"Seniorenleben - Bessemerstraße" - Bewohner sollen Pflegeheim in Schöneberg bis 31.12. verlassen

Fr 05.11.21 | 16:42 Uhr | Von Efthymis Angeloudis
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Symbolbild: Ein Rollstuhl steht in einer Pflegeeinrichtung auf dem Flur. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Bild: dpa/Britta Pedersen

Zum 31. Dezember sollen pflegebedürftige Senioren das Pflegeheim "Seniorenleben - Bessemerstraße" in Schöneberg verlassen. Der Betreiber habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, sich von dem Objekt zu trennen. Von Efthymis Angeloudis

Das Pflegeheim "Seniorenleben - Bessemerstraße" in Berlin-Schöneberg steht offenbar vor dem Aus. Der Betreiber hat mit einem Schreiben am letzten Mittwoch den Bewohnern gekündigt, wie rbb|24 von Angehörigen der Senioren erfahren hat.

"Mir ist die Kinnlade runtergefallen, als ich den Brief in den Händen hielt", sagt Anne*, deren 88-jährige Schwiegermutter seit drei Jahren in dem Pflegeheim lebt. "Die Frau ist schwer dement, fast blind und fast taub. So was kann man ihr doch nicht zumuten."

In dem Kündigungsschreiben, das rbb|24 exklusiv vorliegt, gibt der Betreiber, die Argentum Pflegewohnstift Gmbh, Teil der Argentum Gruppe, an, das Pflegeheim zum 31. Dezember 2021 aus betrieblichen Gründen zu schließen. Weitere Gründe zu dem Beschluss werden im Schreiben nicht genannt. Nach der Massenkündigung der Bewohner der Josephinen-Anlage in Potsdam ist dies eine weitere Schließung eines Pflegeheims in der Region in nur wenigen Tagen.

Lage in Bessemerstraße ausschlaggebend für Schließung

Auf Anfrage von rbb|24 teilte der Betreiber mit, dass die Lage ausschlaggebend für die Entscheidung der Schließung gewesen sei. "Es gibt keinerlei Grünanlagen oder Rückzugsorte für unsere SeniorenInnen", teilte eine Sprecherin der Argentum Gruppe mit. Die überalterte Struktur des Hauses würde eine Kernsanierung notwendig machen, so die Sprecherin weiter, das Problem der Freiflächen aber nicht lösen. "Insofern haben wir die unternehmerische Entscheidung getroffen, uns von diesem Objekt zu trennen."

Wie Annes Schwiegermutter geht es vielen Bewohnern des Heims. "Auf der Station meiner Schwiegermutter befinden sich weitere 35 bis 40 Bewohner die schwer pflegebedürftig sind." Das Heim habe eine Kapazität von 199 Bewohnern, die jedoch aufgrund von Personalmangel kaum alle besetzt werden könnten. Wie viele Senioren von der Schließung des Hauses betroffen seien, wollte die Argentum Pflegewohnstift Gmbh trotz mehrerer Nachfragen nicht beantworten.

Betreiber: Kein Zwang Haus zum 31.12. zu verlassen

Die zweimonatige Frist bezeichnete der Betreiber gegenüber rbb|24 als rechtmäßig, erklärte aber, dass kein Zwang bestehe das Haus bis zum 31.12.21 zu verlassen. "Wir haben dieses Datum angepeilt, da wir wollen, dass für das Wohl unserer Anvertrauten die Weihnachtszeit nicht durch Umzüge überschattet wird ... ." Die Bewohner, die bis dahin noch kein neues Heim gefunden hätten, würden mit Hilfe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ebenso ruhige besinnliche Feiertage verbringen.

Der Betreiber hat laut eigenen Angaben noch vor der offiziellen Ankündigung der Schließung nach Ersatzplätzen für Bewohner und Mitarbeiter gesucht und jedem der Beteiligten ein Einzelgespräch angeboten, um Angehörige und Bewohner zu unterstützen. Wie der rbb von Angehörigen erfuhr, sollte dieses Gespräch gleich am nächsten und darauffolgenden Tag der Kündigung erfolgen. "So flexibel ist doch kein Mensch", moniert Anne gegenüber rbb|24.

