischer Diskriminierung letztes Jahr um 22 Prozent zugenommen. Doch dem Land fehlt es an Möglichkeiten, Betroffene zu unterstützen. Für Leidtragende heißt das oft, dass sie auf sich allein gestellt sind. Von Efthymis Angeloudis und Viktoria Kleber
Alle drei Monate kriegt Bassel A. ein Schreiben vom Landkreis Oder-Spree ins Haus: Er solle eine neue Wohnung suchen und die Übergangseinrichtung nach über sechs Jahren verlassen. Der Druck, eine neue Wohnung für seine Eltern und seine beiden Geschwister zu finden, ist groß für den 25-Jährigen. In Beeskow im Landkreis Oder-Spree sind Wohnungen zwar - anders als in Potsdam oder Berlin - keine Mangelware. Trotzdem wird Bassel A. seit über einem Jahr nicht fündig - und das, obwohl beide Eltern und ein Bruder in Vollzeit arbeiten.
Betroffene fühlen sich im Stich gelassen
Länger hat der 25-jährige Wirtschaftsinformatiker ein dumpfes Gefühl, dass die vielen Absagen wegen seiner Herkunft erfolgen könnten - er ist sich aber nie wirklich sicher. Anfang Februar ruft Bassel A. bei der Annonce einer Vier-Zimmer-Wohnung mit kleinem Garten an. Doch noch bevor er sich richtig vorstellen kann, erwidert ihm dem Vermieter: "Geh, such' dir eine Wohnung in der Türkei" - und legt auf. "Ich war richtig schockiert und enttäuscht", sagt Bassel dem rbb. "Das war eindeutig Rassismus." Was er bisher nur vermutet hatte, schallte ihm jetzt direkt ins Gesicht.
Zwei Tage später gibt ein anderer Vermieter vor, dass eine Wohnung, für die A. schon vor mehreren Tagen zugesagt, aber trotz täglicher Nachfrage keinen Mietvertrag erhalten hatte, vergeben sei. Einige Tage danach steht die Wohnung wieder frisch in den Angeboten. A.s Anrufe werden ignoriert.
Das lässt für ihn das Fass überlaufen: Bassel A. nimmt sich trotz Bachelorarbeit die Zeit und schreibt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes an.
Antidiskriminierungsstelle muss Betroffene ablehnen
Immer mehr Menschen in Brandenburg geht es wie A.. Der Beratungsbedarf für Betroffene rassistischer Diskriminierung ist im vergangenen Jahr drastisch gestiegen. Die Zahl der gemeldeten Fälle habe sich um 22 Prozent erhöht, sagt Ingmar Pech von der Beratungsstelle Opferperspektive dem rbb.
Doch mehr gemeldete Fälle bedeutet auch mehr Beratungsbedarf. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Opferperspektive klären die Betroffenen über ihre Rechte auf, vermitteln sie zu Anwälten und bestärken sie. Doch der Verein Opferperspektive in Potsdam ist die einzige Fachberatung bei rassistischer Diskriminierung in Brandenburg. Im vergangenen Jahr mussten sie Betroffene ablehnen, weil der Andrang zu groß war.
Rassismus für Landespolitiker kein Thema?
"In Brandenburg wird das Thema Antidiskriminierung sehr wenig gesetzt", sagt Pech. Wenn sie mit Landespolitikern rede, müsse sie vielen erstmal klar machen, das Rassismus nicht gleich rechte Gewalt sei. "Rassismus fängt viel früher an. Rassismus ist Alltagsrassismus und wenn dem nicht begegnet wird, dann kann er sehr oft in rassistische Gewalt eskalieren."
Dabei sei Beratung sehr wichtig für Betroffene, sagt Cristina Martin vom Verein Opferperspektive. "Öfter geht es auch darum, überhaupt 'Basta' zu sagen und sich zu wehren." Und auch wenn die Betroffenen am Ende nicht die Wohnung oder die Anerkennung erhalten würden, hätten sie zumindest erlebt, dass sie die Kontrolle über das eigene Leben gewinnen können. Nur so könnten sie sich auch wirklich hier zuhause fühlen.
Nonnemacher: Wir sind in einer sehr schwierigen Haushaltssituation
Die zuständige Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz, Ursula Nonnemacher (Grüne), beteuert, es sei ihr ein großes Anliegen - doch derzeit sei keine Ausweitung der Beratungsstellen möglich. "Ich hätte gerne auch mehr Mittel, um solche Formen der Antidiskriminierung noch stärker zu bedienen. Aber Sie wissen: Wir sind in einer sehr schwierigen Haushaltssituation."
Für Betroffene wie Bassel A. kann das bedeuten, dass sie ihr Recht, gleich behandelt zu werden, nicht durchsetzen können und auf sich alleingestellt bleiben. Statt einer persönlichen Beratung oder einem Telefonat bekommt der werdende Wirtschaftsinformatiker nach seiner Beratungsanfrage nur eine E-Mail mit einem PDF-Anhang als Antwort: In der E-Mail gibt man ihm den Hinweis, "den Vermieter bei Ebay zu melden".
"Ich habe mir Hilfe vor Ort gewünscht", sagt Bassel A. enttäuscht. "Nicht eine lange, komplizierte E-Mail, sondern jemanden, der mir bei diesem Fall zur Seite steht."
Sendung: Brandenburg Aktuell, 08.02.2021, 19:30 Uhr