Massentourismus auf dem Wasser - Freizeitkapitäne machen Brandenburger Fischern das Leben schwer

Wegen Corona wollen viele Deutsche nicht ins Ausland. So boomt der Wassertourismus in Brandenburg. Die Schattenseite: Immer mehr Hobbykapitäne beschädigen dabei Netze von Fischern - die dann auf den Kosten sitzenbleiben. Von Lisa Steger
Mario Weber aus Potsdam ist erbost. Er hält ein zerrissenes Netz hoch. In der letzten Nacht hat es jemand mit seinem Boot zerstört - und ist einfach weitergefahren. "Die große Menge meldet sich nicht", erzählt der 60-Jährige resigniert und meint damit die vielen Freizeitkapitäne von Mietbooten. Die werden immer häufiger zum Problem für Brandenburger Fischer. "Es ist konstant schlimm", sagt Weber.
Bereits Anfang Mai waren Hausboote in Brandenburg bis Ende September kaum noch zu bekommen, teilte der ADAC mit. Und Hausbootverleiher berichteten, sie hätten diesmal die Saison verlängert – viele schiffbare Feriendomizile seien schließlich beheizbar.

Mario Weber erlebe zerrissene Netze mindestens zehnmal im Jahr. Seit 30 Jahren betreibt er den "Fischerhof Weber". Früher hat er nach solchen Vorfällen Anzeige bei der Polizei erstattet. Heute nicht mehr. "Meist haben wir dann nach drei oder vier Wochen ein Schreiben bekommen, dass die Ermittlungen eingestellt wurden, weil sie zu keinem Erfolg geführt hatten", so der Kleinunternehmer.
Fahrerflucht auf der Havel
Die wenigen, die gefasst wurden, waren durchweg Freizeitkapitäne. Ihr Verhalten sei Fahrerflucht, betont Weber, "denn es zählt als Schiffsunfall und man hat sich von der Unfallstelle entfernt." Wenn der Unfallverursacher sich meldet, zahlt seine Versicherung. Bekennt sich niemand, müssen die Fischer selbst für den Schaden aufkommen, berichtet Weber. "Einmal waren es 12.000 Euro. Ein Sportboot hatte einen Aalsack zerstört."
Meist passieren die Unfälle nachts, meint der 60-Jährige. "Die Hauptursache ist diese Unerfahrenheit", ist Weber sicher, "heute kann jeder mit einem 15-PS-Motor fahren, ohne Führerschein, ohne Vorkenntnisse, er kann sich einfach raufsetzen und losfahren."
Helfen könnte, so Weber, ein Nachtfahrverbot für Mietboote. Doch das ist nicht in Sicht.
Massentourismus in Brandenburg
Diesen Vandalismus gebe es zwar schon seit Jahren, sagte Lars Dettmann, Geschäftsführer des Brandenburger Landesfischereiverbandes. Doch wegen der Corona-Reisebeschränkungen in zahlreichen Ländern habe er stark zugenommen. Brandenburg erlebe einen Zulauf von Touristen wie noch nie. "Die Leute kommen aus der Stadt, sie wollen Idylle, wollen sich erholen", so Dettmann. Das verstehe er auch.
"Es ist ein Druck, weil die Leute nicht mehr so unbeschwert in die Welt reisen können wie früher." Doch dürfe dies nicht zu Lasten der Natur gehen. "Wir müssen sortieren, wie wir mit der Idylle hier draußen umgehen", findet der Fischer aus Töplitz bei Potsdam. "Tourismus hat dort seine Grenze, wo er das, was er vermarkten will, eigentlich zerstört."
Die Landesregierung sollte etwas gegen die Zerstörung tun, fordert Dettmann. Die Wasserschutzpolizei müsse in der Lage sein, wieder für Ordnung zu sorgen. Das sei derzeit unmöglich: "Man hat die Polizei zusammengespart."

Zurück zur Natur - aber bitte mit Vollgas
Die Bootstouristen seien leider nicht das einzige Problem, erklärt Lars Dettmann. "Einige Menschen sind als Quälgeister unterwegs; sei es, dass sie mit Booten kreuz und quer fahren, sei es, dass sie mit Jetskis durch die Gegend heizen oder mit Motorbooten viel zu schnell sind."
Damit nicht genug: Er beobachte Kanufahrer, die mitten in die Seerosenfelder hineinfahren für schöne Selfies. "Sie merken nicht, dass sie den Trauerseeschwalben nebenan das Gelege unter Wasser drücken und die Eier damit verloren sind. Stattdessen freuen sie sich, dass Vögel um sie herumschwirren", schüttelt der Berufsfischer den Kopf. "Wenn ich das sehe, tut mir das einfach weh."
Sein Appell: "Sich so verhalten, dass das, was da schön ist, auch bleibt – für die nächsten Generationen." Der Potsdamer Kollege Mario Weber sieht es genauso. Er versteht die Touristen. Einerseits. "Aber sie verstehen uns oft nicht." Jetzt muss er erstmal seine zerrissenen Netze ersetzen. "Denn eigentlich", so der 60-Jährige, "wollen wir ja einfach nur Fische fangen."
Sendung: Antenne Brandenburg, 04.08.2021, 15:42 Uhr