Berlin-Prenzlauer Berg - Ein Haus als Dauerkulisse
Das unsanierte Haus in der Schwedter Straße erinnert an ein Prenzlauer Berg, das es schon lange nicht mehr gibt. Auch deshalb wird es gerne als Filmkulisse genutzt. Die Mieter:innen sind jedoch über die Zustände nicht erfreut und machen ihrem Ärger Luft. Von Nils Hagemann
Tropfen prasseln vom Himmel, eine junge Frau huscht samt Bugaboo-Kinderwagen über die Straße. Ein Tesla rollt über die Kreuzung. In der Schwedter Straße in Prenzlauer Berg kuscheln sich symmetrische Glasbauten an sanierte Altbauhäuser. Auf den entsprechenden Internet-Portalen wird die 88-Quadratmeter-Wohnung hier für 1.949 Euro kalt angeboten.
Fast schon fehl am Platz wirkt da das Haus an der Ecke zur Kastanienallee. Putz bröckelt von der Fassade. Die Altbaufenster stehen teils offen oder haben kleine Risse. "Ruhe bitte", brüllt ein Mann in gelber Warnweste. "Wir drehen hier", sagt er und lotst eine Gruppe Fußgänger mit überdeutlichen Handzeichen auf die gegenüberliegende Straßenseite. Etwa 100 Meter reihen sich hier Technikwagen an Catering-Bus, Masken-Wagen und Toilettenhäuschen.
Zu Hause in der Kulisse
Denn in der Schwedter Straße wird gedreht - Arthouse fürs Kino. "Schon wieder", sagt eine junge Frau, die ganz um die Ecke wohnt. "Hier in der Straße wird wirklich regelmäßig gedreht." Das wird auch auf einem Schreiben beklagt, das in den umliegenden Straßen aushing, unterzeichnet von den "Mieter:innen der Schwedterstrasse". Demnach soll es in "den letzten Jahren über zwölf Großproduktionen" gegeben haben, "Wir leben in eurer Kulisse", schreiben sie. Auf Anfrage von rbb|24 wollte sich die Hausverwaltung nicht zu den Vorwürfen der Mieter:innen äußern.
"So ein schönes Motiv für einen Film unserer Art gibt es hier nicht noch mal, weil alles renoviert ist", sagt Till Derenbach, Produzent des Films. "Deswegen ist dieser Drehort prädestiniert für unsere Art von Film", fügt er hinzu.
Weniger gut als Filmkulisse geeignet finden hingegen die Bewohner das Haus in der Schwedter Straße. "Uns wird oft der Zugang zum Haus wegen aktueller Dreharbeiten nicht gewährt. Zahlreiche Menschen rennen laut im Haus herum. Kabel und Stromkästen liegen überall herum und sind massive Stolperfallen", schreiben sie in dem Aushang.
Zwei ähnliche Geschichten
Offiziell äußern wollen sich die Hausbewohner nicht. Von diesen gibt es auch gar nicht mehr so viele. Einige der Wohnung im Haus stehen leer. Hinter vielen Fenstern ist es kahl und dunkel. Die Hausnummer ist überklebt. Vor der Tür stehen Requisiten, Stative oder Menschen, die beim Dreh helfen. Dreharbeiten seien eben wie eine Baustelle, sagt Till Derenbach, und so seien Baustellen nun mal. "Aber so sind ja auch andere Dinge im Leben." Die Mieterinnen und Mieter sehen das anders, sie schreiben in ihrem Brief: "Ihr habt als Branche eine kollektive Verantwortung".
Das Ironische bei diesem Streit? Der Film, der in diesen Wochen in dem Haus gedreht wird, befasst sich genau mit den Problemen, die die Mieterinnen und Mieter umtreibt: der Wohnungsmarkt, Streit zwischen Vermietenden und Mietenden und Profitgier. In der Schwedter Straße wird also gerade gleichzeitig eine sehr ähnliche Geschichte erzählt.
Sendung: rbb24, 22.10.2021, 8 Uhr