"Seniorenleben - Bessemerstraße" - Bewohner sollen Pflegeheim in Schöneberg bis 31.12. verlassen

Zum 31. Dezember sollen pflegebedürftige Senioren das Pflegeheim "Seniorenleben - Bessemerstraße" in Schöneberg verlassen. Der Betreiber habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, sich von dem Objekt zu trennen. Von Efthymis Angeloudis
Das Pflegeheim "Seniorenleben - Bessemerstraße" in Berlin-Schöneberg steht offenbar vor dem Aus. Der Betreiber hat mit einem Schreiben am letzten Mittwoch den Bewohnern gekündigt, wie rbb|24 von Angehörigen der Senioren erfahren hat.
"Mir ist die Kinnlade runtergefallen, als ich den Brief in den Händen hielt", sagt Anne*, deren 88-jährige Schwiegermutter seit drei Jahren in dem Pflegeheim lebt. "Die Frau ist schwer dement, fast blind und fast taub. So was kann man ihr doch nicht zumuten."
In dem Kündigungsschreiben, das rbb|24 exklusiv vorliegt, gibt der Betreiber, die Argentum Pflegewohnstift Gmbh, Teil der Argentum Gruppe, an, das Pflegeheim zum 31. Dezember 2021 aus betrieblichen Gründen zu schließen. Weitere Gründe zu dem Beschluss werden im Schreiben nicht genannt. Nach der Massenkündigung der Bewohner der Josephinen-Anlage in Potsdam ist dies eine weitere Schließung eines Pflegeheims in der Region in nur wenigen Tagen.
Lage in Bessemerstraße ausschlaggebend für Schließung
Auf Anfrage von rbb|24 teilte der Betreiber mit, dass die Lage ausschlaggebend für die Entscheidung der Schließung gewesen sei. "Es gibt keinerlei Grünanlagen oder Rückzugsorte für unsere SeniorenInnen", teilte eine Sprecherin der Argentum Gruppe mit. Die überalterte Struktur des Hauses würde eine Kernsanierung notwendig machen, so die Sprecherin weiter, das Problem der Freiflächen aber nicht lösen. "Insofern haben wir die unternehmerische Entscheidung getroffen, uns von diesem Objekt zu trennen."
Wie Annes Schwiegermutter geht es vielen Bewohnern des Heims. "Auf der Station meiner Schwiegermutter befinden sich weitere 35 bis 40 Bewohner die schwer pflegebedürftig sind." Das Heim habe eine Kapazität von 199 Bewohnern, die jedoch aufgrund von Personalmangel kaum alle besetzt werden könnten. Wie viele Senioren von der Schließung des Hauses betroffen seien, wollte die Argentum Pflegewohnstift Gmbh trotz mehrerer Nachfragen nicht beantworten.
Betreiber: Kein Zwang Haus zum 31.12. zu verlassen
Die zweimonatige Frist bezeichnete der Betreiber gegenüber rbb|24 als rechtmäßig, erklärte aber, dass kein Zwang bestehe das Haus bis zum 31.12.21 zu verlassen. "Wir haben dieses Datum angepeilt, da wir wollen, dass für das Wohl unserer Anvertrauten die Weihnachtszeit nicht durch Umzüge überschattet wird ... ." Die Bewohner, die bis dahin noch kein neues Heim gefunden hätten, würden mit Hilfe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ebenso ruhige besinnliche Feiertage verbringen.
Der Betreiber hat laut eigenen Angaben noch vor der offiziellen Ankündigung der Schließung nach Ersatzplätzen für Bewohner und Mitarbeiter gesucht und jedem der Beteiligten ein Einzelgespräch angeboten, um Angehörige und Bewohner zu unterstützen. Wie der rbb von Angehörigen erfuhr, sollte dieses Gespräch gleich am nächsten und darauffolgenden Tag der Kündigung erfolgen. "So flexibel ist doch kein Mensch", moniert Anne gegenüber rbb|24.
Anne hatte Glück und fand neuen Platz
Die Ersatzplätze des Betreibers bei der Einrichtung eines Konkurrenten hätten sich laut Angehörigen im Norden Berlins befunden. Für Anne aus Buckow keine realistische Lösung. "Wenn ich meine Schwiegermutter ein oder zwei Mal die Woche sehen möchte, dann kann ich nicht quer durch die ganze Stadt tingeln." Nach der ersten Schockstarre griff sie zum Apparat und suchte nach einer alternativen Unterbringung. "Wir hatten Schweineglück, dass ich in dieser Woche Urlaub hatte und einen neuen Platz in Buckow finden konnte", sagt sie erleichtert. Auch wenn dieser 500 Euro mehr im Monat kosten würde, kann Anne sich glücklich schätzen überhaupt etwas in der Nähe gefunden zu haben.
Einen Platz im Pflegeheim zu finden, ist selbst unter normalen Umständen nicht leicht - in Zeiten der Coronavirus-Pandemie und mit einer zweimonatigen Frist gilt das erst recht. Dazu kommen Nachrichten von Covid-19-Ausbrüchen in Senioren- und Pflegeheimen mit teils vielen Toten.
*Name von Redaktion geändert