Vielfalt in der Arbeitswelt - So divers ist die Berliner Polizei
Die Berliner Polizei hat im vergangenen Jahr rund 30 Prozent Nachwuchskräfte mit Migrationsgeschichte eingestellt. Prozentual gesehen arbeiten außerdem besonders viele Frauen im höheren Dienst. Alles gut also beim Thema Vielfalt? Nicht ganz. Von Birgit Raddatz
Irgendwie ist es leicht, sich Amir Najafi und Resul Kutlu in Uniform vorzustellen. Zum Interviewtermin an einem besonders stürmischen Tag tragen beide Winterjacken mit Felleinsatz und laufen fast im Gleichschritt die Straße entlang. Als ein Polizeiwagen vorbeifährt, schauen beide aufmerksam hinterher. Der 27-jährige Amir Najafi und der 31-jährige Resul Kutlu sind Studenten an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin. Sie wollen Kommissare werden. Amir Najafi träumt irgendwann von einer Leitungsfunktion. "Allerdings braucht man da auch Förderer", sagt der Student - und ein Masterstudium.

Amtssprache Deutsch
Beide bringen schon jetzt beste Voraussetzungen für den Polizeiberuf mit: Sie haben Abitur und bereits ein Studium hinter sich, sind sportlich und sprechen neben Deutsch und Englisch noch je eine weitere Sprache: Bei Amir ist es Persisch, bei Resul Türkisch. Im Berufsalltag, sagt Resul Kutlu, helfe das manchmal sehr. Ein kurzer Wechsel in die Muttersprache, und erhitzte Gemüter beruhigten sich schnell. "Der Blick auf die Polizei ändert sich dadurch, weil die Polizei dann nicht mehr fremd ist, weil der Zugang zur Polizei und eine Person aus den eigenen Reihen da ist."
Resul Kutlu konnte noch von einer Praxis profitieren, die die Polizei mittlerweile wieder abgeschafft hat: Beim Einstellungstest konnte er sich zusätzlich in der türkischen Sprache prüfen lassen. Die Sprache sei zwar ein besonderer Pluspunkt, sagt auch die Leiterin der Berliner Polizeiakademie, Tanja Knapp. Aber einfach nur Dolmetscher*innen für die Straße suche man nicht. "Es geht darum, dass sie genauso teilhaben können. Das ist auch das, was sich viele wünschen: Nicht nur in Anspruch genommen zu werden, damit sie etwas übersetzen, was von den anderen nicht verstanden wird."
Der Eignungstest ist für alle gleich schwer
Der Eignungstest für den Polizeidienst gilt deutschlandweit als hart. Sehr gute Deutschkenntnisse sind zwingend notwendig, dazu kommen verschiedene sportliche Übungen und ein Intelligenztest. Im vergangenen Jahr stellte die Berliner Polizei etwa 360 Menschen mit Migrationsgeschichte ein. Beworben hatten sich über 1.000. Damit steigt zwar statistisch gesehen der Anteil der Menschen in der Polizei mit Migrationsgeschichte - in Berlin liegt er derzeit bei über 30 Prozent.
Trotzdem schneiden offenbar viele dieser Bewerber*innen immer noch schlechter ab. Woran das liegt, kann Sabrina Ellebrecht, Soziologin an der Universität Freiburg, bisher nur vermuten. Sie leitet das Forschungsprojekt "ZuRecht – Die Polizei in der offenen Gesellschaft" [projekt-zurecht.de] und untersucht die Ausbildungssituation der Polizeien deutschlandweit. "Zum einen könnten die Gründe in den Bildungsabschlüssen liegen, das ist aber eher eine Frage von sozialer Ungleichheit und nicht von Herkunft." Zum anderen könne sie sich vorstellen, sagt Ellebrecht, dass diejenigen, die die Bewerber*innen aussuchen, oftmals konservative Vorstellungen davon hätten, wie die Polizei zu sein hat. Ein deutsch klingender Name beispielsweise könnte dazu gehören, genauso wie eine bestimmte Familiengeschichte. Die Frage sei: "Inwieweit wird ein Idealtypus gesucht?"

Viele Frauen in höheren Positionen
Die Angabe nach dem Migrationshintergrund ist für Bewerber*innen freiwillig. Deshalb sind die Zahlen auch nur bedingt aussagekräftig. Andere Diversitäts-Merkmale im Sinne der "Charta der Vielfalt" [charta-der-vielfalt.de] werden aus guten Gründen erst gar nicht bei der Polizei abgefragt: Die politische Weltanschauung etwa oder die sexuelle Orientierung. Beim Geschlecht ist es anders. Insgesamt arbeiten bei der Polizei Berlin rund 30 Prozent Frauen. Im höheren Dienst liegt der Anteil der Frauen sogar mittlerweile bei fast 50 Prozent.
Vanessa Bachmann ist erst 26 Jahre alt und schon Oberkommissarin. Es war schon immer ihr Traum, zur Polizei zu gehen. Mit ihrem Freund, der bei der Berliner Feuerwehr arbeitet, plant sie irgendwann, Kinder zu bekommen. Ihre Karriere möchte sie dafür allerdings nicht zurückstellen. Weibliche Rollenbilder in führenden Positionen helfen hier offensichtlich für ein gewisses Selbstbewusstsein. "Meine ehemalige Leiterin aus dem Führungsdienst arbeitet in Teilzeit, und sie hat auch ein Kind. Es ist also möglich, auch im höheren Dienst Karriere zu machen und nicht kinderlos zu bleiben."

Diskriminierung von Frauen ist oft subtil
Die Leiterin der Polizeiakademie, Knapp, freuen solche Einstellungen. Sie selbst blieb für ihre Karriere kinderlos und musste sich in 35 Dienstjahren auch ein paar diskriminierende Bemerkungen anhören. "Ich glaube, dass wir hier immer noch auf unsere Sprache achten müssen: Wie sprechen Männer mit Frauen und umgekehrt? Was ist respektvoll, was noch lustig? Eine gewisse Art von Humor wird von Frauen nicht immer geschätzt, da sollte man sehr sensibel sein."
Daniela Klimke, Professorin an der Polizeiakademie Niedersachsen, beobachtet außerdem noch ein anderes Phänomen. Frauen in Führungspositionen müssten sich stärker behaupten. Gelangen sie an die Spitze, dann werde ihnen oft Glück attestiert, während es bei Männern als Leistung ausgelegt werde. "Und wenn dann einige Frauen nach oben gekommen sind, wird das oft so wahrgenommen: Das zeigt, die Türen stehen den Frauen offen, dann können wir uns damit ja zufriedengeben.“
Klimke sagt auch: Ein Mann mit Migrationsgeschichte könnte es perspektivisch schneller in eine Führungsposition schaffen als eine Frau. Auch deshalb ist der Weg der Berliner Polizei, bestimmte Gruppen zu fördern, wohl richtig. Darauf ausruhen sollte sie sich allerdings nicht.