Modernes Bauen - Berlin will großflächig das Regenwasser besser nutzen

So 20.03.22 | 14:04 Uhr | Von Franziska Ritter
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Blick auf Wasserbecken in Schwammstadt-Projekt in Grünau (Quelle: BUWOG)
Blick auf begrüntes Wasserbecken im Quartier 52° Nord in Grünau | Bild: BUWOG

Berlin leidet zunehmend unter Trockenheit. Geht Starkregen über der Hauptstadt nieder, kommt es schnell zu Überschwemmungen. Um sich für den Klimawandel zu wappnen, soll die Metropole zur "Schwammstadt" werden. Von Franziska Ritter

Eine Neubausiedlung in Berlin: Wenn es über den Häusern des Quartiers 52° Nord in Grünau regnet, fließt das Wasser nicht einfach in die Kanalisation. Es versickert in Mulden, verdunstet auf begrünten Dächern und läuft in ein 6.000 Quadratmeter großes Wasserbecken, das der Blickfang der Anlage ist. Das bis zu 80 Zentimeter tiefe Bassin fängt über unterirdische Rohre das Niederschlagswasser auf, das auf die Dächer der angrenzenden Gebäude und die versiegelten Flächen fällt.

"Wir brauchen Regenwasser, um die Vegetation zu versorgen und damit über die Verdunstung die Stadt gekühlt wird", erläutert Darla Nickel, während sie den Gehweg am Rande des Wasserbeckens entlang spaziert. Die Hydrologin leitet die Berliner Regenwasseragentur, die der Senat und die Wasserbetriebe 2018 gegründet haben, um Grundstückseigentümer und Investoren in der Bauplanung zu beraten.

Regenwasser soll vor Ort bleiben

Regenwasser ist eine Ressource, die in Zeiten des Klimawandels immer knapper wird. Um sie zu schonen, soll Berlin zu einer so genannten "Schwammstadt" werden. "Das bedeutet, das Regenwasser verbleibt vor Ort und wird vor Ort bewirtschaftet", sagt die Hydrologin Nickel. Seit 2018 müssen Bauvorhaben in der Hauptstadt so geplant werden, dass möglichst kein Regenwasser in die Kanalisation oder Gewässer gelangt. Es muss also weitgehend auf den Grundstücken versickern, verdunsten, genutzt oder gespeichert werden.

Unterbecken in Schwammstadt-Projekt in Grünau (Quelle: BUWOG)
Unterbecken im Quartier 52° Nord in Grünau | Bild: BUWOG

Damit will Berlin auch verhindern, dass es nach Starkregen zu Überflutungen kommt. "Wir haben in der Vergangenheit gedacht, wir leiten das Wasser einfach aus der Stadt heraus, dann haben wir trotz Regenwetter trockene Straßen", erläutert die Leiterin der Berliner Regenwasseragentur. "Das war das ein Trugschluss, denn wir können die Systeme nicht so groß bauen, dass sie so viel Wasser aufnehmen."

Was erschwerend hinzu kommt: Innerhalb des Berliner S-Bahnrings gibt es eine Mischkanalisation, wie es typisch für Stadtteile ist, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Das heißt, Regenwasser und Fäkalien landen in einem Kanal. Läuft die Kanalisation über, gelangt dieses Gemisch in Havel oder Spree und wird zu einer Gefahr für Mensch und Natur.

Regenwasserbecken noch eine Seltenheit

In der Vorzeigesiedlung 52° Nord in Grünau, die direkt an die Dahme grenzt, kann das nicht passieren. Sollte tatsächlich einmal mehr Regen fallen, als die begrünten Dächer, Vorgärten, Mulden und Rückhaltebecken aufnehmen können, würde das Wasser vom Bassin in die angrenzende Dahme überlaufen. Mit dem Abwasser der Bewohner kommt es aber nicht in Kontakt.

