Verwaltung sitzt in Gebäuden ehemaliger Rüstungsfirma - BER arbeitet NS-Geschichte des Luftfahrtstandorts Berlin-Schönefeld auf

Di 17.08.21 | 08:23 Uhr
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Archivbild: Kampfflugzeug Henschel Mehrzweckflugzeug Hs 126 (Quelle: Arkivi-Bildagentur/akpool GmbH)
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Das Gelände des heutigen BER war während des Zweiten Weltkriegs eine zentrale Produktionsstätte für Kampfflugzeuge. Die hier produzierten Flieger zerstörten Städte in ganz Europa. Dieses dunkle Kapitel hat der BER nun aufarbeiten lassen.

Die Flughafengesellschaft des BER hat die Geschichte seines Standorts in Schönefeld (Dahme-Spreewald) zur Zeit des Nationalsozialismus aufarbeiten lassen. Die Verwaltung des heutigen BER-Flughafens sitzt auf dem Gelände und in Gebäuden der einstigen Henschel Flugzeug-Werke. Sie zählten während der NS-Zeit zu den bedeutendsten Rüstungsfabriken für Kampfflugzeuge und Bomben.

Die Ergebnisse der von Historikerinnen und Historikern hat die Gruppe am Montag als Buch präsentiert. Die Zeit der Henschel Flugzeug-Werke dürfe nicht in Vergessenheit geraten, sagte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup. "Mit diesem Buch wollen wir aufklären und erinnern", hieß es weiter.

Hitler und Göring gaben den Anstoß

Mit der Gründung der Flugzeug-Werke stieg der Henschel-Konzern 1933 in den Flugzeugbau ein. Es hatte zuvor vor allem Züge, Lastwagen und Busse gebaut. Wie die Autoren berichten, ergab sich so die Chance, vom Luftrüstungsprogramm der neuen Regierung zu profitieren. Nazi-Diktator Adolf Hitler und sein Luftfahrtminister Hermann Göring unterzeichneten die notwendigen Dokumente für den Bau der Flugzeugfabrik.

Bis zu 13.000 Zwangsarbeiter produzierten Kampfflugzeuge

Im Mai 1935 konnten die ersten Flugzeuge produziert werden, zu Kriegsbeginn 1939 war das Werk vollendet. Die Fabrik wurde allerdings auch danach ausgebaut, da im Laufe des Krieges der Bedarf an Flugzeugen wuchs. Kampfbomber, Schlachtflugzeuge, Bomben - produziert für den Zweiten Weltkrieg, wie es in der Publikation heißt. Es entstanden neue Montagehallen, Luftschutzkeller und auch Barackenlager für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.

Henschel setzte angesichts des starken Facharbeitermangels mit ungelernten Arbeitskräften zunehmend auf Fließbandproduktion. Zunächst wurden deutsche Arbeitskräfte, ab 1938 nach und nach Fremdarbeiter eingesetzt. Dazu zählten niederländische Zivilarbeiter, aber auch sowjetische, polnische, französische und ukrainische Kriegsgefangene, in den letzten beiden Kriegsjahren auch KZ-Häftlinge. Sie alle leisteten, wie die Historiker betonen, gegen ihren Willen Zwangsarbeit. Bis 1943 wuchs die Belegschaft auf bis zu 13.000 Mitarbeitende an. Zahlreiche Menschen seien an Entkräftung und Krankheiten gestorben.

Mit den in Schönefeld hergestellten Flugzeugtypen und Bomben tötete die Luftwaffe nach Angaben der Autoren Soldaten wie Zivilisten und zerstörte viele Städte wie etwa in Spanien, in den Niederlanden, in England, Polen, auf dem Balkan und in der Sowjetunion.

Viele Gebäude der Henschel-Flugzeug-Werke sind heute noch erhalten. Im Verwaltungsbau sind die Geschäftsführung und verschiedene Bereiche der Flughafengesellschaft untergebracht. Sie zogen nicht zum BER-Terminal um, der Ende Oktober 2020 eröffnet wurde. In Nebengebäuden befinden sich Büros, Werkstätten, Konferenzräume oder die Kantine, die von vielen Mitarbeitenden täglich genutzt werden.

Ausstellung im Schönefelder Verwaltungsgebäude

"Die meisten von uns wissen nur wenig über die damalige Funktion der Gebäude und Anlagen", sagte Lütke Daldrup. Mit dem Buch "Im Dienst des nationalsozialistischen Krieges – Der erste Flugplatz in Schönefeld" von Harald Bodenschatz, Christoph Bernhardt, Stefanie Brünenberg und Andreas Butter wolle man aufklären und ein Signal setzen. Heute stehe der Standort Schönefeld und der Flughafen für ein friedliches Miteinander der Menschen, für Freiheit und Völkerverbundenheit, für Toleranz und Respekt.

Gleichzeitig wurde unter demselben Titel eine Ausstellung im Schönefelder Verwaltungsgebäude der Flughafengesellschaft eröffnet.

