Verhandlung wird Donnerstag fortgesetzt - 101-jähriger Angeklagter will im Brandenburger KZ-Prozess aussagen

So 28.11.21 | 12:29 Uhr
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Der Angeklagte (l) mutmaßliche ehemalige KZ-Wachmann sitzt im Gerichtssaal. Neben ihm steht sitzt Anwalt, Stefan Waterkamp. (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Bild: dpa/Christophe Gateau

Beihilfe zum Mord in 3.518 Fällen wird dem 101-jährigen Josef S. vorgeworfen, der im KZ Sachsenhausen als Wachmann gedient haben soll. Der Angeklagte bestreitet das - für den nächsten Verhandlungstag hat sein Anwalt eine Erklärung angekündigt.

Im Prozess um die Massentötungen von Häftlingen und sowjetischen Kriegsgefangenen im Konzentrationslager Sachsenhausen hat der Verteidiger eine Erklärung des Angeklagten angekündigt.

Der 101-Jährige werde sich beim nächsten Prozesstag am Donnerstag auch zu seiner Tätigkeit in der Zeit während des Zweiten Weltkriegs erklären, in der er laut Anklage als Wachmann der SS in dem KZ eingesetzt gewesen sein soll, teilte Verteidiger Stefan Waterkamp am Wochenende der Deutschen Presse-Agentur mit.

Bislang keine Aussage zur Kriegszeit

Laut Anklage soll der 101-Jährige als SS-Wachmann in dem KZ von 1942 bis 1945 Beihilfe zum Mord an Tausenden Häftlingen geleistet haben - in mindestens 3.518 Fällen.

Der Angeklagte hatte aber in dem seit Anfang Oktober laufenden Prozess mehrfach bestritten, in dem KZ tätig gewesen zu sein. Auf Anraten seines Anwalts hat er sich ansonsten zu seiner Tätigkeit während des Zweiten Weltkriegs bislang nicht geäußert.

Der Vorsitzende Richter Udo Lechtermann, Nebenkläger-Anwalt Thomas Walther und Überlebende des KZ als Nebenkläger hatten den Angeklagten mehrfach aufgefordert, sich zu seiner damaligen Tätigkeit zu bekennen.

Dienst in litauischer Armee?

Laut Richter Lechtermann soll der 101-Jährige schon einmal angegeben haben, er habe zu der fraglichen Zeit in der litauischen Armee gedient. Dann solle er dazu auch nachprüfbare Einzelheiten schildern. Sollte er aber als SS-Wachmann im KZ gedient haben, solle er dies einräumen, hatte der Richter gefordert.

Der Prozess vor dem Landgericht Neuruppin findet aus organisatorischen Gründen in einer Sporthalle in Brandenburg (Havel) statt. Bislang sind Termine bis in den Januar anberaumt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.11.2021, 14:00 Uhr

23 Kommentare

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  1. 23.

    Lieben Dank, Ihr Kommentar gibt m.E. die Situation gut wieder.

  2. 22.

    Bei RAF Terroristen reichte eine Mitgliedschaft ohne nachgewiesene Tatbeteiligung zur Verurteilung aus. Ihre Schlußfolgerung ist demnach falsch.

  3. 21.

    Beihilfe zum Mord gibt es international, das habe ich nie bestritten. Dass eine bloße Anwesenheit ohne Nachweis einer Beteiligung an der Tötungshandlung durch Dritte bereits als ausreichend für den Tatbestand der Beihilfe zum Mord zu werten ist, ist eine Auslegung, die international nicht üblich ist. Selbst die DDR, die mit solchen Tätern nun wahrlich nicht zaghaft umgegangen ist, zumindest ab Ende der 50er Jahre, hat eine solche Auslegung nie in Betracht gezogen, genau so wenig wie die überfallenen europäischen Länder oder Israel.
    Ich möchte nicht mal generell in Frage stellen, dass diese neue Auffassung richtig ist, aber sie ist schon sehr weitreichend im Rechtsverständnis und könnte in der Zukunft noch für manche Überraschung sorgen. Andererseits wird diese Rechtsprechung auch nicht konsequent angewandt, zum Beispiel bei IS-Rückkehrern. Dort gibt es faktisch eine identische Gemengelage.

  4. 20.

