Überprüfung ausgezahlter Corona-Hilfen - Rückzahlungs-Schock für Brandenburger Kleinunternehmer

Viele Brandenburger Kleinunternehmer müssen einen Teil ihrer Corona-Soforthilfen zurückzahlen. Die Opposition wirft der Regierung vor, schlecht kommuniziert und die Unternehmer dadurch in die Misere gebracht zu haben. Von Oliver Soos
Mary Schreiber ist der Schock noch deutlich anzumerken. Die Inhaberin des Bekleidungsladens "Mary’s Naturmode" in Eberswalde ist eine der rund 63.000 Brandenburger Unternehmerinnen und Unternehmer, die im März 2020 die ersten Corona-Soforthilfen beantragt hatten. Nun wurden die Unternehmer angeschrieben und aufgefordert, das Geld, das sie zu viel bekommen haben, zurückzuzahlen. Schreiber ist allerdings der Ansicht, dass sie nicht zu viel bekommen hat. Sie hat alles bereits ausgegeben.
"Ich konnte nicht mehr zahlen"
Schreiber erzählt, dass die Not im März 2020 groß war. Damals sei sie froh gewesen, dass es losging mit den Corona-Soforthilfen. 9.000 Euro gab es in ihrem Fall für die ersten drei Monate. "Der Lockdown kam von heute auf morgen und es waren noch Rechnungen offen: Wareneingang, Strom, der Lohn für meine Mitarbeiterin auf Minijob-Basis. Ich konnte nicht mehr zahlen", erzählt Schreiber.
Die Ladenbesitzerin hat den Förderbescheid, als er freigeschaltet wurde, sofort ausgedruckt, ausgefüllt und abgeschickt. Wie viele andere Unternehmer hat sie dabei einen Absatz in der Förderrichtlinie nicht so interpretiert, wie es das Brandenburger Wirtschaftsministerium offenbar vorgesehen hatte. In der Richtlinie stand, dass der Antragsberechtigte versichern muss, dass er in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei, "weil die fortlaufenden Einnahmen nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (beispielsweise gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen."
Kosten für Personal und den eigenen Lebensunterhalt wurden nicht gefördert
Die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) fordert nun die Antragsteller auf, eine Abrechnung zu machen, für was sie das Fördergeld verwendet haben. Dabei seien nur laufende Betriebskosten Teil der Förderung. Wer das Geld auch für Personalkosten und für den eigenen Lebensunterhalt ausgegeben hat, der muss den entsprechenden Betrag zurückzahlen.
Mike Marschke, Leiter des Kreisverbands Ostbrandenburg im Bundesverband mittelständische Wirtschaft, sieht das Versäumnis bei der Landesregierung. "Der Fokus war ganz klar auf den entstandenen Schaden durch die Pandemie und den Lockdown gerichtet. In der Richtlinie gab es keinen direkten Verwendungszweck für das Geld", sagt Marschke. Erst kurze Zeit später, als Brandenburg die Richtlinie des Bundes übernommen hatte, sei klar geworden, für was das Fördergeld verwendet werden darf, so Marschke.
Kritik am Brandenburger Wirtschaftsministerium
Kritik kommt auch von der Opposition im Brandenburger Landtag. Der wirtschaftspolitische Sprecher von BVB/Freie Wähler, Philip Zeschmann, sagt, dass seine Fraktion bereits im April 2020 auf das Problem aufmerksam gemacht habe. "Wir haben damals schon gesagt: ihr könnt nicht den Leuten versprechen, dass ihr ihnen helft und dann sagen: Ätsch Bätsch, stimmt alles gar nicht. Leider waren weder Wirtschaftsminister Steinbach noch die Koalitionsfraktionen bereit, dieses Problem zu lösen", sagt Zeschmann.
Ähnlich auch die Kritik des Brandenburger Linken-Fraktionschefs Sebastian Walter: "Das Richtlinienchaos ist selbst organisiert von der Landesregierung. Jetzt werden ohne Not Existenzen bedroht und Menschen verunsichert."
"Dann muss man mich eben ins Gefängnis stecken"
Mary Schreiber sagt, sie habe irgendwie geahnt, dass sie von den 9.000 Euro Soforthilfe etwas zurückzahlen muss und habe deshalb extra nochmal nachgefragt. "Ich dachte mir, man bekommt ja nichts geschenkt. Aber es hieß, dass es sich um eine Soforthilfe handelt, die nicht zurückgezahlt werden muss", sagt Schreiber. Wieviel sie zurückzahlen muss, habe sie noch nicht ausgerechnet. Die Rückzahlungsaufforderung, die sie per Brief vor drei Wochen bekommen hat, sei immer noch wie ein Schock für sie.
"Ich kann mir das persönlich nicht leisten, etwas zurückzuzahlen – von was? Vor einer Woche wurde erst die 2G-Regel aufgehoben. Wir haben immer noch große Umsatzeinbußen", sagt Schreiber. Sie habe schlaflose Nächte und einen Zusammenbruch erlitten. Doch nun gibt sie sich kämpferisch. "Ich möchte mein Geschäft nicht schließen und werde deshalb Widerspruch einlegen. Wenn es hart auf hart kommt, dann muss man mich eben ins Gefängnis stecken."
Minister Steinbach verteidigt die Rückforderungen
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) verteidigt die Rückforderungen durch die Landesinvestitionsbank ILB. Er räumt aber ein, dass die Hilfen schnell ausgezahlt wurden und dass nicht alle ausreichend informiert waren. "Damals ist ein bisschen die Aufmerksamkeit verloren gegangen. Die Voraussetzung für die Auszahlung der Hilfe war eine Selbsteinschätzung. Dass dann Vater Staat, der mit Steuergeldern umgehen muss, irgendwann kommt und sagt: ‚bitte überprüfe mal, ob deine Schätzung eingetroffen ist‘ - das ist ein völlig legitimer Vorgang", sagt Steinbach.
Der Minister weist die Vorwürfe zurück, dass falsche Förderversprechungen gemacht wurden. "Es gilt, was schwarz auf weiss dasteht. Zu sagen: ‚naja, was nicht explizit erwähnt worden ist, wird wohl auch gefördert werden‘ – das ist, glaube ich, eine mutige Interpretation und ich glaube diejenigen, die das so gemacht haben, die wissen das auch selbst."
"Wir wollen nicht die ganz große Belastung für die Unternehmer"
Steinbach verspricht, zumindest bei den Rückzahlungsfristen den Betroffenen entgegenzukommen. Die ILB biete Stundungen und Ratenzahlungen an. "Wir wollen nicht die ganz große Belastung für die Unternehmer", sagt Steinbach.
Linke und Freie Wähler im Brandenburger Landtag wollen Druck machen, dass die Landesregierung auf die Rückzahlungsforderungen verzichtet, ähnlich wie es in Bayern gehandhabt wurde.
Sendung: Brandenburg aktuell, 14.02.22, 19:30 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 15.02.2022 um 20:59 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.