Südwestkirchhof Stahnsdorf - Bischof strebt nach Neonazi-Begräbnis Umbettung an

Die Beisetzung eines Holocaust-Leugners auf dem Grab eines jüdischstämmigen Wissenschaftlers in Stahnsdorf hat Entsetzen ausgelöst. Nun ist Bischof Stäblein um Wiedergutmachung bemüht: Das Grab des Neonazis soll umgebettet werden.
Nach der Bestattung eines Holocaust-Leugners im Grab eines jüdischstämmigen Musikwissenschaftlers auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf (Potsdam-Mittelmark) hat der evangelische Bischof Christian Stäblein den Fall zur Chefsache erklärt. Er sei dafür, dass der Neonazi umgebettet wird, dies solle möglichst bald geschehen. Die Möglichkeiten würden jetzt geprüft, sagte Stäblein gegenüber dem rbb am Mittwoch.
Am Dienstagabend hatte Stäblen bei Radioeins vom rbb von einem Versagen der Landeskirche gesprochen. "Man muss das ganz deutlich sagen, das war ein Fehler, ein Versagen unserer Kirche."
Zudem will die die Evangelische Kirche den jüdischstämmigen Wissenschaftler Max Friedlaender in Stahnsdorf besonders würdigen. "Es gibt das Bestreben, auf dem Friedhof Friedlaenders Andenken zu ehren", sagte eine Sprecherin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Ekbo) am Mittwoch.
Bundesweite Empörung und eine Strafanzeige
Der Holocaust-Leugner Henry Hafenmayer war am vergangenen Freitag auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf in Brandenburg, am Südwestrand Berlins, auf der ehemaligen Grabstätte des Musikwissenschaftlers Max Friedlaender beigesetzt worden. Das Grab des jüdischstämmigen Protestanten (1852-1934) südwestlich von Berlin stand 1980 zur Wiederbelegung frei. Der Grabstein steht noch immer, weil er unter Denkmalschutz steht.
Die Beisetzung hatte bundesweit für Empörung gesorgt, unter anderem beim Zentralrat der Juden in Deutschland, bei der Bundesregierung und beim Berliner Senat. Der Antisemitismusbeauftragte von Berlin, Samuel Salzborn, erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt unter anderem wegen des Verdachts der Störung der Totenruhe.
Unter den Trauergästen waren auch zahlreiche Rechtsextremisten, darunter der Holocaustleugner Horst Mahler, der rechte Blogger Nikolai Nehrling alias "Der Volkslehrer" und Dennis Ingo Schulz, ein mehrfach vorbestrafter sogenannter "Reichsbürger". Die Polizei war bei der Beerdigung im Einsatz. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurde während der Beisetzung ein mit zwei Haftbefehlen gesuchter Mann bei einer Personenkontrolle im Umfeld des Friedhofs festgenommen, der nach Erkenntnissen der Polizei "offenbar der Reichsbürgerszene zuzuordnen" ist.
Gesinnung des Antragstellers für das Grab war bekannt
Landeskirche und Friedhof wussten nach eigenen Angaben, dass es sich bei Hafenmayer um einen Holocaust-Leugner handelte. Auch habe man erkannt, dass das Grab zu einer Anlaufstelle für Rechtsextreme werden könnte. Die Ekbo entschied, die Anfrage nach einer Grabstätte in Stahnsdorf nicht abzulehnen, da jeder Mensch ein Anrecht auf eine letzte Ruhestätte habe. Die Antragsteller wünschten sich laut Kirche eine zentrale Grabstelle und hätten sich laut Friedhofsverwaltung nicht gezielt um die Parzelle des Musikwissenschaftlers Friedländer bemüht.
Die Auswahl des Orts der Grabstelle für Hafenmayer sei dann nach der Ablehnung einer Beisetzung in einer zentralen Grabstelle erfolgt, weil man sich seiner Gesinnung und der seiner Anhängerschaft bewusst war und ihn eben nicht zentral und damit auch in die Nähe von Gräbern jüdischer Verstorbener betten wollte, wie zunächst beantragt, teilte die Landeskirche mit.
Auf Grundlage des Bestattungsregisters, in dem Friedländer mit evangelischer Konfession steht, habe die Kirche dann eben diese dezentrale Grabstelle gewählt, damit sich keine Anlaufstelle für Rechtsextreme bilde.
Friedhof aufgrund vieler Kriegsgräber bekannt in rechtsextremen Kreisen
Die Landeskirche teilte mit, dass man für den Friedhof Stahnsdorf zwar anstrebe, dass Patenschaften für die denkmalgeschützten Gräber wie dem von Friedländer übernommen würden, dass aber für Friedländers Grab bislang keine Patenschaft bestand. Der Grabstein sei für die Bestattung dann durch die Friedhofsverwaltung verhüllt worden, wie es auch bei anderen Gräbern erfolge.
Weil es auf dem Friedhof Stahnsdorf viele Kriegsgräber gibt, sei der Friedhof in rechtsextremen Kreisen bekannt, erklärte die Landeskirche. Die Friedhofsverwaltung arbeite darum hier eng mit der Polizei zusammen, um Aufmärsche zu unterbinden.
Sendung: Inforadio, 13.10.2021, 12:20 Uhr