Eindämmungsversuche bisher erfolglos - Schweinepest breitet sich in Brandenburg auch nach einem Jahr weiter aus

Seit einem Jahr stemmt sich Brandenburg gegen die Afrikanische Schweinepest. Zäune und Kernzonen wurden errichtet, um die Tierseuche einzudämmen. Das Resümee ist allerdings ernüchternd - sowohl bei Politik als auch bei den Landwirten.
Im September des vergangenen Jahres erreichte die in Osteuropa kursierende Afrikanische Schweinepest (ASP) das deutsche Staatsgebiet. Im Brandenburger Kreis Spree-Neiße wurde damals das erste infizierte Wildschwein entdeckt. Ein Spaziergänger fand den Kadaver sieben Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt.
Seitdem kämpfen Politik, die Landkreise, Landwirte, Jäger und die betroffene Bevölkerung gegen die Ausbreitung der Tierseuche, Schweinehalter bangen um ihre Existenz. Die Hoffnung vieler Akteure, dass die Seuche sich nicht weiter ausbreitet, hat sich in den vergangenen zwölf Monaten aber nicht erfüllt.
Nonnemacher fordert mehr Unterstützung
Die Brandenburger Verbraucherschutzministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) forderte am Freitag im rbb mehr Unterstützung. "Wir sind ein bisschen enttäuscht, dass aus Berlin da nicht noch mehr Unterstützung kommt", sagte Nonnemacher im Inforadio. Mit anderen Bundesländern wie Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern arbeite man gut zusammen.
Das Friedrich-Loeffler-Institut unterstütze stark, so Nonnemacher weiter. Da sei die Expertise. "Aber wir brauchen ganz, ganz dringend ein Hilfsprogramm für unsere Schweinehalter." Schweinefleisch aus Brandenburg sei durch die Tierseuche nur noch schwer zu vermarkten. Erste Schweinebauern hätten bereits aufgegeben.
Gebraucht werde auch Hilfe bei der Einzäunung von Autobahnen, Unterwegungen und Überführungen. "Wir tun alles, um die Ausbreitung nach Westen zu verhindern." Seit September 2020 habe Brandenburg etwa 40 Millionen Euro bereitgestellt, sagte Nonnemacher. Das sei sehr viel für das Bundesland. Es werde "im großen Umfang" investiert.
Die Landesregierung müsse "alle eigenen Möglichkeiten nutzen, um ein Verschwinden der Schweinehaltung aus Ostbrandenburg zu verhindern", erklärte der agrarpolitische Sprecher der Linken, Thomas Domres, am Freitag in einer Presseerklärung. Er fürchtet, dass Landesmittel auf Kosten der Seuchenbekämpfung eingespart werden.
Nonnemacher sieht "Krise von nationaler Tragweite"
In Potsdam sagte Nonnemacher, dass sich Brandenburg "gegen einen wachsenden Seuchendruck aus Polen" stemme. In den vergangenen zwölf Monaten sei es gelungen "die ASP im Osten des Landes zu halten und eine Ausbreitung Richtung Westen zu verhindern". "Die ASP ist eine Krise von nationaler Tragweite", ergänzte die Grünen-Politikerin.
Anna Heyer-Stuffer, die Leiterin des ASP-Krisenstabs, erläuterte derweil erste Erfolge: "Wir sehen, dass die Bekämpfungsmaßnahmen im Landesinneren wirken. Innerhalb der doppelt umzäunten Kerngebiete gehen die Fallzahlen deutlich zurück." In einigen Gebieten seien seit mehreren Monaten keine neuen Fälle aufgetreten; auch eine Verschleppung der Seuche aus diesen Gebieten sei nicht nachgewiesen worden. Neue Fälle sind den Worten von Heyer-Stuffer entlang der Grenze zu verzeichnen. Der feste Zaun dort "gehört deshalb zu den wichtigsten Maßnahmen, um eine weitere Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern".
1.622 bestätige Fälle der Tierseuche
Zunächst konzentrierte sich die Ausbreitung auf den Süden und Osten Brandenburgs, mittlerweile breitet sich die Schweinepest auch Richtung Norden aus. Nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums gibt es aktuell 1.622 bestätige Fälle der Tierseuche. Allein aus dem Kreis Oder-Spree wurden 809 bestätigte Fälle gemeldet.