Die BUWOG Bauträger GmbH, die das zum Teil noch im Bau befindliche zehn Hektar große Quartier realisiert, hat in Grünau zum ersten Mal ein Regenwasserbecken in dieser Größenordnung errichten lassen. "Das war sehr aufwendig. Wir brauchten eine Menge Genehmigungen", räumt Eva Weiß rückblickend ein. In den Sommermonaten wälzen zwei Pumpenanlagen das Regenwasser um. Das Ufer ist mit Schilf bestanden, das das Wasser filtert. Zusätzlich sind biologische Substratfilter eingebaut.

Trockenbecken in Schwammstadt-Projekt in Grünau (Quelle: Franziska Ritter/rbb)
Hydrologin Darla Nickel im Trockenbecken | Bild: Franziska Ritter/rbb

Becken muss gereinigt werden

Forscher der Technischen Universität Berlin überprüfen regelmäßig die Wasserqualität des Beckens, das seit 2017 in Betrieb ist. "Wir haben tatsächlich auch ein Entenpärchen, die die ersten Bewohner des Quartiers waren, kaum dass das Wasser zum ersten Mal in dieses Becken geflossen ist", erzählt die BUWOG-Geschäftsführerin. "So schön es ist, Fischschwärme in diesem Regenwasserbecken zu haben: Sie verschmutzen das Wasser und einiges davon lässt sich biologisch nicht mehr reinigen." Deshalb muss das Wasser hin und wieder abgelassen werden, um das Becken zu reinigen.

Zu DDR-Zeiten hat der VEB Berlin-Chemie auf dem Gelände in Grünau Arznei- und Pflanzenschutzmittel produziert. Nach der Wende wurde das Erdreich umfassend saniert, auf der Industriebrache entstand eine Vorzeigesiedlung. Im Sommer treffen sich Bewohner am Ufer des Wasserbeckens, spazieren auf den Gehwegen oder sitzen auf Bänken, Kinder spielen auf dem angrenzenden Wasserspielplatz. "Uns war wichtig, dass das hier ein lebenswertes Lebensumfeld wird und dadurch mussten wir auch eine Aufenthaltsqualität in dem Quartier schaffen. Das ist natürlich durch so ein erlebbares Wasserbecken wunderbar", betont BUWOG-Geschäftsführerin Eva Weiß.

Versickerungsmulden und Rigolen

Doch es braucht nicht immer solch aufwendige Maßnahmen, um Regenwasser vor Ort zu bewirtschaften. Eine unscheinbare, aber effektive Maßnahme sind Versickerungsmulden, wie sie auch in der Siedlung in Grünau zu finden sind. "Das ist einfach ein Graben, maximal 30 Zentimeter ausgemuldet", erklärt Darla Nickel. "Der Oberboden ist so zusammengesetzt, dass er möglichst viele Schadstoffe zurückhält. Das Wasser, das in den Unterboden oder vielleicht auch ins Grundwasser gelangt, ist sauber." Kombiniert man Mulden mit darunter liegenden Rigolen, die mit Kies oder anderen Materialien gefüllt sind, versickert das Regenwasser noch besser ins Erdreich.

Die Regenwasseragentur verweist auf Kostenstudien, wonach es bei Neubauvorhaben auch aus ökonomischen Überlegungen heraus sinnvoll sei, Regenwasser vor Ort zu bewirtschaften. Leiten Grundstückseigentümer nämlich kein Regenwasser in die Kanalisation ein, brauchen sie auch keine Niederschlagswassergebühr zu zahlen. Sie beträgt in Berlin immerhin 1,809 Euro pro Quadratmeter entwässerte Grundfläche pro Jahr.

Beitrag von Franziska Ritter

25 Kommentare

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  1. 25.

    Es fehlt ein Stadtarchitekt, der Blödsinn verhindern kann. Und es fehlt der Streit mit den Betroffenen. Was es gibt, Behörden, die Wohnungen abrechnen wollen und alle vor vollendete Tatsachen stellt. Das führt zu Wohnungen in denen keiner wohnen will, wenn sich "das Blatt mal wendet", wenn die Lebensqualität heute keinen Wert mehr für .... hat. Es fehlt auch die Anpassung des Verwaltungsrechtes, so dass Behördenfehler summiert werden dürfen und dann nur einmal entschieden werden kann, damit es schneller geht und fast alle mitnimmt.

