Angst vor Klimawandel - "Damit die Zukunft meiner Tochter nicht ganz so schlimm wird"

Stürme, Hitze, Waldbrände: Die Folgen des Klimawandels sind auch in Berlin angekommen. Am meisten werden sie aber unsere Kinder und Enkelkinder zu spüren bekommen. Eine Mutter will das nicht hinnehmen. Von A.Stanislawski und F. Kracht
"Wie wird die Welt sein, wenn meine Tochter zum Beispiel 54 Jahre alt ist?" Diese Frage stellt sich Sofia Rodriguez. Sie wohnt in Berlin-Kreuzberg und hat eine vierjährige Tochter. Den beiden geht es gut. Ihre Tochter Minagua geht in die Kita und Rodriguez selbst hat einen guten Job. Doch die Sorge um den Klimawandel treibt sie um.
Sie geht davon aus, dass die bereits heute spürbaren Folgen der Klimakrise zunehmend stärker werden – und ihre Tochter in einem wesentlich trockeneren Berlin mit vielen Stürmen und Hitzewellen leben wird.
"Daran denke ich oft abends, wenn ich nicht schlafen kann", erzählt Rodriguez. Diese Situation mache sie traurig und den Auswirkungen des Klimawandels gegenüber fühle sie sich machtlos. Im Gespräch mit der Mutter fällt immer wieder ein Begriff: Angst.
Studie: 75 Prozent empfinden Zukunft als beängstigend
Mit diesem Gefühl ist Sofia Rodriguez nicht alleine. Ein interdisziplinäres Forscher:innen-Team verschiedener europäischer Universitäten hat vergangenes Jahr eine groß angelegte Studie durchgeführt [ssrn.com] - zur persönlichen Reaktion auf den Klimawandel. Dafür sind 10.000 Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren befragt worden – aus zehn verschiedenen Ländern, sowohl aus Europa als auch beispielsweise den USA und Brasilien.
Das Ergebnis: 75 Prozent der Befragten empfinden die Zukunft als beängstigend wegen des Klimawandels. 56 Prozent von ihnen denken sogar, dass die Menschheit "dem Untergang geweiht" sei. Aus diesem Urteil ziehen einige von ihnen drastische Konsequenzen: 40 Prozent der Befragten sind sich unschlüssig, ob sie überhaupt noch Kinder bekommen sollen.
Sofia Rodriguez hat diese Frage für sich schon mit einem Ja beantwortet. Ihre Tochter Minagua im Blick, sorgt sie sich nun darüber: Wie wird sich Berlin im Klimawandel verändern?
Berlin-Brandenburg Hotspot bei Hitze und Trockenheit
Zu dieser Frage forscht Peter Hofmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) seit Jahren. "Wenn man Deutschland betrachtet, gehört Berlin-Brandenburg zu der Region, die einen Hotspot darstellt, bezogen auf Hitze und Trockenheit", erläutert Hofmann.
Der Klimawandel zeige sich hier unter anderem durch eine zunehmende Hitze. Im Berlin der 1950er Jahre gab es im Schnitt fünf Tage, an denen es wärmer war als 30 Grad. Bis in die 2010er Jahre hat sich diese Zahl beinahe verdreifacht. Mehr heiße Tage gab es sonst nirgendwo [gdv.de] in Deutschland.
"Und die Extremjahre 2018 und 2019, die hatten sogar dreißig. Also ein ganzer Monat mit Tagen über 30 Grad. Und das ist im Prinzip das, was man in der Zukunft als normal erwartet", sagt Hofmann.
Berlin – klimaneutral bis 2045
Auch das Land Berlin arbeitet an seiner Klimabilanz und damit seinem Beitrag zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Der Senat hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu sein. Um das zu erreichen, gibt es unterschiedliche Maßnahmen wie die Solar-Pflicht für Dächer der öffentlichen Gebäude sowie die Begrünung von Flächen und Gebäuden. Außerdem soll die öffentliche Fahrzeugflotte CO2-frei werden.
Sofia Rodriguez geht all das nicht schnell genug. Für sie steht ein lebenswertes Berlin in der Zukunft ihrer Tochter im Fokus. Um sich dem Klimawandel und seinen Auswirkungen gegenüber weniger machtlos zu fühlen, geht sie auf die Straße.
Mutter Rodriguez nun im NGO-Bereich tätig
Sie engagiert sich bei "Parents for Future" Berlin und richtet ihre Forderungen an die Bundesregierung: Deutlich mehr Klimaschutz als bislang, um das Pariser 1,5-Grad Ziel einzuhalten.
Weil ihr das so wichtig ist, wechselte sie sogar den Job. "Ich habe meine ganze Karriere verändert und arbeite momentan hauptberuflich im Umwelt-Klima-NGO-Bereich", so Rodriguez. "Weil ich wirklich die meiste Zeit und Energie darin investieren will, zu machen was ich kann, damit die Zukunft meiner Tochter nicht ganz so schlimm wird."