Debatte um Cannabis-Legalisierung - "Es ist in Berlin ja kein Hexenwerk, an Gras zu kommen"

Deutschlandweit wird über die Legalisierung von Cannabis diskutiert. Was ein junger Kiffer aus Berlin davon hält, welchen Einfluss der Konsum auf sein Leben hat und warum er nicht will, dass Berlin das nächste Amsterdam wird, erzählt er im Interview.
Fast die Hälfte der 18- bis 25-Jährigen in Deutschland hat schon mal Cannabis probiert. Das geht aus Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hervor. Im Jahr 2018 haben 6,9 Prozent der jungen Erwachsenen sogar regelmäßig Cannabis geraucht. Einer von ihnen ist Anton. Er ist 20 und lebt in Berlin. Er hat Abitur und anschließend einen Freiwilligendienst gemacht. Anton ist nicht sein richtiger Name, denn - während der Konsum rein rechtlich nicht strafbar ist, ist aber der Besitz, Handel und Anbau von Cannabis in Deutschland strafbar – zumindest noch. Denn mit einer möglichen Ampel-Koalition im Bund wird eine Legalisierung so realistisch wie nie zuvor.
Viele Kritiker:innen der Legalisierung befürchten eine Verharmlosung der Droge. Denn Cannabis kann körperlich und psychisch abhängig machen. Außerdem weisen mehrere Studien darauf hin, dass Menschen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, ein höheres Risiko haben, an Psychosen zu erkranken. Insbesondere bei jungen Menschen, deren Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet, kann Cannabis irreversible Schäden anrichten. Trotzdem sind viele Menschen für die Legalisierung – so auch Anton.
Welche Vor- und Nachteile eine Legalisierung hätte und warum Berlin in der ganzen Sache eine wichtige Rolle spielt – seht ihr im neuen rbb|24 explainer mit Margarethe Neubauer auf dem rbb|24 Youtube-Channel.
rbb|24: Hallo Anton. Wie viel kiffst Du denn aktuell?
Anton: Aktuell weniger als noch in der Schulzeit, aber schon noch fast jeden Tag. Zu Höchstzeiten, das war wahrscheinlich in der Abiturphase, habe ich so drei, vier, fünf Joints am Tag geraucht. Aber gerade versuche ich es zu reduzieren, weil ich mein Leben wieder aktiver gestalten will. Denn das Kiffen beeinflusst dein Leben, ob du es willst oder nicht - einfach durch den Effekt, den es hat.
Wie klappt das so?
Es ist gar nicht so schwer, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich habe schon mal drei Monate Pause gemacht. Aber man sagt ja immer, dass man die ganze Zeit aufhören kann. Ähnlich wie beim Kippen rauchen, aber ob man wirklich aufhört ist nochmal eine andere Sache. Also es läuft gut, aber es gibt bestimmt noch Potenzial nach oben.
Wie und wann hast Du angefangen, Cannabis zu konsumieren?
Ich war in einem Auslandsjahr in Südamerika, und dort hab ich es auf einer Party das erste Mal probiert. Danach habe ich mit den anderen Austauschschülern relativ häufig gekifft.
Zurück in Deutschland musste ich mich erstmal wieder einfinden und habe eine Zeitlang nicht mehr gekifft. In meiner damaligen Freundesgruppe war ich auch fast der einzige, der gekifft hat. Deswegen habe ich auch weniger gekifft, weil es mir allein keinen Spaß macht. Da sehe ich keinen Sinn drin. Aber dann hat sich mein Freundeskreis verändert. Dort haben mehr Leute gekifft und ich im Endeffekt natürlich auch.
Wie verbreitet ist Cannabis in Deinem Freundeskreis?
Sehr verbreitet. Ich habe eine feste Freundesgruppe von zehn, zwölf Jungs. Als wir noch zur Schule gegangen sind, haben von denen so acht, neun gekifft. Und es gibt niemanden, der ein Problem mit dem Kiffen hätte. Ich weiß, dass ich hier in Berlin auch in einer Bubble lebe, aber in meinem Freundeskreis ist es zumindest nicht verpönt, was es ja schon mal akzeptierter macht. Und ich glaube, wenn die Akzeptanz höher ist, dann probieren es auch mehr Leute mal aus.
Wie kommst Du denn an das Cannabis?
Das ist immer eine witzige Frage. Das ist ja in Berlin kein Hexenwerk, an Gras zu kommen. Mit der Zeit geht es eher darum, dass es gut ist. Da hat man am Anfang noch gar nicht den Blick dafür, ob das jetzt gestrecktes Zeug ist oder nicht. Ich habe bestimmt auch schon den einen oder anderen Joint geraucht, wo viel anderes als Gras drin war. Aber es ist relativ einfach. Man hat Kontakte.