  2. 24.

    Die Beispiele sind ja ganz schön, wie vertraegt sich das aber mit der geforderten und teilweise auch schon vorgenommen Nachverdichtung von Wohnanlagen und eigentlich grünen Hinterhoefen. Man kann dann zwar die Nachbarn, aber nicht mehr Voegel oder Eichhorn auf kurze Entfernung sehen. Sie sitze quasi auf dem Frühstückstisch, dank prima Architektenleistung.
    0850,dem wars egal, hauptsache billig.
    Wir Altmieter mit noch preiswerten Verträgen für einige Zeit können uns ja auch was neues suchen.

  3. 23.

    Ergänzung und neuer Gedanke: Es gibt nicht DIE Lösung, aber mehrere. Regenwasservorhaltung, dass auch Starkregen berücksichtigt, ist für Städte eine Möglichkeit, mit dem Umland ins "Geschäft" zu kommen. Und für das Umland ist es schön, eine weitere sinnvolle Arbeit/Leistung zu erbringen (kann sogar Spaß und Anerkennung bringen), nämlich vorhalten, wie auch immer. Besser als zu entsiegeln, wo es nichts bringen kann.

  4. 22.

    Im Text heisst es: "Wir brauchen Regenwasser, um die Vegetation zu versorgen" - Vor allem brauchen wir Vegetation! Und dabei gilt: Jedes Fleckchen zählt! ++ Viel zu oft werden potenziell wunderbare Grünflächen im Auftrag von Hausverwaltungen oder Ämtern in graue Wüsten verwandelt, indem als Wildwuchs verachtete Pflanzen einfach ersatzlos entfernt werden. ++ Büsche und Bäume werden mit absurden Begründungen, z.B. Denkmalschutz, vernichtet. Als Ersatz für Jahrzehnte alte Bäume werden dann Bäumchen gepflanzt, die noch nicht mal angegossen werden, und es also oft nicht schaffen. > Das Resultat sind leere, graue Flächen, aus denen Wasser sofort verdunstet, und die sich im Sommer stark aufheizen und stauben. ++ => Bevor wir also von aufwändigen künstlichen Baumaßnahmen sprechen, brauchen wir für ein besseres Stadtklima eine naturnahe Pflege von Grünflächen! Entsprechende Vorgaben bietet das 'Handbuch gute Pflege' des Senats seit 2016. Die Ämter müssen sie nun endlich einfach mal umsetzen.

  5. 21.

    Es gibt ja bessere Lösungen, man muss es nur machen."
    Evtl. sollte man in die Berliner Landesverfassung schreiben das, bevor die Verwaltung eine Entscheidung trifft , der Rat von mindestens drölf Internet-Forenexperten einzuholen ist.

  6. 20.

    Logisch denken können andere ja auch und Zusammenhänge erfassen - aber wer lamentiert, sollte es wirklich versuchen besser zu machen und sich, wie ich schrub, bei den entsprechenden Adressen bewerben und sich einbringen. Deshalb: nicht reden - machen!
    Oder bringen Sie Ihre Vorschläge über Petitionen und Bürgerbeteiligungen bei den Bezirksparlamenten ein - das geht über den sogenannten Bürgerantrag oder eine Bürgerbeschwerde - denn letztgenenanntere MUSS bearbeitet und der Bürger über das Ergebnis informiert werden. Es gibt soviele Möglichkeiten - nutzen Sie diese gerne :-)

  7. 19.

