Nach Morden durch Pflegerin - Oberlinhaus kündigt Leiterin von Potsdamer Behinderten-Einrichtung

Do 13.01.22 | 12:51 Uhr
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Das Schaufenster neben dem Eingang zum Thusnelda von Saldern Haus. In der Einrichtung Oberlinhaus mit Wohnheim waren am Vortag vier Leichen und eine schwer verletzte Person gefunden worden. Das Thusnelda-von-Saldern-Haus gehört zum Komplex des Oberlinhauses. Eine Frau aus dem Thusnelda-von-Saldern-Haus in Potsdam-Babelsberg war nach Angaben des diakonischen Anbieters Oberlinhaus schwer verletzt worden. Quelle: dpa/S. Stache
Bild: dpa/Soeren Stache

Nachdem in einem Potsdamer Wohnheim für Behinderte vier Menschen von einer Pflegekraft ermordet wurden, hat die diakonische Einrichtung Oberlinhaus der Heimleiterin gekündigt.

Gegen diese Kündigung habe die Heimleiterin Klage eingereicht, bestätigte der Sprecher des Potsdamer Arbeitsgerichts, Robert Crumbach, am Donnerstag auf Anfrage. Die Güteverhandlung zu der Klage findet demnach am Freitag statt. Zuerst hatte die "Märkische Allgemeine" [MAZ+-Artikel] berichtet. Eine Sprecherin des Oberlinhauses wollte sich mit Verweis auf den Datenschutz auf Anfrage zunächst nicht dazu äußern.

Auch verurteilte Pflegekraft klagt gegen Kündigung

In dem Wohnheim der diakonischen Einrichtung Oberlinhaus hatte eine Pflegehelferin Ende April vier Bewohner getötet und eine Bewohnerin schwer verletzt. Die 52-Jährige, die viele Jahre dort gearbeitet hatte, war im Dezember vom Landgericht Potsdam wegen vierfachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Außerdem ordnete das Gericht die Einweisung der Frau in die Psychiatrie an. Nach dem Urteil beging sie die Tat wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung im Zustand erheblich verminderter Schuld.

In dem Prozess hatten der Anwalt der Angeklagten und mehrere Kolleginnen schwere Vorwürfe gegen die Heimleitung erhoben – unter anderem wegen Überlastung der Belegschaft. Das Oberlinhaus hat inzwischen angekündigt, eine Expertenkommission einzusetzen, um die Arbeitsbedingungen und seinen Einrichtungen zu verbessern.

Auch die 52-Jährige klagt vor dem Potsdamer Arbeitsgericht gegen ihre Kündigung durch das Oberlinhaus. Darüber will das Arbeitsgericht Anfang Februar entscheiden, es wollte zunächst den Ausgang des Strafverfahrens abwarten.

Sendung: Antenne Brandenburg, 13.01.2022, 12:30 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Wegen den nicht beachteten Überlastungsanzeigen und den Missständen besteht ja der Kündigungsschutzprozess der Pflegerin. Das Urteil im Strafprozess fiel ja vergleichsweise milde aus, weil die Überlastung in den Gutachten beachtet wurde. Selbst wenn sie Beschäftigungsverbot bekommt, was wahrscheinlich wäre, wäre sie nicht schon nahe dem Rentenalter, kann sie beim Arbeitsgericht auf eine Abfindung vom Oberlinhaus auf das vergangene Arbeitsverhältnis klagen.

  2. 10.

    Sehe ich genauso. Jeder Arbeitnehmer, der Diebstahl begeht muss gehen. Und bei Mord? Da ist ja die schwere Persönlichkeitsstörung wieder zum tragen gekommen mit der Kläger!

  3. 9.

    Zum Glück gibt es in Deutschland eine funktionierende Rechtssprechung. Mit Ihrem Kommentar stellen Sie die Urteilsfindung des Richters und die Gutachten der Sachverständigen in Frage. Diese Tat ist grausam und durch nichts wieder gut zu machen. Aber es bleiben Fragen offen, warum hat das Oberlinhaus nicht auf Überlastungsanzeigen reagiert? Warum wird die Heimleiterin entlassen, wenn doch seitens des Oberlinhauses alles in Ordnung war? Die entscheidende Frage ist, ob der bisher vom Gesetzgeber vorgegebene Betreuungsschlüssel zur Pflege von Schwer-und Schwerstbehinderten geändert werden muss? Leider beginnen die Überlegungen dazu erst nach so einer entsetzlichen Tat. Für mich haben die Angestellten im medizinischen und Pflegebereich mehr als ein Applaus verdient, und das nicht nur während der Corona Zeit. Von meiner Seite haben sie den größten Respekt und Wertschätzung. Und für angemessene Bedingungen zu sorgen ist Aufgabe der Politik.

