Organisierte Kriminalität in Berlin -

Sicherheitsfirmen sollen nach rbb Recherchen bei der Bewachung von Unterkünften für Geflüchtete betrogen haben. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten sieht jedoch keine systematischen Fehler bei der Kontrolle dieser Firmen.
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LaF) in Berlin sieht keine systematischen Fehler bei der Kontrolle von Sicherheitsfirmen.
Es gebe ein System der Qualitätssicherung und des Vertragsmanagements, sagte Jana Borkamp vom LaF am Mittwoch in der rbb Abendschau. Wenn Fälle von Betrug bekannt würden, dann übergebe das Amt sie an das LKA und den Zoll. Wenn Fehler nachgewiesen würden, kürze man Leistungen. "Wir gehen allen Hinweisen nach", so Borkamp. Das Landesamt könne aber nicht rund um die Uhr vor Ort sein und die Arbeit von Sicherheitsfirmen in Flüchtlingseinrichtungen kontrollieren.
Nach rbb-Recherchen schädigen kriminelle Netzwerke aus privaten Sicherheitsfirmen seit Jahren die öffentliche Hand bei der Bewachung von Berliner Flüchtlingsheimen durch Scheinrechnungen und Abrechnungsbetrug.
Zwei Netzwerke aus insgesamt 30 Firmen
Axel Osmenda, Fachgebietsleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Berlin, bestätigte in einem Interview mit rbb24 Recherche die Existenz solcher Netzwerke: "Da gibt es ganze Unternehmensstrukturen, die einzig und allein zu dem Zweck gegründet werden, Scheinrechnungen zu legen", sagte Osmenda. Über die Jahre betrachtet habe der Zoll festgestellt, dass dieses Phänomen im Sicherheitsgewerbe zugenommen hat.
Nach rbb-Recherchen gibt es mindestens zwei bekannte Netzwerke, zu denen rund 30 Firmen aus dem Sicherheitsgewerbe gehören. Mit ständig wechselnden Geschäftsadressen, dem Einsetzen von Strohmännern als Geschäftsführer und dem Gründen und schnellen Liquidieren von Unternehmen haben diese Netzwerke eine Verschleierungstaktik entwickelt, die eine Kontrolle erheblich erschwert. Das Landeskriminalamt Berlin bestätigt dem rbb auf Nachfrage dieses "immer wieder festgestellte Phänomen".
Betrug auf vielfältige Weise
Die Sicherheitsunternehmen betrügen nach rbb-Recherchen auf vielfältige Weise. So belegen Dokumente, die dem rbb vorliegen, dass in den letzten Jahren in zahlreichen Berliner Flüchtlingsunterkünften immer wieder Wachleute eingesetzt wurden, die nicht über die fachlichen Voraussetzungen oder die vorgeschriebenen Zuverlässigkeitsnachweise verfügten.
Zudem wurde systematisch mehr Personal abgerechnet, als in den Heimen zum Einsatz kam. Viele Wachleute werden darüber hinaus schwarz bezahlt, vorbei am Finanzamt und den Sozialversicherungen. Das berichten Branchen-Insider und legen Lohnabrechnungen eines Sicherheitsunternehmens nahe, die dem rbb vorliegen: danach wohnten in einem Fall alle in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft tätigen Wachleute in der nicht existenten "Musterstraße 1" und erhielten ihre Löhne in bar.
Im Hintergrund dieser Netzwerke, so die rbb Recherchen, agieren offenbar immer die gleichen Hintermänner. Das Landeskriminalamt bestätigt auf rbb-Nachfrage Bezüge solcher Strukturen zur Organisierten Kriminalität. Einige der Sicherheitsfirmen sollen nach Aussage der Berliner Polizei Mitgliedern des so genannten Clan-Milieus gehören.
Rund 150 Millionen Euro gab das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten seit 2017 für die Bewachung der Flüchtlingsunterkünfte in Berlin aus.
Sendung: Abendschau, 30.06.2021, 19:30 Uhr