Studie von Krankenkasse - Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Depressionen deutlich gestiegen

Depression ist eine Diagnose, die seit dem Beginn der Pandemie öfter Kindern und Jugendlichen ausgestellt wird. Auch Alkoholmissbrauch und krankhaftes Übergewicht wurden in Berlin und Brandenburg häufiger festgestellt, zeigt eine Studie.
Während der Corona-Pandemie ist die Zahl der neu an Depressionen erkrankten Kinder und Jugendlichenin Berlin und Brandenburg deutlich gestiegen. Das zeigen Zahlen der Krankenkasse DAK-Gesundheit, die am Mittwoch veröffentlicht werden.
In Berlin sei besonders auffällig, dass im ersten Pandemiejahr 2020 bei den 15- bis 17-Jährigen über 17 Prozent mehr Jugendliche als im Vorjahr erstmals mit einer Depression behandelt worden. Bei den Fünf- bis Neunjährigen blieben die Zahlen konstant, bei den Zehn- bis 14-Jährigen gab es demnach hingegen einen leichten Rückgang.
In Brandenburg wurden im selben Jahr rund ein Drittel mehr Mädchen und Jungen erstmals mit einer Depression ärztlich behandelt als im Vorjahr. Besonders betroffen waren Kinder zwischen zehn und 14 Jahren. Bei den Zehn- bis 14-Jährigen war es demnach ein Plus von 33 Prozent, bei den Fünf- bis Neunjährigen von 30 Prozent. Unverändert blieb die Neuerkrankungsquote bei Jugendlichen zwischen 15 und 17.
Daten von mehr als 80.000 versicherte Kindern und Jugendlichen
Der "Kinder- und Jugendreport" der DAK basiert den Angaben zufolge auf Abrechnungsdaten von mehr als 41.000 Kindern und Jugendlichen aus Berlin und rund 40.000 aus Brandenburg, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden demnach die Jahre 2019 und 2020. Der Report basiere damit auf Daten von etwa sieben Prozent (Berlin), beziehungsweise zehn Prozent (Brandenburg) aller Kinder und Jugendlichen in den jeweiligen Bundesländern. Hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung sei die Studie repräsentativ, hieß es.
Kinder- und Jugendpsychologin rechnet mit hoher Dunkelziffer
"Das überrascht mich gar nicht", sagte Julia Asbrand, Kinder- und Jugendpsychologin an der Humboldt-Universität zu Berlin mit Blick auf die Zunahme der Depressionen bei Jugendlichen. In ihrem Berufsalltag erlebe sie einen Anstieg der psychischen Erkrankungen bei jungen Menschen. "Da ist ein erhöhter Bedarf in den letzten Jahren, der ständig ansteigt", erklärte sie der Nachrichtenagentur DPA. Dies nur auf Corona zu beziehen, halte sie für zu kurz gedacht. "Es gibt viele Themen, die die Jugendlichen stark umtreiben, die Klimakrise beispielsweise oder globale politische Konflikte."
Tatsächlich, so Asbrand, halte sie die Dunkelziffer bei psychischen Erkrankungen für hoch - auch, weil die Stigmatisierung immer noch ein "ganz großes Problem" in Deutschland sei. Die Expertin forderte mehr niedrigschwellige Angebote besonders in den Schulen - etwa den verstärkten Einsatz von Schulsozialarbeit und Schulpsychologen. "Da ist noch Luft nach oben, wir müssen ganz viel Aufklärung betreiben."
Alkoholmissbrauch drängendes Problem in Berlin
Den DAK-Daten zufolge ist 2020 in Berlin zudem der Anteil der 15- bis 17-Jährigen, die wegen Alkoholmissbrauchs in ärztlicher Behandlung waren, um zwölf Prozent gestiegen. Bundesweit zeigte sich ein entgegengesetzter Trend. Ärztlich behandelter Cannabis-Missbrauch in dieser Altersgruppe nahm sogar um 50 Prozent zu. Bei Adipositas-Erkrankungen war den Daten zufolge bei Kindern zwischen fünf und neun Jahren ein merkliches Plus von 21 Prozent zu verzeichnen.
Adipositas-Erkrankungen in Brandenburg deutlich angestiegen
In Brandenburg wurde 2020 ein deutliches Plus bei Adipositas-Neuerkrankungen besonders bei jüngeren Kindern verzeichnet: Bei Kindern im Grundschulalter zwischen fünf und neun Jahren war es ein Anstieg um 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig ging der Suchtmittelmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen zurück.
Detlef Reichel, Landeschef des Berufsverbandes der Kinderärzte/Jugendmedizin, zeigte sich mit Blick auf die DAK-Daten sehr besorgt davon, in welchem Ausmaß psychische und psychosomatische Störungen bei Kindern und Jugendlichen 2020 zugenommen hätten. Er gehe sogar davon aus, dass die Zahlen im Zuge der weiteren Pandemie noch gestiegen seien. Die aufgezeigten Konfliktfelder seien nicht erst durch Corona entstanden, betonte der Experte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Pandemie habe aber wie ein Brennglas gewirkt und diese Probleme noch verstärkt.
Besondere Sorge bereite ihm etwa auch die Entwicklung bei den Adipositas-Erkrankungen. "Wir sehen Kinder und Jugendliche, vor allem aber Kinder, die innerhalb eines Jahres 20 oder 30 Kilo zugenommen haben - zum Beispiel durch Bewegungsarmut und falsche Ernährung", erzählte er.
Sendung: Inforadio, 23.02.2022, 5:30 Uhr