  4. 8.

    In einem Kündigungsschutzprozess geht es oftmals nicht um Weiterbeschäftigung, sondern um eine Abfindung. Soweit ich mich erinnere stand in vorigen Artikeln, dass der Ehemann den Prozess beim AG angestrengt hat, um eine Abfindung zu erwirken.

  5. 7.

    Das rührt dann - weil ausnahmslos alle pflegerischen Einrichtungen von diesem Personalschlüssel betroffen sind - an die Umgangskultur, die in diesem Land oder in dieser Geografie herrscht. Es gibt Teile Europas, da ist das anders. Ich denke bspw. an Skandinavien.

    Es liegt an jedem einzelnen Menschen, an der Veränderung dieser Umgangskultur mitzuwirken. Das ist keineswegs abstrakt, sondern sehr konkret.

  6. 6.

    Es mag gefühlsmäßig befremdlich erscheinen, jedoch ist die Gewaltenteilung ein hohes Gut. Kurz gesagt: Es gibt keine juristische Gleichschaltung, dass derjenige Mensch, der verurteilt worden ist, auch weitere darüberhinausgehende Rechte verliert, die über den Gefängnisaufenthalt hinausgehen.

    Das Problem ist m. E., dass einschlägige Charaktere, Zusammenschlüsse und Rechtsanwälte diesen Umstand ausnutzen, sodass es oftmals zu einem faktischen Hinterherhecheln der Opfer in Abstand zu den Tätern kommt. Doch das ist nicht grundsätzlich so.

    In diesem Fall würde ich die Angeklagte nicht irgendeiner Vereinigung zurechnen. Sie ist Privatperson, die schlichtweg versagt hat. Und sie hat sich in Strukturen befunden, die in diesem Fall dies Versagen noch begünstigt haben. Ihr mehr anzulasten als geboten erscheint, zeugt deshalb eher von einem Rachegedanken und davon, die Uhr zurückdrehen zu wollen, um das Ganze allein in der Phantasie rückgängig zu machen.

  7. 5.

    Ja, ist irgendwie paradox, diese Klage zuzulassen, zumal diese Mörderin ohnehin nie wieder in einem Beruf im sozialen und Pflegebereich arbeiten darf, da dort ein polizeiliches Führungszeugnis zwingend erforderlich ist. Und (mehrfacher) Mord dürfte da imo auch nicht gelöscht werden.
    "Nach dem Urteil beging sie die Tat wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung im Zustand erheblich verminderter Schuld." Mir erscheint auch die verminderte Schuldfähigkeit fragwürdig. Die Strafe ist zu mild. Die "Schwere der Schuld" hätte festgestellt werden müssen - auch und gerade weil die Opfer als Behinderte arg- und wehrlos waren.

  8. 4.

    Wenn man im Oberlinhaus schon beginnt aufzuräumen; dann sollte man auch ein oder zwei Etagen weiter nach oben schauen. Den Personalschlüssel und die finanziellen Mittel beschließt nicht die Leiterin dieser Einrichtung. Aber…… so kann man ja zumindest sich selbst einreden, dass man etwas getan hat.

  9. 3.

    Da wird also der Heimleiterin gekündigt, so als ob diese von den Taten gewußt hatte. Für das Pflegesystem kann sie auch nicht´s, aber so ist es natürlich für das Oberlinhaus am einfachsten.

  10. 1.

    Eine wegen Mordes an ihren Patienten verurteilte Angestellte klagt gegen ihre Kündigung?! Die Person ist doch voraussichtlich für die nächsten 15 Jahre gar nicht in der Lage zur Arbeit zu gehen. Ich dachte unsere Justiz ist überlastet. Muss man solche Klagen zulassen? Aus meiner Sicht hätte mit dem strafrechtlichen Urteil auch gleichzeitig ein Berufsverbot ausgesprochen werden sollen.

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