Berliner Landgericht - Angeklagte vom Vorwurf des Drogenhandels mit Cannabis-Produkten freigesprochen

Das Berliner Landgericht hat fünf Männer vom Vorwurf des bandenmäßigen Drogenhandels freigesprochen. Diese hatten über eine Firma Cannabis-Produkte verkauft. Dass die Waren auf Umwegen einen Rausch auslösen, hätten sie nicht wissen können, urteilten die Richter. Von Ulf Morling
"Die Kultmarke aus dem Späti" sollte es werden - so zumindest nannten drei Firmenbetreiber ihr Start-up für Rauchprodukte mit dem (juristisch umstrittenen) Wirkstoff Cannabidiol aus der Hanfpflanze. Von Oktober 2018 bis Februar 2019 vertrieb die Firma mit Sitz in Kreuzberg die Produkte über Spätverkaufsstellen und das Internet.
Allerdings nur ein paar Monate - dann stand juristischer Ärger ins Haus. Als das Zollamt kiloweise Lieferungen an die Berliner Firma aus der Schweiz und Belgien kontrollierte, wurde die Berliner Staatsanwaltschaft aktiv.
Zwar hatte die Kreuzberger Firma versichert, dass ihre Rauchwaren einen Wirkstoffgehalt von unter 0,2 Prozent habe und sie sich deshalb nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG) nicht strafbar machten. Doch nach einer höchstrichterlichen Entscheidung vom letzten Jahr ist das nur bedingt richtig.
Zwar lehnte die 34. Kammer des Berliner Landgerichts die Eröffnung des Verfahrens ab, doch über das Kammergericht erreichte die Staatsanwaltschaft, dass der Fall doch verhandelt werden musste.
Am Mittwoch wurden die drei Firmengründer und zwei ihrer Teilhaber nun vom Vorwurf des bandenmäßigen Drogenhandels freigesprochen.
"Die Staatsanwaltschaft klebt an der Anklage"
Der Vorsitzende Richter der 34. Großen Strafkammer, Manfred Seiffe, rüffelte die Staatsanwaltschaft in der Urteilsbegründung. Die Erhebung der Vorwürfe sei völlig in Ordnung gewesen. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im letzten Jahr habe man allerdings an der Anklage geklebt, "statt vernünftige Strafverfolgung möglich zu machen".
Die Richter seien konsterniert, denn die Staatsanwaltschaft verfolge zwar die kleine Kreuzberger Firma der Angeklagten, aber nicht Konzerne wie Lidl, DM oder Tankstellen, die ebenso Produkte mit Cannabidiol (CBD) in ihren Sortiment führten. Nach dem Legalitätsprinzip müssten doch aber alle dann verfolgt werden mit dem Vorwurf des bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels, stellte Richter Seiffe fest.
Dürfen Hanftees und Haschischbrownies in Deutschland gehandelt werden?
Am 24. März 2021 hatte der Bundesgerichtshof in einem ähnlichen Fall zu entscheiden. Dort ging es allerdings nicht um Hanfblüten mit einem geringen THC-Gehalt unter 0,2 Prozent, die per Späti oder Internetshop zum Rauchen vertrieben wurden, sondern um Hanfblütentee, der von zwei angeklagten Geschäftspartnern vertrieben wurde. Das Landgericht Braunschweig verurteilte die Angeklagten zu sieben beziehungsweise neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Die höchstrichterliche Entscheidung des BGH zu diesem Fall gab den niedersächsischen Richtern in der Sache, und damit der Verurteilung, recht: Zwar habe der angebotene Tee zuerst viele Voraussetzungen erfüllt, um die Angeklagten nicht wegen Drogenhandels zu verfolgen, denn die Rohstoffe würden "aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut" stammen oder "ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol (habe) 0,2 Prozent nicht überstiegen", um "einen Missbrauch zu Rauschzwecken aus(zu)schließen".
Aber, so die Richter weiter: Ein Gutachter habe im Braunschweiger Prozess mit dem als Tee angebotenen Produkt Plätzchen gebacken (obwohl der Hanf als Tee vertrieben wurde), so sei "beim Verzehr eines unter Verwendung des Tees hergestellten Gebäcks ('Brownie') ein Cannabisrausch zu erzeugen". Damit ist die Möglichkeit eines Missbrauchs zu Rauschzwecken belegt und der objektive Tatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfüllt. Ein Rausch sei nicht gänzlich ausgeschlossen - wie das Gesetz es vorschreibe.
