Interview | Kostenlose Behandlung von Geflüchteten - "Die Länder müssen mit der Registrierung der Geflüchteten hinterherkommen"

Di 08.03.22 | 12:17 Uhr
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Ein Mann in einem Arztpraxis. (Quelle: dpa/Robert Michael)
Audio: Inforadio | 08.03.2022 | Interview mit Burkhard Rupert | Bild: dpa-Symbolbild/Robert Michael

Mehr als 500 Berliner Praxen haben sich bereiterklärt, Geflüchtete aus der Ukraine kostenlos zu behandeln. Ein starkes Signal sagt Burkhard Ruppert, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. Er sieht aber auch noch Regelungsbedarf.

Die Mehrzahl der Ärzte und Psychotherapeuten, die Geflüchtete kostenlos behandeln, bieten das in ihren Praxisräumen an. Einige hätten sich bereiterklärt, auch in Geflüchtetenunterkünften Menschen medizinisch und psychologisch zu behandeln oder zu betreuen. Burkhard Ruppert ist Vorstand der KV und dazu mit rbb|24 im Interview.

rbb: Die KV hat diese Umfrage unter Ärztinnen und Ärzten erst vor ein paar Tagen gestartet. Haben Sie damit gerechnet, dass so viele mitmachen?

Burkhard Rupert: Nein, wir sind schon ziemlich beeindruckt und das muss man wirklich auch sein. Dass sich in so kurzer Zeit über 500 Praxen gemeldet haben, die bereit sind, geflüchtete Menschen aus der Ukraine kostenfrei medizinisch zu behandeln, ist schon ein starkes Signal der Vertragsärzteschaft. Ich persönlich bin wirklich sehr, sehr dankbar dafür, dass sich diese Ärzte und Psychotherapeuten so geäußert haben und so hilfsbereit sind. Auch unsere KV-Notdienstpraxen und auch der fahrende Bereitschaftsdienst haben sich bereiterklärt, im akuten Notfall kostenlos die Patienten zu betreuen.

Zur Person

Burkhard Ruppert, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
dpa/Christoph Soeder

Burkhard Ruppert ist Vorstand der Berliner Kassenärztlichen Vereinigung KV und niedergelassener Kinder- und Jugendarzt.

Was werden denn die Geflüchteten vor allem medizinisch brauchen? Womit rechnen Sie?

Wir haben schon beobachtet, dass in den vergangenen Tagen vor allen Dingen viele Frauen und Kinder gekommen sind, die erst einmal ziemlich durch den Wind und fertig sind. Die brauchen erstmal Ruhe. Aber wir sehen natürlich auch viele ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen, wir sehen Schwangere, die betreut werden müssen. Wir sehen aber auch Menschen, die die Medikamente benötigen oder eine Dialysemöglichkeit suchen. Im Prinzip geht es um eine hausärztliche ambulante Versorgung, aber auch um eine fachärztliche ambulante Versorgung. Natürlich wissen wir nicht, welche Belastungen diese Menschen in ihrer Heimat oder auf der Flucht erfahren haben. Das wird sich erst mit der Zeit zeigen, denke ich. Aber umso mehr Menschen aus der Ukraine fliehen und je brutaler das Kriegsgeschehen dort wird, desto mehr müssen wir damit rechnen, dass Menschen kommen, die deutlich stärker verletzt am Körper und deutlich stärker traumatisiert an der Seele sind.

Für diese Menschen gibt es kostenfreie Behandlung. Wer bezahlt das dann am Ende? Wie läuft das?

Die Ärzte verzichten zunächst mal auf ihr Honorar. Das heißt, solange kein geregelter Versicherungsschutz da ist, werden diese Geflüchteten honorarfrei behandelt. Mittlerweile haben sich auch viele Labore bei uns gemeldet, die auch bereit sind für diese Zeit, bis das Ganze geregelt wird, auf ihr Honorar zu verzichten. Da gibt es eine große Hilfsbereitschaft von allen möglichen Seiten. Und das ist zunächst mal eine schnelle, pragmatische Herangehensweise.

Diese Herangehensweise wird dann in ein System überführt werden müssen. Wo kann man sich jetzt informieren, welche Praxen da mitmachen?

Bei uns auf der KV-Homepage sind die Praxen [www.kv-berlin.de] abgebildet, mit Telefonnummern und E-Mail-Adressen. Was es jetzt braucht: Die Geflüchteten müssen sich registrieren lassen können. Das ist entscheidend. Für eine gesetzliche Regelung braucht es eine Registrierung und danach wird man dieses als das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz greifen, das dann die Kostenübernahme weiter regelt. Auf diese Registrierungsmöglichkeit warten wir dringend.

Man hat sich darauf geeinigt, dass die Menschen aus der Ukraine als Kriegsflüchtlinge gelten und nicht als Asylbewerber. Aber das wäre dann dasselbe, die würden sich dann in diesem Sinne registrieren lassen können?

Ja, so ist jedenfalls unser Erkenntnisstand. Das heißt, nachdem die Europäische Union die Richtlinie zum Status Kriegsflüchtlinge erlassen hat, greift das Aufenthaltsgesetz Paragraf 24 und damit das Asylbewerber-Leistungsgesetz. Damit wird das Ganze geregelt, auch wenn sich das jetzt sehr formal anhört.

Wir hören immer wieder, dass viele Menschen, die aus der Ukraine kommen, nicht geimpft sind gegen Corona. Wie gehen Sie damit um?

Auch für die Frage der Impfungen brauchen wir die Registrierungsmöglichkeit, an dieser Frage hängt es gerade ein bisschen. Denn wir müssen irgendwohin melden und vermerken, wen wir impfen. Denn die Menschen sind nicht nur gegen Corona nicht ausreichend geimpft. Es geht auch um Polio zum Beispiel, oder Masern. Es ist keine gute Durchimpfung vorhanden. Daher ist es jetzt ganz wichtig, dass die Länder mit der Registrierung der Geflüchteten hinterherkommen, sodass wir dann unsere Arbeit machen können.

Das Interview mit Burkhard Rupert führte Angela Ulrich für Inforadio. Dieser Text ist eine gekürzte und redigierte Version des Gesprächs, das Sie oben im Beitrag als Audio hören können.

Sendung: Inforadio, 08.03.2022, 08:47 Uhr

3 Kommentare

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  1. 3.

    die Ukrainer konnten auch vor dem Krieg ohne Probleme in EU-Nachbarländer einreisen . Die Mehrzahl oder fast alle Kriegsflüchtlinge wollen wieder in ihre Heimat nach Kriegsende, also hoffentlich bald . Polen hat zB. schon lange vor Kriegsbeginn sehr viele Unkrainer aufgenommen, vermutlich aus dem Donbass ?? , die aber in Polen alle einer Arbeit nachgehen.

  2. 2.

    wie ist die Versorgung mit Medikamenten geregelt ?

  3. 1.

    Das erinnert mich an die chaotischen Zustande nach 2015, wo wir bis heute nicht wissen wann wer in unser Land einreiste.
    Aber, wie hieß das schon damals? "Wir schaffen das"!

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