    Es gibt ja bessere Lösungen, man muss es nur machen. Beton ist ja alleine vom Material her nicht optimal, weil bei der Herstellung u.a. jede Menge Sand, Wasser verbraucht wird. Deswegen schrieb ich von Versickerungsmassnahmen oder Ableiten auf Grünflächen, damit das Wasser auch die Böden bzw. obere Grundwasserschichten versorgt. Für unser Trinkwasser reicht dieses Wasser nicht, weil das Trinkwasser aus 100 Metern Tiefe gefördert wird. Dafür muss ich mich nicht bei Behörden bewerben, sondern nur logisch denken.

  8. 18.

    Bewerben Sie sich bei den Behörden oder einschlägig tätigen Firmen und machen es einfach besser.

  9. 17.

    Recht hamse.
    Das Naturgedöns wird eh überschätzt und Wasser kommt in Plastikflaschen aus Südfrankreich.

  10. 16.

    Was noch schlimmer ist: die ganzen Vögel, die sich dann sammeln und die Mücken als Nahrung haben, sich ansiedeln, für Nachwuchs sorgen und die Luft mit ihren Tönen verzaubern.
    Sie haben ja so recht: die Natur ist schon doof in einer schönen großen, noch zu versiegelten Betonstadt.

  11. 15.

    Am Potsdamer Platz wird das doch auch so gemacht und es passt sich gut ins Stadtbild ein. Komisch das man das am Leipziger Platz (ebenfalls Neubau) nicht machen musste. Hier wurde alles verdichtet und zugebaut. Nur ein wenig Grünfläche ist vorhanden.

  12. 14.

    Biosubstrat ist kein Synonym für Beton, kann aber auch die Natur nicht vollumfänglich nachbilden. Deshalb muss das Becken dann doch durch den Menschen gereinigt werden.

  13. 13.

    Stichwort: externalisierte Kosten. Diese durch Steuern und Gebühren geeignet einzupreisen ist die Hauptaufgabe des Staates in der Marktwirtschaft.

  14. 12.

    Mir sind zeitweise Mücken sehr viel lieber als ausgetrocknete Teiche. Das Insektensterben mit den fatalen Folgen für die Nahrungsketten der Vögel beispielsweise kann so lokal abgemildert werden!

  15. 11.

    Mücken finden sie im Sommer an praktisch jedem halbwegs schattigen, feuchten Ort. Nach ihrer Logik müssten wir auch jeden Wald abholzen und jeden Teich trockenlegen^^

  16. 10.

    Schöne Idee oder sagen wir Anlegen, wobei ich die Lösung mit dem Betonbecken jetzt auch nicht so schön finde. Kleine Teiche oder "Wassergräben" zwischen Straße und Fußgängerweg (z.B. in Adlershof auf dem WISTA-Gelände anzutreffen) erscheinen mir da sinnvoller.

  17. 9.

    Schön, die ganzen Mückenbrutplätze, die da geschaffen werden. Mit dem Klimawandel sind dann auch bald tropische Krankheiten hier endemisch.

  18. 8.

    Die Formulierung war etwas ungünstig gewählt, weil Markt etwas in die Irre führt.
    Ableitung von Regenwasser erfolgt schließlich über Gebühren, die kommunal festgelegt oder bestätigt werden.
    Also Gebühren hoch und es rechnet sich eher über Rückhaltung nachzudenken.
    Haken dabei böse Vermieter legen das einfach um und tun einen Teufel, ähnlich wie bei Heizungen.
    Wieviele böse Vermieter es z.b. in Berlin gibt weiß ich nicht.
    Grundsätzlich reichen die Gebühren für Regenwasserableitung meist geradeso für den Erhalt der Systeme, aber kaum für innovative öffentliche Investitionen. Ohne Förderung oder alternative Finanzierung geht also kaum etwas.

  19. 7.

    Ihnen ist schon klar, wie widersprüchlich Ihr Kommentar ist, oder? In einem sich selbst regulierenden Markt werden keine Preise diktiert geschweige denn angezogen…

  20. 6.

    Um das zu verstehen sollte man eine Fachkraft sein. Vorschläge werden nicht um sonst in die Tonnen gehauen. Danke für Ihren Kommentar. Der geht aber in der Sensationshasche unter. MfG.

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