    Ob er Täter ist, wird der Prozess herausfinden. Wenn es so ist, wie er sagt, dass er zu der Zeit in Litauen war, dann vorverurteilen Sie ihn, @Motte.
    Ja, ich empfinde es als unmenschlich, einem 101-Jährigen einen Prozess zuzumuten.
    Und ja, wenn es so ist, dass er Täter war, dann war er unmenschlich.
    Deswegen spreche ich in meinem Post von "Auge um Auge, Zahn um Zahn", also sinngemäß.
    Ich sprache und spreche von meinem Gefühl, dass sich zu diesen "Greisenprozessen" einschleicht.
    Bei einem anderen Thread sagte ich auch bereits, dass die eigentliche Sauerei ist, dass diese Prozesse nicht 50 Jahre eher stattgefunden haben.
    Plus - Beitrag 1 -, dass wenn es Opfer gibt, die anklagen, dann bin auch ich der Meinung, dass ihm dieser Prozess zugemutet werden muss. In diesem Fall scheint das der Fall. Ich würde den Prozess gerne mitverfolgen.

  5. 19.

    Ja, der arme, alte Aufseher, gell. Relativieren Sie gerade diesen Prozess, weil Ihre Gesinnung nichts anderes zulässt?

  6. 18.

    Wie viele Hundertjährige hat er denn helfend in den Tod geschickt? War das Alter damals ein anderes als das seine heute? Dieser Mann bekommt einen Prozess in einem Rechtsstaat, was daran ist unmenschlich? Er ist Täter, alle anderen wurden feige ermordet. Wer arbeitete denn in diesen Lagern, Humanisten, Ethiker, Empathen? Oder ist es eher so, dass das Lager für ihn eine Arbeitsstätte aus Überzeugung war? Dieser Mann bekommt spät sein Urteil, aber nicht zu spät.

  7. 17.

    Zitat:"...weltweit einzigartigen Rechsauffassung..."
    Seit wann wird Beihilfe zu Mord nur in Deutschland strafrechtlich verfolgt? Oder soll sich dies auf den Zusammenhang mit den NS-Verbrechen beschränken?

  8. 16.

    Grade im westlichen Nachkriegsdeutschland wurde in der Verwaltung auf die "alten" Mitarbeiter gesetzt. Daher wurden großzügig Persil-Scheine ausgestellt. Vorangetrieben wurde der Wiederaufbau, um wirtschaftliche Absatzmärkte zu schaffen. Und nein, ich bin keine Linke/Kommunistin.
    Selbst die Henker wurden weiterhin eingesetzt, um Alliierten-Urteile zu vollstrecken und das über Jahre, einfach mal den Namen Friedrich Hehr googeln.
    Im übrigen wurde niemand für den Dienst bei der SS zwangsverpflichtet. Man meldete sich freiwillig, mit dem Wissen um die Art des Dienstes.

  9. 15.

    Das Problem an diesen Prozessen ist doch, dass sie allesamt Jahrzehnte zu spät kommen. Mit einer weltweit einzigartigen Rechsauffassung der Beihilfe versucht die deutsche Justiz sich jetzt noch schnell an den kleinen Rädern im Getriebe reinzuwaschen, was sie bei den großen Rädchen nicht leisten wollte. Schon von daher kann ein solcher Prozess nicht zur wirklichen Gerechtigkeit führen, maximal zu einer kleinen Genugtuung. Das ist durchaus Recht, aber weit entfernt von Gerechtigkeit. Als Wachmann ist der Angeklagte definitiv nicht unschuldig. Aber eine angemessene Strafe ist heute und angesichts des Alters nicht mehr zu erwarten, eine Beihilfe zum Mord wird der Angeklagte für sich ohnehin nicht akzeptieren und damit eine Resozialisierung unmöglich. Das einzige, was noch erreicht wird, ist, dass der Mann finanziell wegen der Gerichtskosten ruiniert wird. Durchaus einsehbar, nur dürfte er das ohnehin längst sein, ob seiner Heimkosten.

  10. 14.

    Was heißt im westlichen Nachkriegsdeutschland. Es wurden gravierende Fehler auf beiden Seiten gemacht, im Westen wie im Osten. Für mich ist die Frage, ob man so einen Ptozess nach heutigen Maßstäben führen kann. Von uns kann sich doch niemand vorstellen wie es damals war, was für ein gesellschaftlicher Druck herrschte, was in den Köpfen vorging. Ich will nichts beschöningen, was damals passiert ist war grauenhaft und darf sich nicht wiederholen. Die Fehler wurden in der Nachkriegszeit gemacht.

  11. 13.

    Was hat Ihre Mutter Ihnen anders erzählt?

