Interview | Internationaler Tag der Gebärdensprache - Auf Bayerisch gebärden kann nicht jeder
Der 23. September ist der internationale Tag der Gebärdensprache. In dieser Sprache gehörloser Menschen kann jenseits der bloßen Übersetzung vieles andere ausgedrückt werden, sagt Gebärdendolmetscherin Svea Loy - sogar Mundart lässt sich darstellen.
rbb|24: Ich habe schon ein paar ihrer Kolleg:innen kennenlernen dürfen und war sehr beeindruckt von Ihrer Kunst und Fähigkeit. Was mich am meisten beeindruckt hat: Sie übersetzen nicht nur Sprache, sie übersetzen auch Emotionen. Wie geht das?
Svea Loy: Sie zielen auf so was wie Redestile ab, wie jemand sozusagen vor Publikum spricht. Das ist tatsächlich Teil der Deutschen Gebärdensprache, dass so was eben auch durch Mimik transportiert wird, weil man den Zuschauenden die Möglichkeit geben möchte, die Sprecher:innen-Stile möglichst authentisch wahrzunehmen.
Was bei uns sozusagen übers Hören wahrgenommen wird – ob jemand aufbrausend spricht oder jemand eher verhalten und schüchtern oder vielleicht auch nervös klingt – das wird mit der Gebärdensprache anhand der Mimik und teilweise auch in der Körpersprache transportiert. Das ist aber sozusagen ganz normaler grammatikalischer Bestandteil der Deutschen Gebärdensprache.
Und es gibt auch Dialekte. Stimmt das auch?
Ja, das stimmt. In Deutschland gibt es verschiedene Dialekte und die schlagen sich vor allem bei Wochentagen, Monaten und so weiter nieder. Da kann man das ganz gut erkennen, ob jemand aus einer anderen Region kommt.
Angenommen ein Bayer steht auf der Bühne und Sie dolmetschen den. Wird dann für mich klar, dass der aus Bayern ist, aus dem was Sie dolmetschen?
Nein, dafür müsste ich dann einen bayerischen Dialekt benutzen. Und das wäre sehr unauthentisch für mich. Aber für mich wäre das tatsächlich als Dolmetscherin schon eine Herausforderung. Je nachdem, wo man studiert hat, lernt man natürlich auch den Dialekt vor Ort und bewegt sich natürlich auch viel darin.
Für mich als Dolmetscherin in Berlin ist es dann schon sehr anspruchsvoll, jemanden aus Bayern verdolmetschen zu müssen, also aus der Deutschen Gebärdensprache in Deutsch. Das nennt man bei uns "voicen", wenn wir unsere Stimme sozusagen der tauben Person leihen. Das ist dann schon ganz schön anspruchsvoll.
Wie lange brauchen Sie, bis Sie das können?
Das kommt ganz drauf an. Je nachdem, ob man Sprachtalent hat oder nicht. Natürlich ist Gebärdensprache ein bisschen ein anderer Modus, weil man den Körper einsetzt, die Arme benutzt und ganz viel über die Augen wahrnimmt. Vielleicht so, wie wenn man eine Fremdsprache lernen würde, die ein ganz anderes Schriftsystem hätte oder ganz andere Laute sozusagen.
Vor 30 Jahren war Gebärdendolmetschen auf Veranstaltungen eher selten. Jetzt wird es immer visueller, im Fernsehen wird es auch immer mehr. Macht Sie das froh, dass Sie da wichtiger werden und dass die Menschen, die es angeht, jetzt gleichberechtigt sind?
Es ist gar nicht so wichtig, dass wir da mehr zu sehen sind. Viel wichtiger ist es, dass es benutzt wird, damit Leute den Zugang haben. Und das ist vor allem durch die UN-Behindertenrechtskonvention angetrieben worden.
Aber jetzt auch nochmal ganz besonders stark durch die Pandemiesituation, weil natürlich viel Informationszugang über Medien vorhanden war, der für taube Menschen eben nicht zugänglich war. Insofern bin ich sehr dankbar, dass das jetzt viel mehr genutzt wird und populärer wird. So sollte es sein im Sinne der Inklusion.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bei diesem Text handelt es sich um eine redigierte Fassung eines Interviews, das Ingo Hoppe mit Svea Loy für rbb 88.8 geführt hat.
Sendetermin: 22. September 2021, 17 Uhr