"Zero-Waste"-Konzept - So will die Berliner Regierung Elektroschrott wiederbeleben

Fr 04.02.22 | 08:26 Uhr | Von Hans Ackermann
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Repair-Café (Quelle: BUND Berlin)
Audio: Inforadio | 27.01.2022 | Hans Ackermann | Bild: BUND Berlin

In Berlin landen pro Jahr rund 50.000 Tonnen Elektrogeräte auf dem Müll, viele davon durchaus noch funktionsfähig. Die Berliner Landesregierung will mit dem 2021 beschlossenen "Zero Waste" die Strategie ändern. Hans Ackermann erklärt das Konzept.

Der Motor läuft, aber das Messer der Küchenmaschine steht still: Mit diesem "Fall" habe ich mich beim "Repair Café Schöneberg" zum Online-Selbstversuch angemeldet. Zur verabredeten Zeit werde ich in den Chatraum gelassen, dort wartet schon Rüdiger Bittner auf dem Bildschirm.

Der ehrenamtliche Elektro-Experte schlägt vor, dass wir gemeinsam in das Innere der Maschine schauen. Ich richte dafür meine Webcam auf die Maschine aus, drehe dann unter den Augen des Experten vier Schrauben aus dem Gehäuseboden und finde wenig später im Inneren einen gebrochenen Antriebsriemen vor - so einfach geht das also mit dem Reparieren.

Hilfe zur Selbsthilfe im Reparatur-Café

Organisiert wird der Workshop von Daniel Affelt. Er ist Mitglied in der Umweltorganisation BUND und hat das Schöneberger Repair Café vor acht Jahren gegründet. "Hilfe zur Selbsthilfe" wolle man hier bieten. "Wir möchten Reparaturwissen an die Menschen weitergeben und freuen uns, wenn sie die Angst verlieren, mal in so ein Gerät hineinzuschauen", sagt Affelt.

Mutig in Küchenmaschinen und andere scheinbar defekte Geräte hineinzuschauen ist eine vorzügliche Möglichkeit, den Berg aus Elektroschrott zumindest ein Stück weit abzutragen. Weltweit türmen sich pro Jahr 50 Millionen Tonnen auf, ein Fünftel davon in der EU. Dort sieht Daniel Affelt durchaus positive Entwicklungen im Kampf gegen den Elektroschrott. Gerade hätten unsere französischen Nachbarn einen Reparatur-Index eingeführt, so Affelt. "Da erkennen die Konsumentinnen und Konsumenten anhand einer Kategorisierung zwischen 1 und 10 schon beim Kauf, wie gut sich ein Gerät später reparieren lässt." Ein solcher Index sei natürlich auch in Deutschland wünschenswert, ebenso sogenannte Reparaturprämien, wie sie etwa in Wien gezahlt werden.

"Gute Entwicklungen" sehe der Umweltschutzaktivist aber auch in Berlin, wo im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung jetzt ein Reparaturnetzwerk skizziert worden sei. "Das ist für uns eine ganz wichtige Sache, wenn so ein Netzwerk gegründet wird." Mit Beteiligung der Handwerkskammer, der Entsorgungswirtschaft und den ehrenamtlichen Initiativen werde die Reparaturbewegung damit "von allen Seiten" gestärkt.

Reparatur einer Küchenmaschine (Quelle: rbb/Hans Ackermann)
Die Reparatur der Küchenmaschine erwies sich als unkompliziert | Bild: rbb/Hans Ackermann

Mit Laptops fast zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen

Was auch dringend notwendig ist, denn in Berlin müssen pro Jahr immerhin rund 50.000 Tonnen Elektroschrott bewältigt werden. Wirtschaftlich betrachtet handelt es sich dabei um äußerst kostbaren Schrott, wie Benjamin Bongardt sagt. Er leitet das Referat "Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung" in der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz. "Wenn ich daran denke, welche Rohstoffe in Elektrogeräten verbaut sind und welcher CO2-Rucksack in solchen Geräten steckt, liegen die großen Umweltschutz-Potentiale bei den Elektrogeräten."

Den "CO2-Rucksack" verschiedener Produkte hat die Senatsverwaltung schon vor Jahren in einer Studie des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung berechnen lassen. Ergebnis: Verdoppelt man zum Beispiel die Lebensdauer eines Laptops mit einem neuen Akku und einer neuen Festplatte von drei auf sechs Jahre, spart diese Weiterverwendung die Hälfte des CO2-Äquivalents, das zur Herstellung eines neuen Geräts verbraucht würde.

