Pilotprojekt in Berlin - Jarasch plant Einsatz von Salzlösung auf glatten Radwegen

Die Berliner Verkehrs- und Umweltsenatorin will, dass glatte Fahrradwege im Winter der Vergangenheit angehören - und zwar auf umweltfreundlichere Art und Weise. Dafür soll in einem Pilotprojekt Sole, eine Salzlösung, eingesetzt werden. Von Georg-Stefan Russew
Die Berliner Verkehrs- und Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) will auch im Winter sichere Radwege und möchte in einem Pilotversuch im Winterdienst testen, ob sich durch das Auftragen von Sole "Umweltschutz und Verkehrssicherheit zusammenbringen" ließe. Das erklärte die Grünen-Politikern am Samstag auf ihrem Twitter-Kanal.
Sole, eine wässrige Salzlösung, solle "bessere Räumungsleistungen [...] erreichen", so Jarasch. Schon am Dienstag will sie in der Senatsrunde einen entsprechenden Vorstoß präsentieren.
Streusalzverbot in Berlin
Zur Schnee- und Glättebeseitigung darf in Berlin kein Salz verwendet werden [berlin.de], da es Bäume und sonstige Vegetation schädigt. Nach dem Berliner Naturschutzgesetz ist die Verwendung von Streusalzen oder anderen Auftaumitteln auf Grundstücken verboten.
Ausnahmen gelten [gesetze.berlin.de] nur für die Berliner Stadtreinigung (BSR) auf bestimmten Fahrbahnen bei besonderer Glätte. Hier setzt das Unternehmen schon auf Feuchtsalz. Verstöße auf öffentlichem Straßenland werden vom Ordnungsamt aufgenommen und geahndet.
Zudem warnt das Umweltbundesamt (UBA) davor, dass das Salz in das Grundwasser gelangen und Pflanzen schädigen könne. "Da Grundwasser nur sehr langsam erneuert wird und unsere wichtigste Trinkwasserquelle darstellt, müssen chemische Beeinträchtigungen aber so weit technisch möglich vermieden werden", schreibt das Umweltbundesamt etwa auf seiner Webseite [umweltbundesamt.de]. Dem Verkehrssenat sei diese Rechtslage bekannt, schrieb Jaraschs Sprecher Jan Thomsen. Daher sei zunächst nur ein Pilotversuch geplant, der vom Pflanzenschutzamt der Senatsverwaltung begleitet und ausgewertet werde.
BSR zeigt sich aufgeschlossen
Die Berliner Stadtreinigung (BSR) zeigte sich Jaraschs Vorschlag gegenüber aufgeschlossen und antwortete auf Twitter, dass es bei der Glättebeseitigung auf Radwegen keine wirksamere Alternative zu Auftaumitteln gebe.
Die BSR, die in Berlin für den öffentlichen Winterdienst beispielsweise auf Fahrbahnen, Radstreifen und -wegen sowie Fußgängerüberwegen zuständig ist, führte unter Verweis auf Experten des Spitzenverbands der kommunalen Wirtschaft (VKU) an, dass abstumpfende Streustoffe - wie Splitt und Sand - nicht umweltfreundlicher seien, als geringe Mengen Sole.
Bereits Kleindosen von 10 oder 15 Gramm bringen Eis zum Tauen, heißt es auf der BSR-Webseite [bsr.de]. Sole hat auch eine bessere Haftung und Liegedauer auf der Fahrbahn sowie eben eine schnellere Tauwirkung. Es kann auch nicht vom Wind verfrachtet werden kann. Dagegen könne Splitt Reifen beschädigen; Sand sei besonders in Kurven wegen der zusätzlichen Rutschgefahr kritisch zu betrachten, hieß es.
Sole-Tests in Norddeutschland
So teste beispielsweise die mecklenburgische Stadt Neubrandenburg die Sole-Technik eines österreichischen Anbieters auf Radwegen. Die Flüssigkeit, die dort zum Einsatz komme, verfüge über eine Salzkonzentration von 23,8 Prozent. Eine Sprühtechnik verteile 40 Gramm Salz je Quadratmeter. In Hamburg setzt der Flughafen bei Gehwegen ebenfalls auf dieses System.
User sehen schädliche Folgen
Als Reaktion auf Jaraschs Vorschlag schrieben dagegen verschiedene Twitter-User, dass Salz eine "ganz schlechte Idee" für Radwege sei. Es greife nicht nur die Wurzeln der Straßenbäume an, sondern sei insbesondere gegenüber bei Fahrrädern häufig verwendetem Aluminium hoch korrosiv.
Sprecher Jan Thomsen erklärte ebenfalls auf Twitter, dass es im Pilotversuch gerade darum gehe, eine verträgliche Abwägung zu finden. "Im Übrigen ist Sole gerade weniger konzentriert als Streusalz und daher nicht das Gleiche", twitterte Thomsen weiter.
Andere User schrieben, dass es ein politisches Zeichen erster Güte wäre, wenn zuerst die Radwege und dann die Straßen geräumt würden. Schließlich hätten Autos vier Reifen und könnten nicht so ohne weiteres bei drei Stundenkilometer umkippen, schrieb beispielsweise ein Nutzer namens @berlin_radler.
BSR räumt mit Priorisierung
Die BSR räumt Fahrbahnen, Radwege, Haltestellen und Fußgängerüberwege - und zwar in einer bestimmten Rangfolge. Priorität haben laut BSR wichtige Fahrbahnen wie zum Beispiel die Stadtautobahn. Auch Radfahrstreifen und die Fußgängerüberwege stünden auf der Prioritätenliste.
Erst wenn diese geräumt und gestreut seien, kämen zum Beispiel die Nebenstraßen an die Reihe. Auf Nebenstraßen und auf Radwegen könne die BSR jedoch nur Schnee räumen, Glätte werde auf Radwegen - bislang - nicht beseitigt.