Datensicherheit bei Bestelldiensten - Angemacht vom Lieferdienst

Sa 06.03.21 | 17:15 Uhr | Von Sophia Wetzke
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Symbolbild: Der Anruf einer anonymen Nummer erscheint auf einen Smartphone
Bild: imago images/7aktuell

Sushiplatte, Burger oder Pizza zu bestellen, gehört für viele zum Alltag. Ein paar Klicks und das Essen wird bis an die Wohnungstür geliefert. Was aber, wenn das Lieferpersonal danach ungewollt persönlich Kontakt aufnimmt? Von Sophia Wetzke

"Hi Cindy, war schön heute mit dir ;)"

An einem Wochentag abends bekommt eine Berlinerin, Mitte 20, diese Whatsapp-Nachricht, die sie zunächst nicht zuordnen kann. Im Kopf spult sie ihren Arbeitstag zurück. Sie bestellte, wie häufiger schon, für sich und ihr Team zur Mittagspause Pizza. Um das Essen abzuholen, war sie zur Filiale gelaufen. Dort musste sie ein paar Minuten warten und kam mit einem der Mitarbeiter kurz ins Gespräch. Oberflächlicher, höflicher Smalltalk.

"Dann fiel mir ein, die haben durch die Bestellung ja meine Handynummer." In der Folge kommen weitere Nachrichten mit vielen Zwinker-Smileys. Der Mann schreibt, dass er der Filialleiter sei und die junge Frau vergessen habe, ihre Rechnung mitzunehmen. "Hatte ich aber ganz sicher nicht. Das war alles nichts Böses und er hat dann irgendwann auch aufgehört, aber ich fand’s gruselig."

Andere Lieferdienstkundinnen berichten ähnliches. Eine junge Frau aus Mitte bekommt eine Woche nach ihrer Bestellung private Messenger-Nachrichten von dem Fahrer, der ihr Essen nach Hause geliefert hatte. Ähnlicher Tonfall à la: Hey, ich fand dich toll.

Die Betroffene findet es hingegen unangenehm. Denn der Fahrer weiß viel über sie. Wie sie heißt, wo sie wohnt und dass sie allein lebt.

Lieferdienste bieten Meldemöglichkeiten an

Dass Kundinnen und Kunden eine gültige Telefonnummer angeben, ist Voraussetzung für den Bestellvorgang bei allen gängigen Lieferplattformen. Mehrere Lieferdienste bestätigen, dass ihre Fahrerinnen und Fahrer direkten Zugriff auf die Nummern haben. Dieser sei im Rahmen des Datenschutzes des jeweiligen Unternehmens allerdings rein zweckgebunden. Das heißt, sie darf lediglich genutzt werden, um die reibungslose Auslieferung des Essens zu gewährleisten. Falls das Lieferpersonal zur falschen Adresse geschickt wurde oder der Name nicht am Klingelschild steht. Wer dagegen verstößt, müsse mit Konsequenzen rechnen, so die Lieferdienste.

Die Pizzakette Domino’s räumt ein, von solchen Fällen wie dem von Cindy durchaus Kenntnis zu haben. Soweit man wisse, komme dies aber selten vor. Sowohl Domino’s als auch die Lieferplattform Lieferando verweisen auf die Möglichkeit, solche Verstöße direkt per Kontaktbutton zu melden, damit die Unternehmen handeln könnten.

Weder Cindy noch die andere Betroffene tun das. "Ich hab das dann letztendlich so stehen lassen und nichts mehr gemacht. Weil ich irgendwie Angst hatte, dass er dann sauer wird und was Blödes macht", sagt Cindy. "Der weiß ja so viel über mich. Auch wo ich arbeite und so."

Neue Lieferdienste verschleiern Telefonnummern

Der Lieferdienst Wolt, seit einem halben Jahr auch in Berlin unterwegs, nutzt technische Möglichkeiten, um private Daten besser zu schützen. Das Unternehmen stattet sein Lieferpersonal mit einer App aus, über die die Kundschaft kontaktiert werden kann. Fahrerinnen und Fahrer sehen statt der realen Telefonnummer eine Art Decknummer, die nur während des Liefervorganges aktiv ist. Danach wird die Verbindung gekappt.

Diese Verschleierung funktioniere in beide Richtungen, so Wolt, man wolle auch das Fahrpersonal vor ungewollten Übergriffen auf private Handynummern schützen. Ähnliche technische Lösungen nutzen auch die Anbieter von Fahrdiensten wie zum Beispiel Uber.