Freispruch in Berlin vom bandenmäßigen Drogenhandel
In Berlin wies daher das Kammergericht also die 34. Große Strafkammer des Landgerichts an, den Fall der drei Kreuzberger Rauchwaren-Händler und der zwei mitangeklagten Geldgeber zu verhandeln - entgegen ihrer Sicht, aber wegen der Entscheidung des BGH in Sachen Hanfblütentee. Doch die fünf Richter unter dem Vorsitzenden Manfred Seiffe hatten den Fall schon nach wenigen Prozesstagen ausverhandelt. Während die Staatsanwaltschaft Haftstrafen von bis zu drei Jahren forderte, sprachen die Richter die Angeklagten frei. Die Kammer könne keinen subjetkiven Tatvorsatz feststellen. Selbst Fahrlässigkeit könne man den Angeklagten nicht unterstellen, denn unter anderem sei es doch viel billiger, Cannabis zu konsumieren, statt Tee oder Rauchwaren aus dem Wirkstoff CBD.
Alle fünf Angeklagten - von der Fachkraft für Sicherheit über einen Verwaltungskaufmann bis zu einem Ingenieur - hatten in ihren Aussagen beteuert, immer davon ausgegangen zu sein, dass ihre angebotenen Hanfprodukte den gesetzlich zulässigen Grenzen entsprächen. Verteidiger Peter Zuriel sagte dem rbb: "Der Unternehmer hat sich sogar Gutachten in der Schweiz eingeholt und war der festen Überzeugung, dass das legal ist, dass also ein Rausch ausgeschlossen ist." In der Akte gebe es sogar ein Gutachten des Berliner Landeskriminalamts (LKA), so Zuriel weiter. Der dortige Gutachter habe sich so ausgedrückt, dass ein Rausch beim Genuss der in Berlin gehandelten Produkte eher unwahrscheinlich sei. "Nur der Bäckermeister der Brownies kommt eben zu einer anderen Meinung."
Bernauer Jugendrichter wendet sich ans Bundesverfassungsgericht
Bereits im Frühjahr 2020 hatte der Bernauer Jugendrichter Andreas Müller sich an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gewandt: Jeder Erwachsene habe das Grundrecht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit nach Artikel 2 des Grundgesetzes.
Das hieße, dass jeder und jede ein "Recht auf Rausch" hätte. Er schrieb weiter, dass die unterschiedliche Behandlung von Cannabis und Alkohol "als grob willkürlich betrachtet werden" müsse. Zudem gibt es mehrere Normenkontrollanträge von bundesdeutschen Gerichten, die die Behandlung von angeklagten Rauschgiftdelikten mit Hanf betreffen.
Koalition will zukünftig Hanf straffrei behandeln
Mit Beginn des Strafverfahrens gaben die fünf angeklagten Männer das Geschäftsmodell ihrer Kreuzberger Kultmarke auf. Nach dem Versuch, nicht berauschendes Cannabis als Rauchwaren unter die Kund:innen zu bringen, wird ab April der nächste Testballon von zweien der Angeklagten gestartet: Sie wollen in einem Laden Donuts verkaufen, allerdings mutmaßlich ohne Anteile von Hanfpflanzen im Teig.
Die Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag derweil angekündigt, eine "kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einzuführen. Das genaue Prozedere und ein Zeitrahmen dazu ist noch unbekannt.
Das Gericht stellte in seinem Urteil allerdings mehrfach klar, dass der Gebrauch von Cannabis zum Berauschen "stark gesundheitsgefährdend" sei wie auch andere Drogen. Bei 30 Prozent der Konsument:innen würde nach wissenschaftlichen Untersuchungen beispielsweise eine Schizophrenie ausgelöst. Der Konsum der Droge bleibe gefährlich, auch wenn die Bundesregierung es für vertretbar hielte, so der Vorsitzende Richter.
Sendung: rbb 88,8, 30.03.2022, 17:00 Uhr