    Das ernsthaft diskutiert wird, wie sinnvoll dieser Prozess ist. Oh man...Die Prozess ist ein absolutes MUSS, weil eben viel zu lange versäumt wurde die Nazi-Verbrecher abzuurteilen.

    Natürlich wusste keiner von irgendwas und/oder hat nur Befehle befolgt.

  12. 12.

    Nun, noch heute ist ein NSDAP-Mitglied im Ältestenrat der viermalige umbenannte SED, DIE LINKE!
    Nur, darum wird kein Aufhebens gemacht.
    Von den Mauerschützen und Stasi-Schergen ganz zu schweigen.
    In Mecklenburg Vorpommern führte sogar ein hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter die Koalisationgespräche mit der SPD.

  13. 11.

    Mord verjährt nicht. Was genau hat Ihre Mutter Ihnen anders erzählt? Dass es keine Verbrechen gegeben hat?

    Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben und der Vorsitzende Richter hat die Anklage zugelassen.

    Recht muss Recht bleiben!

  14. 10.

    So richtig dieser Prozess ist: es ist doch umso mehr deutlich beschämend, wieviel unzählige derjenigen in Verwaltung, Justiz, Polizei und Wehrmacht, welche, auf allen Ebenen dieses totalitäre Regime erst ermöglichten und durchgesetzt haben, vollkommen ungeahndet und ungestört nach 1945 ihre Posten behielten und Karieren fortsetzten! Von daher hat dies ein Beigeschmack von Bauernopfer und Feigenblatt.

  15. 9.

    Erklären Sie mir mit einfachen Worten wo und in was der Sinn dieses Prozesses liegt?
    Ich sehe keine ausser Geldverschwendung. Sie werfen da mit Begriffen um sich die ich nicht nachvollziehen kann.
    Meine Mutter ist 93 Jahre und hat mir das anders erzählt.
    Sie müssen nicht von meinen Nicknahmen auf ein Alter jenseits der 80 schliessen.

    Und von welchen Standpunkt ich das sehe ist meine Sache.

  16. 8.

    Zitat:"...weil in mir der Gedanke "Unmenschlichkeit mit Unmenschlichkeit vergelten" hochsteigt."

    Bitte erklären Sie mir und ggf. anderen, welche Unmenschlichkeit dem Angeklagten widerfährt.
    Er sitzt nicht in Untersuchungshaft, eine notwendige OP wurde durchgeführt, er erhält eine Verteidigung (notfalls Pflichtverteidigung), wird per Krankentransport zu den Verhandlungsterminen gefahren, welche nicht täglich und nicht stundenlang andauern...

  17. 7.

    Sie betrachten den Prozess scheinbar einzig im Hinblick auf das Alter des Angeklagten, Adele. Dass dieser bei einer Verurteilung keine langjährige Haftstrafe antreten muss, dürfte doch offensichtlich sein. Trotzdem muss sich auch ein 101-Jähriger seiner Verantwortung stellen, wenn ihm denn die zur Anklage stehenden Vorwürfe nachgewiesen werden können. Dabei geht es auch um Aufklärung und Feststellung von individueller Schuld bzw. Verantwortung, die zu diesem wohl größten Verbrechen der Neuzeit beigetragen hat.

  18. 6.

    Ich finde gut, dass er sich äußern will. Er gehört zu den letzten Zeitzeugen, die noch Licht in das tiefe Dunkel dieser Zeit bringen können.
    Bei "solchen Prozessen" habe auch ich Bauchschmerzen und schon mit Zeitzeugin drüber gesprochen (ehem. Staatsanwältin). Bauchschmerzen habe ich, weil in mir der Gedanke "Unmenschlichkeit mit Unmenschlichkeit vergelten" hochsteigt. Auch mit dem Hintergedanken, dass so ein wirklicht uralter Mensch den Prozess nicht mehr überlebt oder nicht mehr lange.
    Andererseits sehe ich auch ein, bzw. finde, der Prozess MUSS sein, solange es noch Opfer gibt, die eben mit-anklagen.
    Und ja, so ist das deutsche Rest - und auch zu recht wohl -, dass Mord nicht verjährt.

  19. 5.

    Mord verjährt nicht. Merkt euch das mal und das ist auch gut so

  20. 4.
    Antwort auf [Dominik] vom 28.11.2021 um 16:22

    Gesetz ist Gesetz und Mord verjährt niemals. Ihr Gefühl und Ihre Meinung zählen deshalb nicht.

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