Sendung: Inforadio, 16.08.2021, 14:40 Uhr

27 Kommentare

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  1. 26.

    Niemand ist übertrieben, aber die Mehrheit, da muss ich Ihnen leider Recht geben. Wenn man heute sieht, wie leicht sich Menschen gegeneinander wegen Kleinigekiten/Nichtigkeiten aufwiegeln lassen (überall auf der Welt, nicht nur hier) und welcher Hass untereinander ausgelebt wird, dann muss ich erkennen, dass das angebliche Lernen aus der Vergangenheit nur leere Worte sind. Die Mehrheit wird sich immer dem Mainstream anpassen, um nicht anzuecken oder aufzufallen, rein aus Bequemlichkeit, Angst oder Sorge vor sozialer Ausgrenzung. Die Mechanismen, mit denen die Nazis Deutschland unter ihre Kontrolle gebracht haben, waren damals nicht neu und sie gelten im Grundsatz bis heute. Man muss aufpassen, nicht Demokratiefeinde zu hofieren, um angebliche oder tatsächliche andere Demokratiefeinde zu bekämpfen. Der Feind meines Feindes ist eben nicht unbedingt gleich mein Freund. Man kann durchaus mehrere Feinde haben.
    Und ja, die meisten, die heute laut tönen, wären wohl Mitläufer gewesen.

  2. 25.

    Es gab Tausende die nicht "mitgemacht" haben, die ins Exil gingen, oder umgebracht wurden, oder erst aufgaben als sie sahen wie andere umgebracht wurden. Nicht jeder hat gleich versucht Hitler umzubringen, viele haben sich zum Beispiel der Hitlerjugend verweigert, auch wenn sie allein dafür schon mit erheblichen Einschränkungen und Anfeindungen rechnen mussten. Was ist denn mit denen? Existieren die nicht in Ihrem Geschichtsbild? Ich habe dieses Argument schon oft gehört, und es ist einfach falsch. Es suggeriert es sei damals alternativlos gewesen ein Nazi zu werden, und es relativiert die Schuld der Naziverbrecher, indem es sagt, "es war ja normal". Völlig ahistorisch, so war es nicht!

  3. 24.

    "Niemand, wirklich niemand kann mir heute erzählen, er hätte ab 1933 nicht mitgemacht! "

    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Widerstandsk%C3%A4mpfern_gegen_den_Nationalsozialismus

  4. 23.

    Niemand, wirklich niemand kann mir heute erzählen, er hätte ab 1933 nicht mitgemacht! Der Mensch ändert sich nicht, die Umstände ändern sich.

  5. 22.

    rbb - Geheimnisvolle Orte:

    Flughafen Schönefeld: Hitlers Luftwerft - Honeckers Airport

  6. 21.

    nee - nicht verantwortlich - das sind wir nicht - aber wir haben dafür zu sorgen, dass so eine Scheiße nie wieder passiert.

  7. 20.

    ..echt jetzt? Hätte ich nicht gedacht! Na gut, dann eben "Für Frieden und Sozialismus-Seid bereit!" Besser?

  8. 19.

    "Für das was 2 Generationen vor mir angerichtet haben, bin ich nicht verantwortlich!" >hat was von fauler Ausrede. Wir leben JETZT. Und JETZT sind wir ALLE verantwortlich, dass sich die Naziverbrechen 1. nicht wiederholen und 2. jedes Wiederaufkeimen dieses Scheißdrecks nie-niE-NIE-NIEMALS wiederholt!!!

  9. 18.

    rechts ohne -extrem reicht schon alleine für einen schlechten Eindruck.

  10. 17.

    "...Aber dafür das sich Geschichte wiederholt.." - Nur Endverbohrte glauben das sich sowas jemals wiederholt....

  11. 16.

    "Für das was 2 Generationen vor mir angerichtet haben, bin ich nicht verantwortlich!"

    Stimmt! Aber dafür das sich Geschichte wiederholt, weil sie nicht sehen wollen wie wieder die geistigen Erben dieser Täter zu Macht und Einfluß kommen. Oder wollen sie gar dass diese Leute wieder zu Macht und Einfluß kommen?

    "Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen."

  12. 15.

    Sicherlich kann man nichts für die Taten seiner Eltern oder Großeltern, aber es lässt sich ganz gut davon leben.
    Eine Aufarbeitung ist nötig.

  13. 14.

    ...nur entrosten war gemeint! Für das was 2 Generationen vor mir angerichtet haben, bin ich nicht verantwortlich!

  14. 13.

    Genauso wie die ehemaligen Aradowerke in Reinickendorf, Flottenstraße./Kopenhagener Str.
    Gibt es da Dokumentationen drüber?

  15. 12.

    Sondern? Wenn das mit dem Entrosten ernst gemeint war, wäre ne Klarstellung mal angesagt - oder? Wenn ich was "entroste" kratze ich braunen Dreck herunter......

