Massive Unwetter - Starkregen mit heftigen Folgen ist jederzeit und überall möglich

Die Bilder von Starkregen und Hochwasser aus dem Westen Deutschlands sind erschütternd. Auch Berlin-Brandenburg ist nicht gefeit vor schweren Folgen von extremem Wetter. Von Georg-Stefan Russew
Menschen haben im Westen Deutschlands aufgrund heftiger Wetterkapriolen mit starken Niederschlägen ihr Leben verloren. Im Laufe des Donnerstags bargen Rettungskräfte in Rheinland-Pfalz [swr.de] und Nordrhein-Westfalen [wdr.de] zahlreiche Todesopfer. Viele Personen gelten als vermisst. Häuser sind eingestürzt. Es drohen im Bergischen Land aktuell mehrere Talsperren zu brechen - es bieten sich teilweise Bilder apokalyptischen Ausmaßes.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) begründet die aktuelle Wetterlage damit, dass sich ein Tiefdruckgebiet über dem Westen Deutschlands "festgefressen" hat. Das Tief werde an allen Seiten von Hochdruckgebieten flankiert, die extrem feuchte Luft könne daher nicht ausweichen, erklärt DWD-Meteorologe Marco Manitta. "Solche Wetterlagen sind in den letzten Jahren häufiger geworden", sagt er.
Die größten Niederschlagsmengen gab es dem Experten zufolge in einem breiten Streifen vom Sauerland über das Bergische Land und die Eifel, den Großraum Köln/Bonn bis zur Grenze nach Luxemburg. Spitzenreiter war Rheinbach-Todenfeld (Nordrhein-Westfalen) mit 158 Litern pro Quadratmeter in 24 Stunden - wobei das meiste davon in einem kürzerem Zeitraum vom Himmel fiel, wie der Experte erklärt.
Starkregen kann immer wieder und überall auftreten
Nach Expertenansicht ist auch Berlin-Brandenburg nicht davor gefeit, von solchen schwerwiegenden Unwettern getroffen zu werden. "Ich möchte es noch weiter fassen", sagt Professor Matthias Freude rbb|24. Er lehrt an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) angewandten Naturschutz und war bis 2014 Präsident des Brandenburger Landesumweltamts (LfU). "Jedes Land in Europa wäre bei solchen Wetterlagen ähnlich betroffen. Das sind einfach Naturereignisse und die stehen heutzutage unter dem Vorzeichen Klimawandel", betont er.
Starkregen-Ereignisse können so immer wieder und überall auftreten, fügt Freude hinzu. "Sie sind leider nicht vorhersehbar und vorhersagbar." Das seien leider erschwerende Tatsachen, mit denen man jetzt zu leben habe. "Jedes Grad höhere Temperatur macht sieben Prozent mehr Wasser in der Luft aus", so Freude.
"Generell wissen wir, dass Extremniederschläge im Zuge der Erderwärmung zunehmen. Das haben die Klimamodelle bereits vor 30 Jahren vorhergesagt und das ist inzwischen durch Datenauswertungen bestätigt", sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung [pik-potsdam.de] der ARD-Tagesschau. Man könne das Rad der Erderwärmung nicht mehr zurückdrehen. "Warme Luft kann einfach mehr Wasserdampf aufnehmen und dann abregnen."

Daher sei es geboten, die Erderwärmung wie im Pariser Klimaabkommen gefordert, zu stoppen. "Auch wenn wir das jetzt umsetzen, haben wir trotzdem mit extremen Wetterlagen zu tun, auch wenn wir die Erwärmung bei 1,5 Grad gestoppt haben", meint der Potsdamer Klimaforscher.
Neben Maßnahmen zum Stopp der weiteren Erderwärmung rät Rahmstorf dazu, Wasser aus Starkregen-Ereignissen zu neutralisieren. "Städte müssen gucken, wie man Wasser zwischenspeichern kann", sagt er und weist dabei auf ein Berliner Projekt hin. Hier sei geplant, Regenwasser unterirdisch in großen Kavernen zwischenzuspeichern. "Für die lokalen Planer gibt es viele Aufgaben, sich zu überlegen, wie man mit dem extremen Regen aber auch den zunehmenden Hitzeextremen so zurechtkommt, dass die Bürger möglichst wenig Schaden nehmen", unterstreicht der Potsdamer Klimaforscher.
