Neue Bewertung - Stiko empfiehlt Corona-Impfung für 12- bis 17-Jährige

Die Ständige Impfkommission spricht sich nun doch für eine Impfung für Kinder und Jugendliche von 12 bis 17 Jahren aus. Zur Begründung hieß es, wissenschaftliche Daten aus den USA seien neu bewertet worden.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Corona-Impfungen für Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren. Das teilte das unabhängige medizinische Beratergremium am Montag in Berlin mit. Es aktualisierte damit seine vorherige Empfehlung von Anfang Juni, derzufolge in Deutschland zunächst nur Jugendliche mit Vorerkrankungen gegen das Coronavirus geimpft werden sollten.
Mitglied der Stiko und Kinder- und Jugendarzt Martin Terhardt hatte im rbb vor wenigen Tagen schon angekündigt, die Stiko werde "versuchen, der Politik ein bisschen entgegenzukommen."
Psychosoziale Folgeerscheinungen spielen nun eine Rolle
Mittlerweile könnten mögliche Risiken der Impfung in der Altersgruppe zuverlässiger beurteilt werden, erklärte das Gremium jetzt. Es verwies etwa auf nahezu zehn Millionen geimpfte Kinder und Jugendliche im amerikanischen Impfprogramm.
Nach sorgfältiger Bewertung neuer wissenschaftlicher Beobachtungen und Daten komme man nun zu der Einschätzung, "dass nach gegenwärtigem Wissensstand die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen", teilte das Gremium am Montag mit und berief sich auf einen Beschlussentwurf. Der offizielle Empfehlungstext liegt noch nicht vor, Änderungen sind in einem Abstimmungsverfahren mit Bundesländern und Fachkreisen noch möglich.
"Diese Empfehlung zielt in erster Linie auf den direkten Schutz der geimpften Kinder und Jugendlichen vor Covid-19 und den damit assoziierten psychosozialen Folgeerscheinungen ab", erklärte die Stiko.
Unverändert solle die Impfung nach ärztlicher Aufklärung zum Nutzen und Risiko durchgeführt werden. Man spreche sich "ausdrücklich dagegen aus, dass bei Kindern und Jugendlichen eine Impfung zur Voraussetzung sozialer Teilhabe gemacht wird".
Kalayci sieht sich durch Empfehlung bestätigt
Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci begrüßte die Entscheidung der Stiko. "Ich sehe mich durch die Stiko darin bestätigt, mit meinem Brief den jungen Berlinerinnen und Berlinern ein Impfangebot gemacht zu haben", sagte die SPD-Politikerin am Montag. Sie bezog sich dabei auf ein Schreiben an rund 180.000 12- bis 17-Jährige, in dem sie jüngst für eine Impfung geworben hatte. "Ich ermuntere Eltern, Erziehungsberechtigte und Kinder, hierzu das gemeinsame Gespräch zu suchen", fügte Kalayci am Montag hinzu.
Brandenburger CDU-Fraktionschef stellt Ende der Maskenpflicht in Aussicht
In Brandenburg wurde die Entscheidung der Stiko größtenteils positiv aufgenommen. Der Brandenburger SPD-Fraktionschef Erik Stohn sagte, eine Impfung von Jugendlichen werde die Schulen sicherer machen. Er empfehle, möglichst schnell Impftermine zu vereinbaren. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Budke sagte, sie gehe davon aus, dass das Impfangebot in Brandenburg nun entsprechend ausgeweitet wird.
CDU-Fraktionschef Jan Redmann stellte gar ein Ende der Maskenpflicht an den Schulen in Aussicht. Denn bis zum Ende der Herbstferien könne jeder Jugendliche den vollständigen Impfschutz erhalten. Linken-Fraktionschef Sebastian Walter forderte, beim Impfen von Jugendlichen Tempo zu machen und auch an Oberschulen und Gymnasien zu impfen.
Die AfD-Fraktion lehnt eine Impfung von Minderjährigen grundsätzlich ab.
Spahn drückt aufs Tempo, Karliczek will Schutzmaßnahmen beibehalten
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach von einer guten Nachricht: "Eltern und Jugendliche haben damit eine klare Empfehlung, sich für die Impfung zu entscheiden." Ausreichend Impfstoff sei da, wenn gewünscht, könne eine Impfung noch diese Woche stattfinden.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte: "Auch wer sich nicht impfen lassen kann oder will, hat ein Anrecht auf Zugang zum Unterricht." Die gut eingespielten und bewährten Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen blieben dabei wichtig, auch für geimpfte Schülerinnen und Schüler und für die Lehrkräfte.
Anfang August gab es noch zu wenige Daten
Zuletzt hatten immer mehr Politikerinnen und Politiker eine Empfehlung der Corona-Impfung für alle Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahren von der Stiko gefordert - und nicht nur für solche mit Vorerkrankungen oder Verwandten in der Risikogruppe. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sah die Stiko in dieser Frage in einer "Außenseiterposition". Möglicherweise habe sie sich "ein bisschen zu früh festgelegt und verrannt".
Stiko-Chef Thomas Mertens sagte dem NDR jedoch noch Anfang August, es gebe noch zu wenige Daten zu möglichen gesundheitlichen Folgeschäden für 12- bis 17-Jährige. Man könne ohne "die notwendige Datensicherheit" keine generelle Empfehlung aussprechen. Allerdings riet die Stiko auch nicht direkt von Impfungen ab.
Mertens räumte ein, dass er und seine Kollegen den öffentlichen Druck spüren, möglichst schnell zu einer Entscheidung zu kommen. Dies habe aber keinen Einfluss. "Es kann durchaus sein, dass wir unsere Empfehlung ändern werden, aber sicher nicht, weil Politiker sich geäußert haben."
Zugelassen sind Moderna und Biontech
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte im Mai den Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen, im August 2021 folgte auch die Freigabe für das Moderna-Vakzin.
Sendung: Abendschau, 16.08.2021, 19:30 Uhr