Porträt | Berliner Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial - Immer ein Ohr offen halten

Seit mehr als zwei Jahren ist Katarina Niewiedzial die Integrationsbeauftragte des Berliner Senats. Sie ist die erste in dem Amt, die selbst einen Migrationshintergrund hat. Einiges konnte sie dabei schon anstoßen. Von Milena Hadatty
Berlin U-Bahnhof Bülowstrasse: Katarina Niewiedzial, eine junge Frau mit schwarzen, kurzen Haaren, läuft zu ihrem Büro. An einer architektonisch unscheinbaren Stelle der Potsdamer Strasse, weniger als hundert Meter von der Potsdamer Brücke und dem glamourösen Kulturforum entfernt, kommt sie im "Willkommenszentrum Berlin" an, dem Sitz der Integrationsbeauftragten des Berliner Senats: Seit zwei Jahren ist sie nun in diesem Amt.
Katarina Niewiedzial ist eine gebürtige Polin und damit auch die erste Integrationsbeauftragte, die selber eine Migrationsgeschichte hat. Der offizielle Name des Amtes lautete bei der Einführung vor 40 Jahren "Ausländerbeauftragte". Heute heißt es: "Beauftragte für Partizipation, Integration und Migration".
Katarina Niewiedzial findet diese sprachliche Wandlung ihres Amtes positiv: als Zeichen, dass diese "Partizipation", also die Teilhabe der Migranten in Berlin gewollt und willkommen ist. Es geht nicht um Parallelgesellschaften, sondern um eine reichere, diversere Gesellschaft, sagt sie.
Mit 12 Jahren nach Deutschland migriert
Mit knapp 12 Jahren migrierte Niewiedzial mit ihren Eltern vom polnischen Gryffino nach Bremerhaven. Keiner in der Familie konnte Deutsch, aber sie erhofften sich ein besseres Leben.
Durch diese Erfahrung kann die Senatsbeauftragte die Situation von neu migrierten Familien ganz gut nachvollziehen. "Als ich genug Deutsch konnte, um beim Dolmetschen zu helfen, hat mich mein Vater zu seinen Behördenterminen mitgenommen. Er schleppte einen Riesenkoffer mit", erinnert sie sich noch heute. "Als ich ihn irgendwann danach fragte, meinte Papa, immer, wenn er endlich beim Termin wäre, würden die deutschen Beamten ein Dokument verlangen, das er gerade nicht dabei habe", erinnert sich Niewiedzial. Weil sonst immer ein neuer Termin hätte vereinbart werden müssen, wollte ihr Vater lieber alle Unterlagen gleich dabei haben.
Diversität in der Verwaltung
Um die Berliner Behörden in punkto "Diversität" auf die Höhe der Zeit zu bringen, wurde das so genannte "Gesetz der offenen Tür" beim Berliner Senat novelliert. Katarina Niewiedzial hat sich dafür stark gemacht, und es geht dabei nicht darum, die Mitbürger mit Migrationshintergrund freundlicher zu empfangen, sondern um personelle Präsenz.
"Ich will, dass Menschen mit Migrationshintergrund auf der anderen Seite sitzen, nämlich als Mitarbeitende. Ich will sie in die Verwaltung holen. Ich will, dass sie hier mitarbeiten, diesen Staat repräsentieren und sich auch damit zugehörig fühlen", sagt Niewiedzial. Sie gibt aber gleichzeitig zu, dass die Umsetzung dieses Gesetzes ein völliges Umdenken bei allen Akteuren abverlangt.

"Es gibt Konflikte und Auseinandersetzungen"
Eine offizielle Quote wurde zum Beispiel nicht festgelegt, obwohl sich die Integrationsbeauftragte das sehr gewünscht hätte. Etwa 35 Prozent Mitarbeiteranzahl mit Migrationsgeschichte sollen ab sofort bei allen Berliner Behörden und öffentlichen Einrichtungen angestellt werden, zum Beispiel in Museen, Finanzämtern, Schulen oder Feuerwehr. Ob da das so einfach und glatt bei den ganzen Einrichtungen läuft?
