Zu wenig Personal und Corona - Warum es am Wochenende am Flughafen BER so chaotisch war

Der BER bleibt seinem Image als Pannenflughafen treu. Am ersten Herbstferien-Wochenende schien er dem Ansturm der Passagiere nicht gewachsen zu sein. Es kam zu langen Schlangen und verpassten Flügen. Was war da los?
Lange Schlangen, verpasste Flüge, kein Essen: Am ersten Ferienwochenende ist es nach Angaben vieler Reisender zu teils chaotischen Zuständen am Flughafen BER gekommen. Durch "ungeplante Personalengpässe" in Kombination mit den Corona-Regeln, die die Abläufe ohnehin verlängerten, sei es zeitweise zu längeren Wartezeiten gekommen, sagte Flughafensprecher Jan-Peter Haack dem rbb am Montagmorgen.
Probleme vor allem am Samstag
Den vergangenen Freitag bekam der BER noch gestemmt: 67.000 Passagiere wurden ohne größere Probleme abgefertigt. Alle Fluggäste, die pünktlich gekommen waren, haben ihren Flieger auch erreicht. Mit anderen Worten: Am Check-in, bei den Sicherheitskontrollen und auch bei der Gepäckabfertigung war offenbar ausreichend Personal eingesetzt.
Am Sonnabend dann ein gegensätzliches Bild: Obwohl nur etwa 55.000 Passagiere - und damit deutlich weniger als am Vortag - abgefertigt wurden, bildeten sich lange Schlangen und es kam zeitweise zu Chaos: Fluggäste erreichten teilweise ihre Maschinen nicht. Der Start in den Urlaub war für die Betroffenen geplatzt.
Zwar hatte Flughafenchefin Aletta von Massenbach kürzlich eingeräumt, dass sich die Wartezeiten wegen der notwendigen Corona-Kontrollen ungefähr verdoppelt hätten. Ein Kapazitätsproblem bei der Abfertigung habe der BER aber nicht, versicherte sie.
Nach Angaben der Flughafengesellschaft sei am vergangenen Wochenende an den Sicherheitskontrollen des BER die gesamte, verfügbare Infrastruktur hochgefahren worden. Die Prozesszeiten, so heißt es, lagen im Rahmen dessen, was während der Corona-Pandemie üblich ist.
Künftig eigenes Personal als Not-Reserve
Dennoch will die Flughafengesellschaft aufstocken. Der Sprecher der Flughafengesellschaft, Hannes Hönemann, sagte am Montag der rbb-Abendschau, man werde künftig Personal zusätzlich bereithalten, damit es im Notfall einspringen könne. Wenn die Passagierzahlen stabil etwa 70.000 erreichen, werde man auch Terminal 2 öffnen, so Hönemann. Momentan rechne man damit für die Osterzeit.
Bundespolizei: Terminal 1 schon jetzt an der Grenze
Doch die Kontrollkapazität im Terminal 1 stoße schon jetzt an ihre Grenze, räumte René Kexel, Inspektionsleiter der Bundespolizei am Flughafen Berlin-Brandenburg ein. Viele interne Prozesse müssten noch besser abgestimmt laufen, so Kexel. Dann könnte man die Prozesszeiten auch während Corona deutlich senken.
Das Nadelöhr sollen laut Flughafengesellschaft die Airlines gewesen sein. Sie hätten den Check-in ihrer Passagiere nicht in einer angemessenen Zeit über die Bühne gebracht. Die erhöhten Kontrollanforderungen durch die Corona-Vorschriften sowie Personalengpässe bei der Abfertigung hätten zu verlängerten Wartezeiten geführt, schreibt die Flughafengesellschaft. Es seien "nicht alle, aber einige Airlines" betroffen gewesen, sagte Flughafensprecher Haack.
Lufthansa: Maximale Anzahl von Check-in-Schaltern
Die Lufthansa will diese Einschätzung nicht gelten lassen. Zum Ferienbeginn, erklärt eine Sprecherin des Unternehmens, habe die Lufthansa "ihre Check-in-Kapazitäten auf die maximal mögliche Anzahl von zwölf Schaltern aufgestockt und zusätzliches Personal eingesetzt, unter anderem auch Mitarbeiter, die die Fluggäste im Wartebereich unterstützen. Für Gäste von Brussels und Swiss werden in den Zeiten, in denen besonders viele Passagiere abfliegen, eigene Check-in-Schalter geöffnet, weil für diese Verbindungen der Kontrollaufwand besonders hoch ist." Man bedauere aber sehr, dass den Passagieren dennoch Unannehmlichkeiten entstanden seien, hieß es.