Im Landkreis Märkisch-Oderland gab es 272 Funde, im Stadtgebiet Frankfurt (Oder) 231, im Kreis Spree-Neiße 214 und im Landkreis Dahme-Spreewald 76. Weiter nördlich, im Kreis Barnim, wurden 19 ASP-Fälle registriert, in der Uckermark bislang ein Fall. Nach Worten von Staatssekretärin Anna Heyer-Stuffer ist nicht zu erwarten, dass der Seuchendruck aus Polen absehbar nachlässt.
Die Tierseuche ist eine schwere Virusinfektion - für Wild- und Hausschweine endet sie meist tödlich. Mitte Juli dieses Jahres griff die Schweinepest erstmals in Deutschland auf Hausschweine in Nutzbeständen über - ebenso in Brandenburg. Labore hatten das Virus bei einem Bio-Betrieb mit 300 Tieren im Landkreis Spree-Neiße sowie bei einem Kleinsthalter mit zwei Tieren im Kreis Märkisch-Oderland nachgewiesen. Sämtliche Tiere in den beiden Beständen wurden getötet.
Zaun entlang der Grenze zu Polen gebaut
Mittlerweile ist ein fester Zaun entlang der Grenze zu Polen auf einer Länge von etwa 255 Kilometer fertig gebaut, ein zweiter Zaun, ein sogenannter Schutzkorridor, ist nach Ministeriumsangaben vom Donnerstag zu etwa einem Drittel fertig gestellt. Zwischen den Zäunen sollen möglichst alle Wildschweine getötet werden.
Zudem wurden den ASP-Gebieten bislang 163 Lebendfallen aufgestellt und in den vergangenen 12 Monaten sieben Kerngebiete ausgewiesen und umzäunt. Schweinehaltende Betriebe werden besonders überwacht. Die Ausbreitung der Seuche konnte dadurch aber nicht eingedämmt werden.
Brandenburger Landwirte und Jäger haben derweil die unzureichende Bekämpfung der Schweinepest beklagt. Seit der amtlichen Bestätigung des ersten Falles vor einem Jahr habe sich die Tierseuche zu einem Flächenbrand entwickelt, sagte der Präsident des Landesjagdverbandes, Dirk-Henner Wellershoff, am Donnerstag in einer Mitteilung.
Landwirte fordern Hilfsprogramm für Schweinehalter
Die märkischen Landwirte und Schweinehalter fühlen sich von der Politik nicht genügend unterstützt. Sie fordern, dringend ein Hilfsprogramm für Schweinehalter in den betroffenen Gebieten aufzulegen. Verluste aufgrund behördlicher Anordnungen müssten ausgeglichen werden sowie die Förderung vorübergehend stillgelegter Betriebe, erklärte der Landesbauernverband. "Ansonsten geht uns dort die Schweinehaltung für immer verloren", sagte der Präsident des Landesbauernverbandes, Henrik Wendorff.
Beide Verbände appellierten an die Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene, alle Kräfte für die Umsetzung als richtig erkannter Maßnahmen zu mobilisieren. Der zweite Zaun an der Grenze zu Polen müsse so schnell wie möglich fertig gestellt werden, um den Seuchendruck aus Polen zu minimieren, sagte Wendorff. Auf keinen Fall dürften sich Baumaßnahmen wieder über viele Monate hinziehen. Auch müsse konsequent das Schwarzwild bejagt werden, um die Seuche zu tilgen und "weiße Zonen" möglichst wildschweinfrei zu bekommen.
Schweinehaltende Betriebe unter Druck
Auf Hilfe vom Bund können die Landwirte nicht hoffen. Der Staatssekretär im Bundesagrarministerium, Uwe Feiler, hatte bei einem Expertentreffen auf die Verantwortung des Landes bei der Tierseuchenbekämpfung hingewiesen.
Brandenburg wiederum forderte den Bund auf, ein Förderprogramm auf den Weg zu bringen. Agrarminister Axel Vogel (Grüne) hatte darauf hingewiesen, dass viele schweinehaltende Betriebe in ganz Deutschland seit dem ersten ASP-Fund aufgrund geschlossener Drittmärkte und anderer Abnahmerestriktionen unter ökonomischem Druck stünden. Mit dem erstmaligen Auftreten von ASP in Hausschweinebeständen ist ihm zufolge eine neue, schwierigere Lage entstanden. Die Dimensionen reichten über die rechtlichen Fördermöglichkeiten des Landes hinaus.
Sendung: Brandenburg aktuell, 10.09.2021, 19:30 Uhr