Datensicherheit bei Bestelldiensten - Angemacht vom Lieferdienst
Sushiplatte, Burger oder Pizza zu bestellen, gehört für viele zum Alltag. Ein paar Klicks und das Essen wird bis an die Wohnungstür geliefert. Was aber, wenn das Lieferpersonal danach ungewollt persönlich Kontakt aufnimmt? Von Sophia Wetzke
"Hi Cindy, war schön heute mit dir ;)"
An einem Wochentag abends bekommt eine Berlinerin, Mitte 20, diese Whatsapp-Nachricht, die sie zunächst nicht zuordnen kann. Im Kopf spult sie ihren Arbeitstag zurück. Sie bestellte, wie häufiger schon, für sich und ihr Team zur Mittagspause Pizza. Um das Essen abzuholen, war sie zur Filiale gelaufen. Dort musste sie ein paar Minuten warten und kam mit einem der Mitarbeiter kurz ins Gespräch. Oberflächlicher, höflicher Smalltalk.
"Dann fiel mir ein, die haben durch die Bestellung ja meine Handynummer." In der Folge kommen weitere Nachrichten mit vielen Zwinker-Smileys. Der Mann schreibt, dass er der Filialleiter sei und die junge Frau vergessen habe, ihre Rechnung mitzunehmen. "Hatte ich aber ganz sicher nicht. Das war alles nichts Böses und er hat dann irgendwann auch aufgehört, aber ich fand’s gruselig."
Andere Lieferdienstkundinnen berichten ähnliches. Eine junge Frau aus Mitte bekommt eine Woche nach ihrer Bestellung private Messenger-Nachrichten von dem Fahrer, der ihr Essen nach Hause geliefert hatte. Ähnlicher Tonfall à la: Hey, ich fand dich toll.
Die Betroffene findet es hingegen unangenehm. Denn der Fahrer weiß viel über sie. Wie sie heißt, wo sie wohnt und dass sie allein lebt.
Lieferdienste bieten Meldemöglichkeiten an
Dass Kundinnen und Kunden eine gültige Telefonnummer angeben, ist Voraussetzung für den Bestellvorgang bei allen gängigen Lieferplattformen. Mehrere Lieferdienste bestätigen, dass ihre Fahrerinnen und Fahrer direkten Zugriff auf die Nummern haben. Dieser sei im Rahmen des Datenschutzes des jeweiligen Unternehmens allerdings rein zweckgebunden. Das heißt, sie darf lediglich genutzt werden, um die reibungslose Auslieferung des Essens zu gewährleisten. Falls das Lieferpersonal zur falschen Adresse geschickt wurde oder der Name nicht am Klingelschild steht. Wer dagegen verstößt, müsse mit Konsequenzen rechnen, so die Lieferdienste.
Die Pizzakette Domino’s räumt ein, von solchen Fällen wie dem von Cindy durchaus Kenntnis zu haben. Soweit man wisse, komme dies aber selten vor. Sowohl Domino’s als auch die Lieferplattform Lieferando verweisen auf die Möglichkeit, solche Verstöße direkt per Kontaktbutton zu melden, damit die Unternehmen handeln könnten.
Weder Cindy noch die andere Betroffene tun das. "Ich hab das dann letztendlich so stehen lassen und nichts mehr gemacht. Weil ich irgendwie Angst hatte, dass er dann sauer wird und was Blödes macht", sagt Cindy. "Der weiß ja so viel über mich. Auch wo ich arbeite und so."
Neue Lieferdienste verschleiern Telefonnummern
Der Lieferdienst Wolt, seit einem halben Jahr auch in Berlin unterwegs, nutzt technische Möglichkeiten, um private Daten besser zu schützen. Das Unternehmen stattet sein Lieferpersonal mit einer App aus, über die die Kundschaft kontaktiert werden kann. Fahrerinnen und Fahrer sehen statt der realen Telefonnummer eine Art Decknummer, die nur während des Liefervorganges aktiv ist. Danach wird die Verbindung gekappt.
Diese Verschleierung funktioniere in beide Richtungen, so Wolt, man wolle auch das Fahrpersonal vor ungewollten Übergriffen auf private Handynummern schützen. Ähnliche technische Lösungen nutzen auch die Anbieter von Fahrdiensten wie zum Beispiel Uber.
Cindy formuliert ihren Ärger und ihre Irritation über den ungewollten Flirtversuch in einem Facebook-Beitrag. Die Reaktionen in den Kommentaren ernüchtern sie: Sie solle sich nicht so haben, das sei doch nett gemeint gewesen. Ein schönes Kompliment, über das sie sich freuen sollte. Sie habe nicht verstehen können, sagt Cindy, dass ihr auch andere Frauen geraten haben, nicht so empfindlich zu sein. "Ich finde das scheiße. Man will einfach nur Essen bestellen und bekommt dann solche anmachenden Nachrichten", sagt Cindy. "Ich war freundlich und höflich, ganz normal. Das ist aber keine Einladung, mir zu schreiben. Man sollte keine Angst haben müssen."
Sendung: Radioeins, 3.3.2021, 17.40 Uhr