Anne hatte Glück und fand neuen Platz

Die Ersatzplätze des Betreibers bei der Einrichtung eines Konkurrenten hätten sich laut Angehörigen im Norden Berlins befunden. Für Anne aus Buckow keine realistische Lösung. "Wenn ich meine Schwiegermutter ein oder zwei Mal die Woche sehen möchte, dann kann ich nicht quer durch die ganze Stadt tingeln." Nach der ersten Schockstarre griff sie zum Apparat und suchte nach einer alternativen Unterbringung. "Wir hatten Schweineglück, dass ich in dieser Woche Urlaub hatte und einen neuen Platz in Buckow finden konnte", sagt sie erleichtert. Auch wenn dieser 500 Euro mehr im Monat kosten würde, kann Anne sich glücklich schätzen überhaupt etwas in der Nähe gefunden zu haben.

Einen Platz im Pflegeheim zu finden, ist selbst unter normalen Umständen nicht leicht - in Zeiten der Coronavirus-Pandemie und mit einer zweimonatigen Frist gilt das erst recht. Dazu kommen Nachrichten von Covid-19-Ausbrüchen in Senioren- und Pflegeheimen mit teils vielen Toten.

*Name von Redaktion geändert

Beitrag von Efthymis Angeloudis

63 Kommentare

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  1. 63.

    Diese Heime hat der Staat nicht abgetreten, sondern die sind von privater Hand gegründet worden.

  2. 62.

    Etwas mehr als 40% der Pflegeheime sind in der Hand privater Träger, leider Tendenz steigend, da hier offenbar Renditeerwartungen erfüllt zu werden scheinen. Die anderen zu stärken ist eine politische Aufgabe, Fälle wie der geschilderte helfen hoffentlich beim Umdenken.

  3. 61.

    "Das bringt für die Gesellschaft einen Vorteil in so fern, dass es ohne die privaten Betreiber kaum Pflegeheime gäbe"

    das ist schlichtweg falsch. Wenn der Staat das nicht an die privaten Abgetreten hätte, wäre er selbst in der Pflicht. Dieser Unsinn mit dem privatisieren ureigenster Staatsaufgaben muss aufhören.

  4. 60.

    Da irren Sie, die Kinder haben einen sehr hohen Betrag an Selbstbehalt, also meisten ist es dann doch das Sozialamt.

  5. 59.

    Wohl eher die Kinder und nicht das Sozialamt... Das zahlt nur, wenn es keine Kinder gibt oder diese schon tot sind.

  6. 58.

    Das bringt für die Gesellschaft einen Vorteil in so fern, dass es ohne die privaten Betreiber kaum Pflegeheime gäbe.
    Wer es hinterfragt, der kann es auch gleich besser machen und ein Pflegeheim auf andererr Basis gründen.

  7. 57.

    Und das hat jetzt was mit dem Solidarprinzip der gesetzlichen Versicherungen zu tun? Dieses Prinzip wird bewusst unterlaufen! Eben weil es eine neoliberale Wende hin zur Möglichkeit privater Versicherungen gab und die bewusste Klientel, die ich hier ansspreche, sowieso nie eine Verpflichtung hatte, in die Solidarsysteme einzuzahlen. Das ist eine unbequeme Wahrheit, wenn man zBsp vom Beamtenstatus profitiert. Eine 2-3-Klassengesellschaft mit so krassen ungerechten Unterschieden muss uns beizeiten um die Ohren fliegen. Die moralischen Abgründe kann man ja hier schon bei eingigen Kommentierenden im Ansatz besichtigen.

  8. 56.

    Das Haus wurde bei Weiterbetrieb in den letzten Jahren saniert und mit neuen Möbeln ausgestattet. Es verwundert, das das fehlende Grün auffällt, das war noch nie anders. Eine Kostenverringerung wegen Krach und Staub gab es natürlich nicht.
    Vielleicht sollte man das Augenmerk auf den Geschäftsführer dieser Gesellschaft richten, der laut Internet einschlägige Erfahrungen mit Altenheimen haben soll. Übrigens wurde das Heim erst vor nicht all zu langer Zeit übernommen. Häufiger Personalwechsel an allen Stellen war die Folge.
    Die Angesprochene Beratung war eine Verkaufsveranstaltung, nix Beratung. Im Angebot sehr Kostenintensive Heime in Zehlendorf .

  9. 55.