Bezogen auf geschätzte 200.000 Laptops, die dann in Berlin pro Jahr weiterverwendet werden könnten, ließen sich auf diese Weise fast zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen.

Wiederverwenden oder Wiederverwerten

Trotz eindeutiger Zahlen ist die Wiederverwendungs-Quote von Elektrogeräten in Deutschland mit weniger als 5 Prozent aber nur gering. 95 Prozent der ausrangierten Elektrogeräte werden stattdessen zerlegt und verwertet. Wenn dabei die Gehäuse der Geräte und ihre Leiterplatten geschreddert werden, lassen sich zwar Ressourcen zurückgewinnen, gleichzeitig sind viele der eigentlich nur reparaturbedürftigen Geräte damit endgültig zerstört.

Besonders im Bereich der Computertechnik, meint Bongardt, könne man wesentlich höhere Wiederverwendungs-Quoten erreichen. "Unsere Erfahrung aus der öffentlichen Verwaltung ist, dass man durchaus bis zu 50 Prozent der Geräte einem 'Refurbishment' zuführen könnte - also Akku und Festplatte austauschen - und damit auch noch Geld sparen würde."

"Zero Waste" durch nachhaltige Kreislaufwirtschaft

Das Abfallproblem kann nach Meinung vieler Experten nur in einer konsequenten Kreislaufwirtschaft bewältigt werden. "Ein Kreislauf ist dann gegeben, wenn ein Produkt, das kaputt geht, nochmal repariert und weitergenutzt wird - oder wenigstens Teile davon in einer neuen Maschine verbaut werden können." Bongardt wünscht sich, dass damit der Nachhaltigkeits-Gedanke früherer Gesellschaften wiederbelebt wird. "Damit erreichen wir einerseits eine Schonung der natürlichen Ressourcen und tragen gleichzeitig etwas zum Klimaschutz bei."

Und nicht nur das: Durch Reparatur und Wiederverwendung entstehen auch Arbeitsplätze - Schätzungen zufolge in der Wiederverwendung dabei zehnmal mehr als in der Wiederverwertung. So hat etwa die Berliner Firma "Rebuy" mit ihren mehr als 500 Mitarbeitern im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben rund 180.000 wiederaufbereitete Smartphones in den Kreislauf zurückgebracht.

Müllvermeidung: Öko- oder Basis-Szenario?

Bis 2030, so Referatsleiter Bongardt, habe man sich mit der Berliner "Zero-Waste"-Strategie vorgenommen, den Abfall drastisch zu reduzieren. Bongardt betont, dass das "Zero Waste"-Leitbild aber nicht nur für "alte Radios", sondern für den gesamten Abfall der Stadt gelte, ingesamt mehrere Millionen Tonnen jährlich. Diese unvorstellbare Menge möchte der Senat bis 2030 drastisch reduzieren, mit einer Reihe von Maßnahmen, die im 2021 beschlossenen "Abfallwirtschaftskonzept" des Senats auf rund 160 Seiten beschrieben werden.

In diesem Konzept geht die Senatsverwaltung allerdings von zwei unterschiedlichen Szenarien aus: ein "Öko-Szenario", bei dem sich zwei Drittel der Berliner Bevölkerung aktiv an der Müllvermeidung beteiligen, und ein "Basis-Szenario", bei dem nur ein etwa ein Drittel mitmacht. Welche dieser beiden "Müllprognosen" wahr wird und wie nah das "Zero-Waste-Konzept" im Jahr 2030 dann tatsächlich an das "Null-Abfall"-Ziel herankommt, entscheiden am Ende also allein die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Verhalten, meint Referatsleiter Bongardt. "Wenn mehr mitmachen, umso besser, dann erreichen wir das Öko-Szenario aus dem Abfallwirtschaftskonzept. Wenn weniger mitmachen, erreichen wir nur die Zahlen des Basis-Szenarios."

Sendung: Kulturradio, 31.01.2022, 06:24 Uhr

Beitrag von Hans Ackermann

30 Kommentare

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  1. 30.

    Falsch: wenn es bezahlbar reparabel wäre, würde sich mancher nichts neues kaufen! Außerdem wird vieles, was "erneuert" wurde, noch weitergegeben, verkauft oder verschenkt. Nicht alle in einen Topf werfen, bitte!

  2. 28.

    kann man z. B. spenden, ich hab das hier mal gemacht:
    https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/aktionen-und-projekte/handysammlung/index.html
    funktioniert super, man bekommt sogar das Porto!

  3. 27.