Aber man geht nicht in den Görlitzer Park?
Nein, auf keinen Fall. Also da würde ich nicht mal hingehen, wenn ich nachts am Schlesischen Tor feiern bin, unbedingt kiffen will und kein Gras mehr habe. Da würde ich niemandem raten, irgendwas zu holen.
Warum konsumierst Du Cannabis?
Das ist eine gute Frage. Warum trinke ich? Warum rauche ich Zigaretten? Warum gehe ich feiern, statt zu lernen? Ich sehe die Konsequenzen, die das nach sich zieht, vor allem auf lange Sicht. Aber man macht es einfach.
Im Endeffekt ist das Kiffen für mich wie eine Kippe rauchen. Bloß dass man nach einer Kippe nicht die nächsten fünf Stunden nicht mit seinem Chef reden oder Hausaufgaben machen kann. Und das zieht einen dann natürlich zurück.
Jeder hat so seine Probleme, und so ist auch bei mir nicht immer alles glatt gelaufen. Es war einfach ein guter Weg, um zu entspannen. Das muss man ganz ehrlich sagen.
Was für negative Auswirkungen hatte das Kiffen auf Dein Leben?
Ich würde zwar sagen, ich bin relativ gut verwurzelt, aber ich habe auch schon Sachen komplett in den Sand gesetzt wegen des Kiffens. Ich habe zum Beispiel ein relativ schlechtes Abi geschrieben. Also nicht mega schlecht, aber 2,7. Und ich weiß, dass wenn ich zehn Prozent mehr investiert hätte, ich ein viel besseres Abitur hätte schreiben können.
Studien zeigen, dass das Risiko eine Psychose zu bekommen, durch regelmäßigen Cannabis-Konsum steigt. Hast Du selbst oder jemand in Deinem Umfeld schon einmal so eine Erfahrung gemacht?
Psychosen nicht. Ich meine, man hat Geschichten gehört, aber bei mir persönlich oder im näheren Umfeld ist das nicht vorgekommen. Aber es gab auf jeden Fall schon Reaktionen von Freunden oder Bekannten, wo jemand komplett abdreht und die Kontrolle verliert. Ich kenne allerdings niemanden, der komplett abgerutscht ist. Und wenn, dann hatte es im Endeffekt noch mit vielen anderen Ursachen zu tun.
Bist du trotzdem für eine Legalisierung?
Ich bin auf jeden Fall für eine Legalisierung, aber nur unter bestimmten Umständen. Ich will nicht, dass Berlin in ein paar Jahren wie Amsterdam ist und komplett überströmt von Touris. Es ist einfach unentspannt, wenn man vor die Haustür steppt, alle zwei Meter ist ein Gras-Shop, da stehen 20.000 Leute und es riecht überall.
Aber ich bin mir sicher, dass, wenn es in Deutschland legalisiert werden sollte, dann auch sehr streng reguliert wird. Deswegen denke ich auch, dass viele Leute trotzdem ihr Gras woanders beziehen werden als in solchen Shops. Erstmal zumindest. Es wird sich dann vielleicht über die Jahre verändern.
Du lebst noch bei Deinen Eltern und die wissen auch, dass Du Cannabis konsumierst. Was sagen sie dazu?
Wir hatten schon Endlosdebatten darüber. Sie würden sich sicherlich wünschen, dass ich nicht so viel konsumiere. Da spricht man natürlich immer wieder drüber, ist ja auch wichtig. Ich finde, sie haben einen ganz guten Umgang damit gefunden.
Wir sind sehr eng und ich finde es wichtig, dass man über alles reden kann. Aber was das Rauchen und Kiffen und Alkohol trinken angeht, lasse ich mir nicht reinreden, zumindest seit ich erwachsen bin. Es ist mein Leben. Sie können mir Tipps geben, die ich dann auch gerne annehme, aber im Endeffekt muss ich meine eigenen Fehler machen. Und wenn ich die nicht mache, dann mache ich später vielleicht noch größere Fehler.
Glaubst Du, dass Du irgendwann aufhörst zu kiffen?
Sicherlich, aber nicht im Sinne von "nie wieder kiffen". Ich glaube, wenn man einmal so viel gekifft hat wie ich… Aber das wird in Zukunft auf jeden Fall reduziert sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Maike Gomm im Rahmen ihrer Recherche für die aktuelle rbb|24-Explainer Folge auf Youtube.
Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen. Probleme mit Cannabis hat, können Sie sich an folgende Beratungsstellen wenden oder sich dort informieren: