Bahn beseitigt Nadelöhr für Züge - Mit zweimal 160 km/h durchs Karower Kreuz

Die Bahn hat im Berliner Norden eine lästige Engstelle beseitigt: Am Karower Kreuz liegt jetzt ein zweites Gleis, so dass Züge das einstige Nadelöhr mit Tempo 160 passieren können. Einige Brandenburger Gemeinden reiben sich die Hände. Von Georg-Stefan Russew
Im Berliner Norden sind die Fernzüge in Richtung Eberswalde, Angermünde, Schwedt, Stettin oder Rostock künftig schneller unterwegs. Mit dem zweigleisigen Ausbau des Karower Kreuzes zwischen Blankenburg und Karow hat die Deutsche Bahn einen Engpass auf der einzigen Zulaufstrecke für Fernzüge von und nach Norden beseitigt. Das zweite Gleis wurde am Dienstag nach rund vier Jahren Bauzeit in Betrieb genommen. Fortan können Züge an der Stelle 160 Kilometer pro Stunde fahren. "Wir schaffen mehr Kapazität, werden deutlich zuverlässiger und machen den Schienenverkehr noch attraktiver", teilte Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla mit.
Rund 75 Jahre alte Engstelle beseitigt
Bis zu 120 Züge passieren täglich den Bereich zwischen Karow und Blankenburg. Über das Karower Kreuz rollen unter anderem die Regionalexpress-Linien RE5 und RE3, weitere Regionalbahnen und Güterzüge, wie etwa Kesselwagen von und zur Raffinerie Schwedt. Ganz oft kam es am Nadelöhr zu Rückstau, weil einfach jeder Zug in Richtung Norden diese Stelle passieren musste. Bei jeder noch so kleinen Störung hatte dies enorme Auswirkungen. Im Zuge von Reparationsleistungen wurde 1946 ein Gleis von sowjetischen Truppen abgebaut. Erst jetzt wurde es ersetzt, der ganze Bereich runderneuert, erklärte Bahnsprecher Matthias Waha. Im Zuge des Ausbaus wurde auch die uralte Bahntechnik wie Stellwerke & Co. ausgetauscht.
Erinnert sei an dieser Stelle an das schwere Zugunglück vor zwölf Jahren in diesem Bereich. Eine Regionalbahn kollidierte mit einem Güterzug. 24 Menschen wurden verletzt.
200 Millionen Euro investiert
Neben dem Bau des zusätzlichen Gleises erneuerte die Bahn auf dem 3,1 Kilometer langen Streckenabschnitt auch Stellwerke und legte neue Oberleitungen. Außerdem wurden Lärmschutzwände errichtet sowie mehrere Eisenbahnbrücken erneuert. Bis 2023 sollen im Rahmen des Projekts sämtliche Brückenarbeiten abgeschlossen sein. Insgesamt beliefen sich die Kosten laut Bahn auf rund 200 Millionen Euro.
Der Ausbau des Karower Kreuzes ist Teil des Gesamtvorhabens "Ausbau Eisenbahnknoten Berlin" [deutschebahn.com]. In weiteren Bauabschnitten etwas weiter nördlich zwischen Buch und Bernau stehen in den kommenden Jahren zudem Brückenarbeiten an. Zwischen Karow und Buch wurde bereits in Zepernick (Barnim) ein elektronisches Stellwerk in Betrieb genommen sowie der Oberbau der S-Bahn-Strecke erneuert.
Ostbrandenburger Kommunen an der Stettiner Bahn wollen profieren
Ostbrandenburgische Städte und Gemeinden reiben sich mit Blick auf den zweigleisigen Ausbau der Stettiner Bahn die Hände. "Mit der abgeschlossenen Maßnahme am Karower Kreuz ist auch für uns in Angermünde ein wichtiger Meilenstein erreicht, auch wenn Karow auf Berliner Stadtgebiet liegt", unterstrich Angermündes Bürgermeister Frederik Bewer (parteilos) am Dienstag gegenüber rbb|24. "Das sind die Vorboten des zweigleisigen Streckenausbaus bis nach Stettin", so Bewer weiter.
Damit rückten Städte wie Angermünde und auch Eberswalde in den Fokus von Berlinern als neuem Lebensmittelpunkt, weil an in einer halben Stunde beziehungsweise 45 Minuten vom Barnim oder der Uckermark mit der Bahn im Berliner Stadtzentrum sei, so auch Eberswaldes Bürgermeister Friedhelm Boginski (FDP).
Schon jetzt verzeichnete Eberswalde Zuzug aus der Hauptstadt. "Wir haben mit dem RE3 eine relativ stabile Verbindung nach Berlin. Innerhalb von einer halben Stunde ist man von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof", unterstrich Boginski. Es gebe anders als im Berliner Speckgürtel noch freie Kapazitäten auf dem Wohnungsmarkt mit moderaten Mieten. Wohnungen seien auch im Handumdrehen anzumieten. Und auch für Kinder biete Eberswalde viel. "So stehen, wenn beide Elternteile berufstätig sind, schnell freie Kita-Plätze parat."
Noch in diesem Jahr soll der erste Spatenstich für den zweigleisigen Ausbau von Angermünde bis nach Stettin erfolgen, sagte Bahnsprecher Waha. Rund eine halbe Milliarde Euro soll auch in die Elektrifizierung fließen. Bis 2026 soll der Ausbau abgeschlossen sein. "Dann reduziert sich die Fahrzeit von Stettin nach Berlin um ganze 20 Minuten", fügte Waha an.
Damit könnte Angermünde auch für Stettiner als Lebensmittelpunkt interessant werden, meinte Bewer. Die uckermärkische Stadt bereite vor. "Das bedeutet am Ende für uns ganz konkret Wohngebiets-, Schul- und Kita-Entwicklung. Das alles muss bis 2026 stehen", so Bewer.
Sendung: Inforadio, 12.10.2021, 11:20 Uhr