Cindy formuliert ihren Ärger und ihre Irritation über den ungewollten Flirtversuch in einem Facebook-Beitrag. Die Reaktionen in den Kommentaren ernüchtern sie: Sie solle sich nicht so haben, das sei doch nett gemeint gewesen. Ein schönes Kompliment, über das sie sich freuen sollte. Sie habe nicht verstehen können, sagt Cindy, dass ihr auch andere Frauen geraten haben, nicht so empfindlich zu sein. "Ich finde das scheiße. Man will einfach nur Essen bestellen und bekommt dann solche anmachenden Nachrichten", sagt Cindy. "Ich war freundlich und höflich, ganz normal. Das ist aber keine Einladung, mir zu schreiben. Man sollte keine Angst haben müssen."

Sendung: Radioeins, 3.3.2021, 17.40 Uhr

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Beitrag von Sophia Wetzke

13 Kommentare

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  1. 13.

    Ich stimme dem voll und ganz zu. Das ist einfach übergriffig und hat auch nichts mit Kompliment zu tun. Ich hoffe doch sehr, dass viele Eltern und Lehrer:innen auch mit ihren Kindern und Schülern darüber reden, dass sowas null als Kompliment zu tun hat.
    Da es ja Datenschutzbeauftragte sowohl in den Unternehmen als auch in den jeweiligen Bundesländern gibt, würde ich bei wiederholten Anfragen ohne Unterlassung, dies dort melden. Die Strafen für ein Unternehmen könnten da sehr bitter werden.

    Falls ein*e Fahrer*in hier mitlesen sollte. Lasst es einfach bitte auf diesem Wege sein. Dafür gibt es andere, bessere Wege, die mit mehr Anstand besser ankommen.

  2. 12.

    Uber leider keinen deut besser. :-(
    Nutze den Service häufig. Oder besser, nutzTE. Wurde insgesamt 3 mal von Fahrern hinterher kontaktiert. WhatsApp und einmal sogar angerufen. Hatte so eine Angst, der steht mal vor meiner Tür.

  3. 11.

    Echt? Ich bin seit dem Ausbruch der Pandemie nur noch selten in den Öffentlichen unterwegs.
    Die Story mit den stalkenden Lieferantendienst ist sehr gruselig.
    Die anderen Lieferdienste sollten auch zu verschleierten
    Telefonnummern verpflichtet werden.

  4. 10.

    Klingt nach total unangemessenen Aktionen der Lieferdienstmitarbeiter. Da sollte man auch immer sofort denen direkt antworten und klarstellen, dass das so nicht geht. Ist mir selbst noch nie passiert, aber ich werde zukünftig eher meine Festnetznummer angeben statt Handy - anrufen und sprechen trauen sich sicher die wenigsten.

  5. 9.

    Leider auch erlebt, bei Beschwerde hieß es, ich solle mich freuen über das Kompliment, er würde das nicht bei jeder machen. Lieferando selbst entschuldigte sich per random Standardsatz in Mail. Zum heulen.

  6. 8.

    "Die Reaktionen in den Kommentaren ernüchtern sie: Sie solle sich nicht so haben, das sei doch nett gemeint gewesen. Ein schönes Kompliment, über das sie sich freuen sollte." Wann verstehen es die Leute endlich?! Nein, das ist KEIN Kompliment und NICHT nett gemeint. Das ist schlichtweg übergriffig und nicht zu tolerieren. Erschütternd, daß im 21. Jahrhundert noch immer darauf hingewiesen werden muß.

  7. 7.

    Super das das ganze Thematisiert wird. Und absolut ekelhaft das es Personen gibt, welche Nummern zu sowas missbrauchen. Ich hoffe das hier Strafrechtlich nachgegangen werden kann.

  8. 6.

    Das passt mE auch zu den aktuellen Zahlen der BVG: Obwohl die Fahrgaszahlen in Coronazeiten rückläufig sind, stieg die Anzahl der sexuellen Übergriffe in der Bahn. Auch tagsüber.

  9. 5.

    Unglaublich, wie dumm offensiv einige Angestellte sich verhalten.
    Ich würde niemals auf die Idee kommen, betriebsinterne Informationen zu verwenden, um private Kontakte zu knüpfen.
    Das kann dir ganz schnell auf die Füße fallen.

    Aber vllt. ganz gut für die anderen Arbeitssuchenden da draußen (vor allem, wenn die ganze Kurzarbeit sich in Luft auflöst = Massenarbeitslosigkeit).

  10. 4.

    Gruselig. Noch gruseliger als diese Anbieter überhaupt zu nutzen.

  11. 3.

    Sowas geht garnicht. Am besten zur Anzeige bringe. Am schlimmsten vor allem ist der Vertrauensverlust, der erlitten wird.

  12. 2.

    Anzeigen: http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__238.html

  13. 1.

    Gruselig, ganz eindeutig!

    Ich werde jetzt mal schauen, ob Wolt bis zu uns liefert

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