"Es gibt Konflikte und Auseinandersetzungen, aber es ist ein unausweichlicher Weg", sagt Niewiedzial. Denn selbst in ihren eigenen Amtsstuben gebe es Fachkräftemangel. Das Gesetz ist aber ab diesem Frühjahr verbindlich für alle Ämter und Einrichtungen. Und die Integrationsbeauftragte wird sich auch in der zweiten Hälfte ihrer Amtszeit intensiv mit allen Ressorts zusammen setzen und bei Bedarf helfen, dieses Gesetz ganz konkret umzusetzen. "Die Ergebnisse werden wir sehen. Ich glaube, es ist etwas, was schon im Prozess passieren wird", sagt sie ganz zuversichtlich.
Mehrsprachigkeit als Chance
Als Katarina Niewiedzials Familie Anfang der 90er Jahren nach Bremerhaven migrierte, war Polen noch nicht in der EU. Bremerhaven war damals das einzige Bundesland, in dem Polnisch als zweite Fremdsprache beim Zeugnis angerechnet werden konnte. Sie konnte damit Abitur machen und studieren, kann Deutsch und Polnisch in Schrift und Sprache perfekt beherrschen.
Diese Mehrsprachigkeit, die Kinder mit Migrationsgeschichte sogar über mehrere Generationen pflegen, wird kaum schulisch als Sprachunterricht mit der korrekten Grammatik unterrichtet und benotet. Das soll sich ändern. Das Berliner Schulgesetz wurde noch Mitte September entsprechend geändert: Neben den EU-Sprachen, die über Europaschulen oder als zweite Fremdsprachen bereits an vielen öffentlichen Schulen angeboten werden, sollen demnächst Türkisch, Arabisch, Vietnamesisch, Russisch und andere Sprachen - sofern die Lehrkräfte vorhanden sind, auch an Berliner öffentlichen Schulen unterrichtet und benotet werden.
Derzeit wird erfasst, wie viele Kinder welche Sprache in welcher Schule lernen, wo also wie viele Lehrer angestellt werden müssten. Katarina Niewiedzial freut sich auch darüber, dass bei der Berliner Bildungsstatistik diese Kinder nicht mehr unter "Nicht deutscher Herkunft" (NDH) gelistet werden. Dies hatte sie schon immer als etwas Negatives empfunden. Die Statistik wird beim Berliner Senat jetzt Ressourcen orientiert formuliert, indem verzeichnet wird, welche Sprachen die Kinder neben der Deutschen noch sprechen.
Immer ein offenes Ohr
Ein anderer Aspekt ihrer Arbeit ist die "Partizipation", die Teilhabe der Migranten in der Gesellschaft, heißt auch, deren Vorschläge für die Stadt zu unterstützen, wie beispielsweise den Verein "Migrantas". Die argentinischen Künstlerinnen entwickeln in Berlin wandgroße Piktogramme aus Zeichenworkshops von Migrantengruppen, die ihre Probleme und Gefühle im Stadtbild sichtbar machen.
Für ihre neuen Projekte besucht Katarina Niewiedzial die Künstler in ihrem Wilmersdorfer Büro. Der Verein kennt die Integrationsbeauftragte noch von früher, als sie in Pankow Integrationsbeauftragte war. Marula di Como und Florencia Young von "Migrantas" waren vollkommen überrascht vom Unterschied zwischen Pankow und den anderen Bezirken, was die Arbeit mit Integrationsprojekten angeht. "Sie kämpft für die Projekte, bis sie wirklich stattfinden", meint di Como. Florencia Young fügt hinzu, dass man sich mit Niewiedzial verbunden fühle, weil sie auch ihre Heimat verlassen hat und ähnlich lebt, "mit einer Hälfte des Herzens hier und der anderen dort."
Vor allem sagt Katarina Niewiedzial, dass sie als Vertreterin einer Institution immer ein Ohr offen halten muss, welche Lösungen von der Zielgruppen selbst, von den zugewanderten Menschen, vorgeschlagen werden, um davon zu lernen.