Bestattung in jüdischem Grab - Warum eine Umbettung des Neonazis in Stahnsdorf rechtlich schwierig ist

Vergangenen Freitag wurde in Stahnsdorf ein Rechtsextremist bestattet – im Grab eines Juden. Die Landeskirche spricht von Versagen und will den "Fehler" durch eine Umbettung wiedergutmachen. Doch dafür gibt es einige Hürden. Von Oliver Noffke
Die sterblichen Überreste von Max Friedlaender liegen schon lange nicht mehr in dem Grab, das seinen Namen trägt. Womöglich wird dieser Umstand verhindern, dass die Urne des Rechtsextremisten Henry Hafenmayer umgebettet wird. Sie wurde vergangenen Freitag im selben Grab auf dem Südwestfriedhof in Stahnsdorf beigesetzt.
Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Ekbo), will sich für eine Umbettung einsetzen. Er unterstützt auch eine Strafanzeige des Berliner Antisemitismusbeauftragten Samuel Salzborn, unter anderem wegen Störung der Totenruhe. Doch dieses Recht genießt auch Hafenmayer. Das zu umgehen wird schwierig.
Antisemiten, polizeilich gesuchte "Reichsbürger", Neonazis
"In den eigenen Erläuterungen der Ekbo zu ihrem Friedhofsgesetz steht, es muss ein Antrag des Fürsorgeberechtigten vorliegen", sagt Detlef Rückert, Juristischer Referent beim Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Fürsorgeberechtigt ist, wer für Hafenmayer die Grabstelle auf dem Friedhof gekauft hat. "Die müssten sagen: Ach, wir wollten da niemandem zu nahe treten und beantragen jetzt im Einvernehmen mit der Ekbo, dass hier eine Umbettung in eine andere Grabstätte erfolgt", sagt Rückert. Doch wie realistisch ist das?
Der Musikwissenschaftler Friedlaender stammte aus einer jüdischen Familie, später konvertierte er zum evangelischen Christentum. Dass sein Grab Hafenmayer zugewiesen wurde, war laut der Friedhofsverwaltung ein Versehen und keine gezielte Provokation. Dennoch: Laut dem "Tagesspiegel [Bezahlinhalt]" verdeckte bei der Bestattung ein schwarzes Tuch den Grabstein mit Friedlaenders Namen und es war der Spruch zu lesen: "Und ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen". Hafenmayer, der im August mit 48 Jahren verstorben war, galt als Geschichtsrevisionist und Holocaust-Leugner.
An der Beisetzung hatten zahlreiche Neonazi-Größen und Rechtsextremisten teilgenommen - darunter der Neonazi Horst Mahler, der wegen Volksverhetzung lange inhaftiert war, der Neonazi-Aktivist und langjährige NPD-Kader Thomas Wulff, der rechte Blogger Nikolai Nehrling alias "der Volkslehrer" und Dennis Ingo Schulz, ein mehrfach vorbestrafter sogenannter "Reichsbürger".
Lediglich der Grabstein steht unter Denkmalschutz
Max Friedlaender war bereits 1934 gestorben und beerdigt worden. Vor einigen Jahrzehnten wurde das Grab dann laut Ekbo aufgelöst. "Wenn die Grabstelle abgelaufen ist, kann sie neu belegt werden", sagt Rückert, "es sei denn, es ist ein Ehrengrab." Bei Kriegsgräbern oder Ehrengrabstätten, mit denen verfolgten Gruppen während der NS-Zeit gedacht wird, geht man zum Beispiel von einer ewigen Totenruhe aus, erläutert er. "Aber das muss der Friedhofsträger besonders kennzeichnen und es kann meines Erachtens auch nicht passieren, dass solche Grabstätten neu belegt werden."
Der Südwestfriedhof ist ein geschütztes Landschaftsdenkmal. Friedlaenders Grab war aber nicht geschützt oder besonders gekennzeichnet, heißt es von der Ekbo auf Anfrage. Der Grabstein stehe allerdings unter Denkmalschutz. Ob daran ein neuer Name angebracht werden darf, konnte die Landeskirche auf Anfrage nicht mitteilen.
"Dieser Fall wird Juristen noch beschäftigen"
Auch im brandenburgischen Landesrecht ist geregelt, unter welchen Umständen ein Grab vorzeitig geöffnet werden oder eine Umbettung stattfinden darf. Nach einer richterlichen Anordnung kann das geschehen, aber auch die zuständige Gesundheitsbehörde muss zustimmen. Dieser Weg wird meist dann bestritten, wenn die Graböffnung zur Aufklärung eines Verbrechens dient.
"Hier liegt ja ein ideologisches Problem vor", sagt Rückert. "Wenn jemand bestattet wurde, kann ein Friedhof nicht einfach sagen: Wir wollen den nicht hier liegen haben und wir betten den jetzt um." In so einem Fall könnten die Hinterbliebenen von Hafenmayer sofort klagen auf Störung der Totenruhe, ist Rückert sich sicher. "Dieser Fall wird Juristen noch beschäftigen." Laut Ekbo wurde Hafenmayers Grab für 20 Jahre gekauft.
Sendung: Brandenburg aktuell, 14.10.2021, 19:30 Uhr