Damit sich die Situation nicht wiederhole, werde nun laut Flughafensprecher Haack mit allen beteiligten Prozesspartnern am Flughafen geredet. Es werde nochmals abgestimmt, welchen Personalbedarf es wo gebe. Außerdem hätten Airlines, die darum gebeten hätten, mehr Check-in-Schalter zur Verfügung gestellt bekommen. Diese stünden ab sofort zur Verfügung.
FBB verweist auf Krankmeldungen des Bodenpersonals
Auch ankommende Passagiere mussten am Wochenende Geduld haben und lange auf ihr Gepäck warten. Offiziell begründet die Flughafengesellschaft die Engpässe mit zusätzlichen Krankmeldungen bei den Bodenverkehrsdienstleistern. Bei den Unternehmen also, die im Auftrag der Airlines für die Abfertigung der Passagiere und des Gepäcks verantwortlich sind.
Zum Hintergrund: Die Bodenverkehrsdienstleister sind für die Airlines ein großer Kostenblock. Offenbar glaubte man mit dem verkürzten Personalbestand in Corona-Zeiten auch durch Ferienverkehr im Oktober zu kommen. Eine Fehleinschätzung, wie die Ereignisse auf dem BER zeigten.
Verdi: Kurzarbeit hat Mitarbeiter vertrieben
Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi ist das Abfertigungschaos am Flughafen BER am Wochenende aber nicht nur auf Krankmeldungen und längere Abfertigungszeiten wegen der Corona-Vorschriften zurückzuführen. Verdi-Sprecher Andreas Splanemann sagte dem rbb, ein Grund sei auch, dass wegen der langen Kurzarbeit viele Mitarbeiter aus den sogenannten Vorfelddiensten in andere Branchen gewechselt hätten. Laut Umfragen der Gewerkschaft fehlten dort bis zu 44 Prozent der früheren Mitarbeiter, so Splanemann.
Gründe seien hier neben der Kurzarbeit auch die schlechte Bezahlung und die unsicheren Arbeitsverhältnisse. Das betreffe aber nicht nur den BER, sondern sei bundesweit an allen Flughäfen ein Problem. Außerdem gibt es offenbar beim Sicherheitspersonal am BER weiterhin coronabedingte Kurzarbeit, wie ein rbb-Reporter erfuhr.
Holen uns die Bausünden am BER ein?
Für den bekannten Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa sind die Ereignisse vom Wochenende am BER nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte. Faulenbach gehörte stets zu den Kritikern der BER-Planer und fühlt sich nun bestätigt: Die Architekten des Terminals hätten seinerzeit die Eleganz des Gebäudes in den Mittelpunkt gestellt. Ein Flughafen aber, so Faulenbach, müsse vor allem funktionieren. Die falsche Platzaufteilung im Terminal habe so das Chaos begünstigt.
Bereits im Jahr 2012 hatte der Flughafenplaner in einem Gutachten für die CDU-Landtagsfraktion Brandenburg auf die "Staugefahr" im BER-Hauptterminal hingewiesen. Der damalige Chef der regierenden SPD-Fraktion hatte diese Warnung als "feinste Satire" abgetan.
CDU-Fraktion fordert Sofortprogramm für BER
"Eine Riesenblamage für die Hauptstadtregion" bezeichnet Kai Wegner, Vorsitzender der CDU-Fraktion Berlin, die heutige Situation am BER. Man brauche ein Sofortprogramm für Investitionen in Technik und Personal für effektivere Abläufe. Ziel müsse sein, dass der Flughafen diesen Belastungen künftig gewachsen sei. "Dazu braucht es deutlich mehr Check-in-Kapazitäten, vor allem mehr Mitarbeiter […]", so Wegner am Montag in einer Presseerklärung.
Regressansprüche an Fluggesellschaften stellen
Flughafensprecher Haack indes sagte, man habe an anderen Wochenenden mit ähnlichen Passagierzahlen gezeigt, dass der BER funktioniere. Dass es am Ferienstart nicht geklappt hätte, sei nicht schön und das hätte man sich anders gewünscht, so Haack weiter.
Passagiere, die ihren Flug am vergangenen Wochenende verpasst hätten, müssten sich mit etwaigen Regressansprüchen an ihre Fluggesellschaft wenden, so der Flughafensprecher.
Mit Informationen von Thomas Rautenberg
Sendung: Abendschau, 11.10.2021, 19:30 Uhr