Berlin und Brandenburg - Deutlich mehr Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung
Körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt sowie Vernachlässigungen: Im vergangenen Jahr wurden deutlich mehr Verfahren gegen Eltern und Erziehungsberechtigte eingeleitet. Besonders stark war der Anstieg in Brandenburg.
In Berlin und Brandenburg sind im vergangenen Jahr rund 26.600 Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung geführt worden. In der Hauptstadt sei die Zahl im Vergleich zum Vorjahr damit um acht, in Brandenburg sogar um 18 Prozent gestiegen, teilte das Amt für Statistik am Montag mit. 85 Prozent der betroffenen Kinder waren in Brandenburg jünger als 14 Jahre, in Berlin rund 80 Prozent.
Vernachlässigungen und Misshandlungen festgestellt
In Berlin sei in fast jedem zweiten der rund 18.500 Fälle eine latente oder gar akute Gefährdung der jeweiligen Kinder festgestellt worden. Demnach waren in 19 Prozent der Fälle bereits erhebliche Schädigungen des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eingetreten oder zumindest mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten gewesen. Dabei habe es sich vor allem um Vernachlässigungen, aber auch körperliche und psychische Misshandlungen gehandelt.
In drei Prozent der entsprechenden Fälle hätten Verfahren wegen sexueller Gewalt eingeleitet werden müssen. Im überwiegenden Teil der angestoßenen Verfahren (56 Prozent) habe man keine Gefährdung der jeweiligen Kinder, jedoch oftmals Unterstützungsbedarf festgestellt.
Von den 8.075 in Brandenburg gelaufenen Verfahren ergaben 38 Prozent eine akute oder latente Gefahr für die Kinder. Wie in Berlin wurden die Betroffenen dabei vor allem vernachlässigt. Auch körperliche und psychische Misshandlungen (595) seien festgestellt worden. In 161 Fällen kamen die Jugendämter zu der Einschätzung, dass die Kinder durch sexuelle Gewalt gefährdet sind.
Zahlen bestätigen Befürchtungen
Diese Entwicklung war bereits zu Beginn der Corona-Krise befürchtet worden. Psychologinnen und Psychologen warnten vor Ausnahmesituationen in vielen Familien. Bereits Mitte April 2020, wenige Wochen nach dem ersten Lockdown, hatte die Berliner Senatsverwaltung eine Plakatkampagne gestartet, um für ein Sorgentelefon bei Krisen und Konflikten in Familien zu werben.
Im Juli wurde dann klar, dass es während des Lockdowns eine deutliche Zunahme an häuslicher Gewalt gegeben habe. Mit dem zweiten Lockdown ab November verzeichnete die Gewaltschutzambulanz an der Berliner Charité ebenfalls eine höhere Zahl an Gewaltopfern. Betroffen waren vor allem Frauen und Kinder.
Sendung: Abendschau, 19.07.2021, 19.30 Uhr