  16. 11.

    och, der BER klappt ganz gut. Bin mehrfach dort abgehoben und gelandet. endlich ein attraktiver, übersichtlicher und zukunftssicherer Flughafen für die Hauptstadtregion.

    Ich find´s gut, dass die Geschichte des Standortes aufgearbeitet wird. Ist zumindest interessant und in dieser Dimension neu für mich.

  17. 10.

    "Es sei Ihnen gegönnt, wenn Sie sonst nichts Schönes im Leben haben. " Keine Angst, habe ich. "Wohlige Schauer" nicht abber wenn sich gewisse Leute angesprochen fühlen und sich mit ihren polemischen Antworten höchst lächerlich machen huscht mir in der Tat ein kleines Lächeln über das Gesicht.

    "Es ist nichts so gut aufgearbeitet, wie die NS-Zeit." Sie beweisen erneut was ich geschrieben habe. "Es ist bekannt warum Rechtsextreme gegen die Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte sind."

    Vor allem wenn sie die geistigen Erben der Täter von damals sind. Darum gehe ich auf ihre plumpen Ausreden und Verharmlosungen erst gar nicht ein.

  18. 9.

    "Es sei Ihnen gegönnt, wenn Sie sonst nichts Schönes im Leben haben. " Keine Angst, habe ich. Wenn sich gewisse Leute angesprochen fühlen und sich mit ihren polemischen Antworten höchst lächerlich machen huscht mir ein kleines Lächeln über das Gesicht.

    "Es ist nichts so gut aufgearbeitet, wie die NS-Zeit." Sie beweisen erneut was ich geschrieben habe. "Es ist bekannt warum Rechtsextreme gegen die Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte sind."

    Vor allem wenn sie die geistigen Erben der Täter von damals sind. Darum gehe ich auf ihre plumpen Ausreden und Verharmlosungen erst gar nicht ein.

  19. 8.

    Man fragt sich allerdings warum die Flughafengesellschaft die Aufarbeitung finanzieren mußte. Warum wurde das nicht von Rheinmetall finanziert?

    "Ende des Jahres (1999) übernahm Rheinmetall DeTec AG die Unternehmen KUKA Wehrtechnik GmbH und Henschel Wehrtechnik GmbH."

    Noch heute verdient Rheinmetall sehr gut an Krieg, Tod und Elend in der Welt.

    „Sie treten dabei Umweltschutz, Frieden und Menschenrechte mit Füßen. RHEINMETALL fördert Krieg, ruiniert Menschenrechte und zerstört die Umwelt. Auch illegale Waffendeals, Steuerhinterziehung und Kriegstreiberei zeigen wie die Verantwortlichen von Rheinmetall für die Profitmaximierung Ethik und Moral missachten. Sie nehmen durch ihr Handeln den Untergang der Erde als Schwarzen Planeten in Kauf.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinmetall#Kritik_und_strafrechtliche_Ermittlungen

  20. 6.

    Ihnen scheint jedes Mal ein wohliges Gefühl durch den Körper zu wandern, wenn Sie irgendwas mit "rechtsextrem" von sich geben können. Es sei Ihnen gegönnt, wenn Sie sonst nichts Schönes im Leben haben.
    Es ist nichts so gut aufgearbeitet, wie die NS-Zeit. Faktisch diente damals die gesamte deutsche Infrastruktur und faktisch jede Firma der Führung und Aufrechterhaltung des verbrecherischen Angriffskrieges. Jede zivile Produktion wurde, soweit sie nicht zwingend erforderlich zur Versorgung der Bevölkerung nötig war, zumindest teilweise auf Kriegsproduktion umgestellt. Warum sollte ein Flughafen oder eine Fabrik auf dessen Gelände da eine Ausnahme darstellen? Dass es so war, wissen wir längst. Damit hat der heutige Flughafen aber bis auf das selbe Gelände nichts zu tun. Es wäre Aufgabe der Stadt, solches aufzuarbeiten, nicht des Flughafens. Die Ausstellung finde ich trotzdem gut, nur vom falschen Initiator.

  21. 5.

    Es ist bekannt warum Rechtsextreme gegen die Aufarbeitung des dunkelsten Kapizels unserer Geschichte sind. Sie wollen das Kapitel wiederbeleben, da stört Aufklärung nur.

  22. 4.

    Wäre ja auch einmal lobenswert, dass mit alten Fotos zu dokumentieren. Denn so kann man sich das überhaupt nicht vorstellen. Man kennt den alten Flughafen Schönefeld, drum herum nur Felder und das wars.

  23. 3.

    Wenn sonst nix klappt, aber jetzt hat der BER wenigstens auch eine Nazi-Vergangenheit....Mein Opa hat Schrauben entrostet....

  24. 2.

    In der Berliner Zeitung (Printausgabe) von heute steht, das der Flughafen dieses Buch im Eigenverlag herausgebracht hat

  25. 1.

    Bei welchem Verlag ist das Buch denn erschienen? Kann online leider nichts finden.

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