Zuletzt war in Brandenburg die Uckermark von Wetterkapriolen betroffen
Vor zwei Wochen regnete es sehr stark in der Uckermark. Mengen von über 180 Liter pro Quadratmeter und Tag prasselten herunter. Mancherorts seien den Angaben zufolge mehr als 200 Liter heruntergekommen. "Wir konnten dagegen überhaupt nichts machen. Das waren ungeheure Wassermengen", sagt der Prenzlauer Bürgermeister Hendrik Sommer rbb|24. "Das kam so urplötzlich über uns."
Seine Stadt hatte es mit abrutschenden Hängen, überfluteten Kellern und abgesoffenen Heizungsanlagen zu tun. "Solche dramatischen Bilder wie jetzt im Westen Deutschlands hatten wir aber nicht", so Sommer. Er sprach den jetzt betroffenen Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sein Mitgefühl aus. "Das ist unfassbar, dass dort Menschen ihr Leben verloren haben. Bei uns gab es keine Personenschäden", so Sommer.
In Prenzlau sind auch nach zwei Wochen nicht alle Schäden behoben. Sommer versuche, Wasserrückhalte-Punkte für die Stadt zu schaffen. Das brauche aber Zeit. "Unsere Kanalisation ist auf Wassermengen von jenseits von 60 Liter auf den Quadratmeter innerhalb weniger Stunden nicht eingestellt. Das Fassungsvermögen liege gerade einmal bei maximal 25 Litern", so Sommer. Keine Deutsche Kommune könne es sich finanziell leisten, seine Kanalisation auf diese enormen Starkregen- Wassermengen anzupassen.
Hochwasserschutz massiv ausgebaut
Brandenburg habe immer wieder mit extremen Wetterlagen und Hochwassern zu tun gehabt, betont Freude. Er erinnerte an das Oder-Hochwasser 1997 oder an extreme Situationen 2002 und 2013 an der Elbe. "Mittlerweile ist der Hochwasserschutz massiv durch das Land Brandenburg ausgebaut worden", sagt er. Zuletzt seien Deichanlagen in der Prignitz unter anderem an der Stepenitz ausgebaut worden. Das Flüsschen könne auch innerhalb weniger Stunden und Tage massiv anschwellen, weil die Elbe dann das eigentlich abfließende Wasser in die Stepenitz zurückdrängt und Orte im Hinterland überschwemmt, so Freude weiter.
Er weist auch auf das Hochwasser an der Schwarzen Elster in Südbrandenburg hin. 2010 stieg der Pegel des sonst beschaulichen Flüsschens massiv an und bedrohte ganze Landschaften und Orte im Landkreis Elbe-Elster.
Keine Sturzflutgefahr in Brandenburg, dafür nicht abfließendes Wasser
Brandenburg habe tatsächlich sehr viel in den Hochwasserschutz in den vergangenen Jahren investiert, erklärt Thomas Frey vom Brandenburger Landesumweltamt. "An der Karthane, im Oderbruch und in der Elbniederung wurde die Leistung der Pumpen deutlich erhöht, um die Niederungen bei Überflutung schneller entwässern zu können", so Frey.
Aber anders als in Teilen von Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen ist in Brandenburg die Sturzflutgefahr nicht hoch, so Frey. "Während im Hoch– und Mittelgebirge Starkregen eine reißende Kraft entwickeln kann, fließen hier die Wassermassen auf Grund des niedrigen Gefälles nicht aus den Niederungen ab, zehren so extrem an den Nerven der Hausbesitzer und Landnutzer." Frey erinnert an Leegebruch bei Oranienburg. Starkregen im Sommer 2017 überflutete den in einer Niederung direkt am Nördlichen Berliner Ring liegenden Ort.
Sendung: Inforadio, 16.07.2021, 12:00 Uhr
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