rbb|24-Datenauswertung zu 2021 - Weniger Fahrräder auf Berlins Straßen - der Trend geht dennoch nach oben

Berlin zählt an ausgewählten Punkten in der Stadt den Radverkehr. Und der ist im letzten Jahr leicht zurückgegangen. Insgesamt aber zeigt der Trend nach oben. Denn der Rückgang könnte an Corona liegen - aber auch an anderen äußeren Umständen.
Der Radverkehr an den offiziellen Radzählstellen [berlin.de] in Berlin hat 2021 im Vergleich zum Vorjahr abgenommen. rbb|24 hat dazu die Daten der offiziellen Radzählstellen ausgewertet, die auch schon im Vorjahr in Betrieb waren. Insgesamt wurden hier 10,5 Prozent weniger Fahrräder als 2020 gezählt. Die Berliner Zeitung hatte bereits über das Thema berichtet.
Der längerfristige Vergleich mit den Vorjahren zeigt jedoch: Die Anzahl der gezählten Räder lag in der Summe 2021 immer noch jeweils über den Jahren 2016 bis 2019.
Bei der Bewertung muss berücksichtigt werden, dass wie auch 2019 schon, der Radverkehr nach Angaben der zuständigen Senatsverwaltung durch Baustellen teilweise nur eingeschränkt gezählt wurde (Mariendorfer Damm, Paul-und-Paula-Uferweg, Breitenbachplatz). Außerdem gibt es seit 2021 auf der Straße des 17. Juni eine neue Zählstelle, die nicht mit in die Auswertung eingeflossen ist.
"Die Jahre 2020 und 2021 waren Ausnahmejahre", so die Einschätzung von Felix Creutzig mit Blick auf Corona. Creutzig forscht am Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) zum Thema Mobilität in Städten. "Der langfristige Trend geht nach oben. Also die Gesamtentwicklung ist, dass der Radverkehr weiter zunimmt."
Knapp ein Drittel im Home-Office
Gründe für den Rückgang im vergangenen Jahr sind nicht eindeutig zu bennen. Es gibt aber mehrere Faktoren, die dazu beigetragen haben könnten.
Einer könnte sein, dass auch 2021 viele zumindest teilweise im Homeoffice gearbeitet haben. Ein Bericht von Infas und vom IFO-Institut schätzt auf Basis von Befragungen, dass in Berlin etwa 31 Prozent der Beschäftigten im ersten Halbjahr 2021 zumindest teilweise zu Hause gearbeitet haben. Dabei dürften auch einige gewesen sein, die normalerweise mit dem Rad zur Arbeit fahren.
Hier lohnt ein Blick auf einzelne Zählstellen. An fünf der 16 Zählstellen, die seit 2016 aktiv sind, wurden 2021 weniger Räder als im Durchschnitt der fünf Jahre davor gezählt. Weniger los war zum Beispiel an der Jannowitzbrücke, also eine der Pendlerstrecken zwischen Mitte und Kreuzberg. 2021 wurden hier gut 270.000 Fahrräder weniger als im Schnitt gezählt. Auch am Paul-und-Paula-Uferweg an der Rummelsburger Bucht wurden etwa 82.000 Fahrräder weniger gezählt, als im Schnitt der Vorjahre.
Was außerdem auffällt: In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres - einhergehend mit den zwischenzeitlichen Corona-Lockerungen - sind wiederum mehr Menschen mit U-Bahn, Bus und Straßenbahn gefahren. So lag die Nachfrage der BVG in den Monaten August bis Dezember 2021 über denen dieser Monate im Jahr 2020.
Der Einfluss der Wettervorhersagen
War es also vielleicht das Wetter, das die Menschen in diesen Monaten vom Rad in die Bahn trieb? Für Mobilitätsforscher Creutzig gehört das Fahrrad für viele immer mehr zur täglichen Infrastruktur. "Wenn man sich erst einmal darauf festgefahren hat, bleibt man bei dabei", so Creutzig. "Viele Schönwetterradfahrer werden Ganzjahresradfahrer."
Die Forschung seines Kollegen Jan Wessel von der Uni-Münster zeichnet noch ein etwas anderers Bild. Der Mobilitätsforscher hat die Auswirkungen von Wettervorhersagen auf Fahrradfahrer untersucht. Eine Erkenntnis ist: "Falsche Regenvorhersagen können die Anzahl der Radfahrer um circa 3,6 Prozenz reduzieren, selbst wenn es eigentlich gar nicht regnet."
Für den Weg zur Arbeit hat das dann noch weitere Folgen: "Wenn zum Beispiel für die Morgenstunden Regen vorhergesagt ist, sinkt sogar die Anzahl der Radfahrer in Mittags- und Nachmittagsstunden, für die kein Regen vorhergesagt wurde." Also wer morgens wegen schlechter Wettervorhersage mit Bus oder Bahn zur Arbeit fährt, fährt natürlich auch nicht mit dem Rad zurück - und kann dann auch von keiner Zählstelle erfasst werden.
Sendung: Abendschau, 31.01.2022, 19:30 Uhr