    Möglichkeiten wären z.B.:
    "Abgeschrieben, aussortiert und weggestellt. Funktionieren aber noch: Laptops, Computer oder Tablets. Genau die werden dringend gebraucht – von Schülerinnen und Schülern, die keinen eigenen Rechner haben. Gemeinsam mit Partnern, Unterstützern und Spendern sorgen wir dafür, dass sie einen bekommen. Damit am Ende alle einen haben."
    https://heyalter.com/berlin/
    oder bei
    "Computertruhe e. V. Computer für bedürftige Menschen und gemeinnützige Organisationen" https://computertruhe.de/

  4. 26.

    "Genau so wie ich jetzt gelesen habe, dass die Akkus in Smartphones nur noch fest verbaut werden sollen! " Ach ja? Das gibt es schon seit Jahren!

  5. 25.

    Ja, die lieben Druckerchen .... Epson oder Canon?
    https://www.tintencenter.com/blog/wechsel-des-resttintentanks-funktion-und-notwendigkeit/

    #tinten saugschwamm wechseln
    Geht nich' gibts nich'.

  6. 24.

    Ja, die alten Dell sind wirklich ein Knaller. Meiner ist Baujahr 2005, leicht "geboostert", zweiter Akku und rennt mit Knoppix (vormals XP und Win7) super. Nur - es ist halt mit 4 KG ein "Schlepptop".

  7. 23.

    Ich hätte einiges abzugeben an PC, tablet,Handys, kann es nicht mehr nutzen, alterswegen. Wo kann ich was hingeben?

  8. 22.

    So ist es. Und die Geräte sind um des Verdienens willen (Profit) so konzipiert, dass sie schwer anpassbar sind.
    Wie lange wollen wir uns den Verbrauch noch leisten? Genau so wie ich jetzt gelesen habe, dass die Akkus in Smartphones nur noch fest verbaut werden sollen! Wo bleibt da die Verantwortung der Industrie zum Umweltschutz? Wenn man sich das von den kleinen Usern finanzieren lassen will. Dabei sind die Smartphones wie PC nicht mehr wegzudenken. Doch müssen Grenzen gesetzt werden, sicher hat der Verbraucher da auch eine "Achse dran". Aber die sog. Neuheiten/Moden sind schon deprimierend, weil es das ältere nicht mehr zu erwerben gibt. Obwohl ich glaube, dass ältere OS gar nicht so schlecht waren. Neue OS mit immer mehr Speicherhunger, das ist kein Fortschritt, das ist Nötigung. Genau so, wie voreingestellt ist, dass zuerst der interne Speicher volläuft. Mühsam ist dann die Umstellung. Ich habe Zweifel, dass es da wirklich Fortschritte geben wird. Per se nur Konsum, furchtbar...

  9. 21.

    Habe das Gleiche gedacht. Mein privater Laptop ist immer noch funktionstüchtig, obwohl ich ihn schon im Juni 2015 gekauft habe. Alles funktioniert noch, keine Probleme. Für meine Zwecke reicht er vollkommen und ich wüsste nicht, warum ich mir etwas Neues kaufen sollte - und schon garnicht alle 3 Jahre!

  10. 20.

    Ja genau, da ist mir die ARD kürzlich negativ aufgefallen.
    Vor 2 Jahren FM im Kabel abgeschaltet, musste ich mir extra einen DVB-C Empfänger kaufen. Und nun ändert die ARD den Codec. Zum Glück hab ich ein kostenpflichtiges Update gefunden. War aber kurz davor das Teil zu entsorgen.
    Klangqualität ist immer noch nicht besser als damals FM. Nur hab ich eine Kiste mehr und den Stromverbrauch, den die ARD spart.

  11. 19.

    Geräte werden extra so gebaut, dass Reparaturen schwer bis unmöglich sind. Beispielsweise sind sie mit Schrauben geschlossen, die rein-, aber nicht rausgedreht werden können, oder mit Plastikhaken, die abbrechen. Ersatzteile sind oft teurer als Neugeräte. Sowas gehört sanktioniert. Man kann nicht immer alle Verantwortung auf die Verbraucher abwälzen.

  12. 18.

    Lenovo Thinkpads.
    Leider auch nicht mehr das was sie mal waren. Beim privaten funktionierte der Treiber fürs Touchpad von Anfang nicht sehr stabil. Über den Touchscreen kriegt man die Büchse aber wieder neu gestartet. Das schärfste ist nun aber das Microsoft mir das Update auf Win11 verwehrt. Ich brauch den Quatsch nicht, solange Win10 noch aktualisiert wird. Angeblich wegen Rechenleistung. Die Consumergeräte meiner Tochter oder Mutter mit weniger PS unter der Haube bekommen es.

