Prozess wegen Mordes - Angeklagte soll schon vor Oberlinhaus-Tat Tötungsfantasien gehabt haben

Do 16.12.21 | 14:11 Uhr
Die Angeklagte im Oberlinhaus-Prozess kommt in einen Gerichtssaal im Landgericht Potsdam (Bild: dpa/Carsten Koall)
Bild: dpa/Carsten Koall

Die Frau, die vier Bewohner im Potsdamer Oberlinhaus getötet haben soll, hatte offenbar schon zuvor Gewaltphantasien. Im Prozess berichtete eine Gutachterin von psychischen Störungen, sie sieht einen Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit.

Die 52-jährige ehemalige Pflegekraft, die vier Bewohner eines Potsdamer Behinderten-Wohnheims getötet haben soll, wollte offenbar schon vor der Tat eine Bewohnerin töten. Das sagte am Donnerstag eine forensisch-psychiatrische Gutachterin im Prozess vor dem Landgericht Potsdam aus. Die Gutachterin hatte die Angeklagte in der psychiatrischen Klinik befragt, in der die mutmaßliche Täterin nach ihrer Festnahme untergebracht worden ist.

Die Angeklagte habe mitgeteilt, dass sie eine Woche vor der Tat im April 2021 eine Bewohnerin mit Medikamenten habe vergiften wollen, so die Gutachterin. Die Angeklagte habe schon mehrfach Gewaltfantasien gegenüber anderen Menschen gehabt; so habe sie bereits 2012 während eines Klinikaufenthalts angegeben, sie habe davon geträumt, Bewohner der Einrichtung umzubringen. Davon sollen sie Medikamente abgehalten haben.

Oberarzt in psychiatrischer Klinik angegriffen

Die Gutachterin berichtete zudem aus den Befragungen, dass sich die Angeklagte zwischen zwei Verhandlungstagen in der psychiatrischen Klinik selbst verletzt habe. Außerdem habe die Frau, die unter hohem Medikamenteneinfluss steht, "gedankliche Gewalt-Impulse" gegenüber dem Pflegepersonal in der Klinik gehabt. Zwei Mal soll sie einen Oberarzt in der Klinik auch angegriffen haben.

Schuldfähigkeit der Angeklagten soll erheblich vermindert sein

Laut Gutachten beging die Angeklagte die Tat im Oberlinhaus im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit. Die Schuldfähigkeit ist für das Urteil von Bedeutung.

Die Gutachterin empfiehlt eine Unterbringung der Angeklagten im Maßregelvollzug. Im Maßregelvollzug werden psychisch schwer kranke Straftäter untergebracht, die als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gelten. Dort soll sowohl eine Therapie der Straftäter möglich gemacht werden, als auch die Öffentlichkeit vor ihnen geschützt werden.

Die 52-Jährige, der die Tötung von vier Schwerstbehinderten vorgeworfen wird, befinde sich in einer anhaltenden schweren Krise, in der ohne intensive Behandlung weitere Gewalt gegen sich selbst und andere zu erwarten sei, sagte die Psychiatrie-Fachärztin am Donnerstag. Sie diagnostizierte bei der Angeklagten eine schwere emotionale Persönlichkeitsstörung aus dem Borderline-Bereich, begleitet von Medikamentenmissbrauch.

Die Gutachterin berichtete im Prozess am Donnerstag zudem von einer zweiten Persönlichkeit innerhalb der Angeklagten, die angab, Stimmen zu hören und ein "unsicheres Selbstbild" habe. Die Angeklagte soll ihr gegenüber in einem Gespräch in der Klinik gesagt haben: "So einen kranken Kopf könnte man doch nur auf den Müll schmeißen", so die Gutachterin. Die angeklagte Frau sei stark selbstmordgefährdet.

Die 52-Jährige hat sich im Prozess bislang nicht selbst zu den Vorwürfen geäußert.

Anklage wegen Mordes

Die ehemalige Pflegekraft, die viele Jahre in der diakonischen Einrichtung Oberlinhaus in Potsdam-Babelsberg arbeitete, ist wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Sie soll im April vier wehrlose Bewohner im Alter zwischen 31 und 56 Jahren mit einem Messer auf ihren Zimmern getötet haben. Eine 43 Jahre alte Bewohnerin überlebte nach einer Notoperation. Nach den Angaben eines Pathologen waren drei der Todesopfer vollständig und eines halbseitig gelähmt.

Mord wird laut Strafgesetzbuch mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestraft und kann frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Im Fall erheblich verminderter Schuldfähigkeit kann das Strafmaß verringert werden, die Mindeststrafe liegt dann bei drei Jahren.

Das Oberlinhaus ist mit rund 2.000 Beschäftigen einer der größten Arbeitgeber in Potsdam. Namensgeber ist der Pfarrer und Sozialreformer Johann Friedrich Oberlin (1740-1826).

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.12.2021, 09:00 Uhr

Nächster Artikel