    Politiker zahlen auch in eine Pflegeversicherung ein. Nämlich in eine private. Die gibt's genauso wie private Krankenversicherung

    Aldi ist diese Aussage falsch und übelste Bildpropaganda

  10. 54.

    Wenn privat = teurer wäre dass ok, wenn es wirklich eine Wahl gäbe bei der Wahl des Pflegeheimes. Die ist nicht gegeben, man ist faktisch gezwungen, den Platz zu nehmen der frei wird ... oder u.U. sehr lange zu warten, was in vielen Fällen keine Alternative ist.

    Eine bessere Finanzierung der Pflege wäre wichtig, gleichzeitig sicherzustellen, dass nicht noch mehr öffentliche Mittel als Rendite abgeführt werden dabei sinnvoll.

  11. 53.

    Ihre Sprache ist ja schon verräterisch. "ein Haufen alter Leute". Eine wirklich respektvolle Formulierung. Besonders ärgerlich ist aber, dass Sie hier eine Falschinformation verbreiten. Deutschland hat ganz sicher nicht die "älteste Bevölkerung der Welt" (Quelle bitte! Und keine Facebook-Meinung), noch nicht mal in Europa, da liegt D auf Platz 5:
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/248981/umfrage/altersstruktur-in-den-eu-laendern/
    In einem Punkt haben Sie recht: es gibt zu wenig Einzahlungen in die Pflegekasse. Besonders Groß- und Größtverdiener zahlen nix, zBsp PolitikerInnen, Unternehmer, Steuerflüchter .... Wir leben aber qua GG in einem Sozialstaat, der auf solidarischen Prinzipien aufbaut. Finden Sie den Fehler!

  12. 52.

    Dass bedeutet, dass Sozialmittel für Rendite und Gehalt genutzt werden - oder nicht? Nicht von jedem Bewohner sicher, in Teilen wohl schon.

    Dieses Modell ist zu hinterfragen, einen Vorteil für die Gesellschaft bringt es nicht.

  13. 51.

    Die Regierung spart sich am eigenen Volk kaputt und die Entscheidungen werden immer schlimmer. Hauptsache wir helfen den anderen Ländern. Wir nehmen immer mehr Menschen auf die nicht arbeiten aber Kosten. Wohnung, Arzt und Pflege müssen bezahlt werden.

  14. 50.

    Die Frage ist schon etwas komisch. Woher das kommt? Deutschland hat die älteste Bevölkerung der Welt. Massive Vergreisung der Bevölkerung, ein Haufen alter Leute, die halt Kosten verursachen und viel zu wenig Einzahler. Privat kostet halt mehr, was man selber bezahlen muss. Wie das halt mit allen privaten Sachen ist.

  15. 49.

    Wenn deine Eltern nicht in Ihrem eigenen Besitz wohnen, kann auch ihnen gekündigt werden. Was soll denn hier respektlos sein? Das Heim macht zu. Das war's. Jede Mietwohnung kann auch gekündigt werden. So ist das halt. Ja, Deutschland ist ein reiches Land. Was hat das jetzt damit zu tun?

  16. 48.

    Die Kosten im Pflegeheim liegen meist bei über 2500 - 3000 Euro monatlich, und weit aus den größten Anteil an diesen Kosten trägt der Bewohner selbst, kann er es nicht, dann das Sozialamt.

    Habe ich aber geschrieben. Ich finde auch, über grunsätzliche Infos zum Thema verfügen, das ist sehr hilfreich, dann gibt es kein kindisches bla bla.

  17. 47.

    Das habe ich doch geschrieben, dies Entlohnung zahlt der Bewohner, und falls er Mittellos ist zahlt das Sozialamt.

  18. 46.

    Wegen solcher Unternehmer bin ich für gemeinnützige Unternehmen und gegen gewinnorientierte kapitalistische Unternehmen im Sozial, Jugend und Geschäftsbereich.

  19. 45.

    Wenn ich das alles lese wird mir bange vor dem Alter und ich bete zu Gott, an den ich nicht glaube, dass ich zwar alt, aber niemals pflegebedürftig werden möge.

  20. 44.

    Die anstehenden Sanierungskosten scheinen dann wohl das Problem zu sein. Hierfür keine Rücklagen zu haben ist dann wohl ein Fall schlechten Wirtschaftens.

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