  13. 17.

    In der IT ist das mäßig machbar.
    Drucker, die nach 5000 Seiten den Dienst einstellen (Meldung: Wartung notwendig) konnte man noch lange Zeit über eine Reset wieder zum Laufen bekommen. Der letzte Fall war aber ein Drucker, der nach 5000 Seiten den Dienst einstellte mit der Meldung, dass der Tintenschwamm voll war (jeder Tintenstrahldrucker hat irgendwo ein Auffangschwamm für überschüssige Tinte). Der Brüller war, dass der Schwamm gar keinen Sensor hatte und der Seitenzähler (rein zufällig) bei 5000 stand. Reset ging nur mit Kennwort, welches ich nur vom Hersteller erfahren hätte oder womöglich in unangenehmen Ecken des Internets gefunden hätte. Neuer Drucker war günstiger als zu Wartung einschicken.
    Neuerdings hatte ich aber auch schon Festplatten mit Stundenzähler. Da hilft dann nicht mal mehr ein RAID System, wenn man gleiche Festplatten gleichzeitig einbaut(was Standard ist). Die sind nämlich gleichzeitig ausgefallen auf einen Unternehmensserver. Daten waren kaputt.

  14. 16.

    Das stimmt so nur teilweise, denn gerade bei teuren Großgeräten ist eine Reparatur schlicht zu teuer oder gleich gar nicht mehr möglich, weil es keine Ersatzteile mehr gibt. Bestes Beispiel sind nicht mal 5 Jahre alte Tintenstrahldrucker, die nicht repariert werden können, weil das Tintensaugschwämmchen nicht ausgetauscht werden kann - ein Cent-Artikel!
    Hier ist die EU gefragt, endlich die Verbraucher zu schützen. Wir brauchen einfach nur ein Recht auf Reparatur für z.B. 10 Jahre (je nach Art des Gerätes), verbunden mit einer Deckelung des Preises dafür. Sonst kostet die Reparatur wieder so viel wie ein Neugerät und lohnt sich für den Verbraucher nicht. Das sind gewollte Abwehrkonditionen, die abgeschafft gehören.
    Eine Wiederverwertung von Elektroschrott könnte man recht einfach über die gelbe Tonne erreichen. Heute muss man es extra zum Wertstoffhof oder in ein großes Geschäft bringen, also landet vieles im Hausmüll. Der Inhalt der gelben Tonne wird dagegen ohnehin sortiert.

  15. 15.

    Ja, und es sind vor allem die jungen Leute, die jeden Tag ,,Rettet das Klima" brüllen, die immer das neueste Gerät usw. haben müssen. Manchmal genügt es einen Schalter oder ein Kabel zu erneuern, was wenige Euro kostet und etwas handwerkliches Geschick. Aber das ist ja zuviel verlangt.

  16. 14.

    Viele Menschen wollen doch gar nicht reparieren, die wollen nur das Neueste, und somit sind sie an Wiederverwertung nicht interessiert.

  17. 13.

    Dell! Unser Laptop ist schon steinalt und läuft unter Ubuntu und nicht Microsoft, das ist viel zu aufgebläht.

  18. 12.

    Viele dieser "Hersteller" lassen schon seit Jahren solchen potenziellen Elektroschrott in Fernost fertigen und haben nur noch ihre Logistik und etwas Verwaltung hier im Land. Es gab und gibt aber auch Hersteller, die hochwertige Technik und auch Ersatzteile liefern.
    Für viele Ossis war die Wende diesbezüglich eine Art "Rückschritt". Reparatur war stets die kostengünstigere Methode und Geräte wurden so konzipiert, dass sie repariert werden konnten.
    Nach 30 Jahren kommt man wieder dort hin...

  19. 11.

    Gerade auf dem Computersektor machen meist die Computer nicht schlapp, sondern die nichtversorgurg des Betriebsysstems mit Sicherheitsupdates einfach einen Neukauf, noetig. Computer kann man bis zu einenem gewissen Rahmen aufruesten, aber der Sprung zum nächsten Betriebssystem ist meist schwierig. Man hatte sich an win 10 gewöhnt, wie zuvor an Xp und Win7, Jetzt kommt Win 11 und der Computer kann mal wieder, spaetestens in 2.5 Jahren, ausgemustert werden, obwohl voll funktionstüchtig. Keine Sicherheitsupdates für den Privaten.

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