Interview | Meteorologe zur Wetterlage - "Wir haben nicht nur ein Tief, sondern eine Art Sturm-Marathon"
Was sich derzeit draußen an Sturm abspielt, wird so schnell nicht aufhören. Denn es ziehen gerade mehrere Sturmtiefs von Westen heran. Das liegt an einem Starkwindband, das um die Erde weht, wie Meteorologe Carsten Brandt im Interview erklärt.
rbb|24: Seit Mittwoch gibt es eine Unwetterwarnung für die Region. Es gibt schon jede Menge umgestürzte Bäume, der Fernverkehr ist teils eingeschränkt, die Kinder müssen nicht in die Schulen. Berlin und Brandenburg scheinen jedoch bislang glimpflich davongekommen zu sein. Wie heftig war denn der Sturm bisher?
Carsten Brandt: Bisher ist das ein "normaler" Frühjahrs-Sturm. Das haben wir häufiger. Etwa alle drei bis fünf Jahre gibt es solche Stürme.
Und was kommt da noch auf uns zu?
Was noch kommt, ist das Besondere. Nämlich, dass wir nicht nur ein Tief haben, sondern eine Art Sturm-Marathon. Es wird jetzt eine ganze Reihe von Sturmtiefs von Westen her durchziehen. Das erste bringen wir, mit einzelnen Sturmböen in Berlin und Brandenburg, gerade noch hinter uns. Ab dem späten Donnerstagnachmittag wird es dann eine Wetterberuhigung geben.
Am Freitagfrüh könnte man sich fragen, ob es das schon war. Da könnte es sogar windstill werden. Aber dann kommt mit Zeynep das nächste schwere Sturmtief herein. Das wird dann morgen Nachmittag und Abend sehr sehr starken Wind mit extrem starken Böen bringen. Ich glaube, dass das das stärkere Sturmtief sein wird in Berlin und Brandenburg.
Wie entsteht eine so heftige Wetterlage?
Das ist ganz einfach zu erklären: Es werden die großen Temperaturunterschiede auf der Nordhalbkugel in Bewegungsenergie umgesetzt. Man muss sich das so vorstellen, dass das Temperaturgefälle zwischen den Tropen und den arktischen Gebieten, wenn es zu stark wird, dafür sorgt, dass ein Starkwindband um die Erde herumweht. Da bilden sich dann zu bestimmten Jahreszeiten, wenn die Temperaturunterschiede besonders groß sind, immer wieder einzelne Sturmtiefs heraus.
Meteorologische Vorhersagen scheinen ja oft nicht zu stimmen. Wie genau können Unwetterprognosen denn sein?
Bei Stürmen weiß man vorher eigentlich relativ gut, was wann passieren wird. Deshalb können wir auch jetzt schon sagen, was am Freitagnachmittag und am -abend passieren wird. Dass das ein starkes Sturmfeld wird, kann man sehr genau vorhersagen. Das ist bei Starkregen beispielsweise anders, denn der ist meist sehr lokal.
Solche Stürme wie jetzt sind extrem selten. Deshalb können sich häufig nicht einmal die Meteorologen vorstellen, wie schlimm das Ganze werden kann. Zudem sind die Auswirkungen auf die Gesellschaft immer sehr komplex, das kennen wir ja auch aus der Coronaphase. Halten sich die Menschen an die Warnungen, dann passiert relativ wenig. Da kommt viel zusammen. Es ist beispielsweise auch wichtig, um welche Uhrzeit so ein Sturm durchzieht. Ein Frühsturm, wie wir ihn jetzt haben, ist möglicherweise gefährlicher, als wenn ein Sturm in der Nacht durchzieht. Mithilfe der Warnungen versucht man möglichst viele Menschen vor Schaden zu bewahren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führten Tom Böttcher und Marco Seiffert, Radioeins
Sendung: Radioeins, 17.02.2022, 07:35 Uhr