Tag der Arbeit in Berlin - Weniger Randale bei "Revolutionärer 1. Mai"-Demo durch Neukölln und Kreuzberg
Mehr Mitbestimmung, gerechtere Verteilung von Reichtum: Der 1. Mai war in Berlin gewohnt politisch. Die Regierende Bürgermeisterin musste eine Rede abbrechen. Am Abend kam es bei der "Revolutionären 1. Mai"-Demo zeitweise zu Aggressionen.
Bei der sogenannten "Revolutionären 1. Mai"-Demonstration ist es am Sonntagabend in Berlin-Kreuzberg zu Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Polizei berichtete auf Twitter von Flaschenwürfen und "Angriffen durch Pyro, Schläge und Tritte Richtung der Polizeikräfte aus Teilen der Demo". Auch ein Müllcontainer und ein Auto brannten demnach.
Die Polizei setzte Reizgas ein. Mehrere Personen wurden nach Beobachtungen von rbb-Reportern auf dem Kreuzberger Oranienplatz festgenommen. Kurz zuvor hatte der Demonstrationszug dort sein Ziel erreicht. Die Polizei hatte den Platz abgeriegelt, auch auf der Oranienstraße kam es zu dichtem Gedränge. Kurz nach 22 Uhr wurde die Demonstration beendet.
Die Polizei zeigte sich mit dem Einsatz zufrieden. Ein Gewaltpotential wie in den vergangenen Jahren habe es nicht gegeben, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz dem rbb. Die Polizei sprach später auf Twitter vom "Eindruck des friedlichsten #1mai seit Jahrzehnten in #Berlin". Nach vorläufigem Stand habe es 37 Festnahmen gegeben.
14.000 Demonstranten - darunter laut Polizei 500 gewaltbereite Teilnehmer
Die Demonstration unter dem Motto "Yallah Klassenkampf - No war but classwar!" führte vom Hertzbergplatz über die Sonnenallee in Neukölln und dem Kottbusser Tor in Kreuzberg bis zum Oranienplatz. Linke und linksradikale Gruppen hatten zu dem Protest aufgerufen.
Rund 14.000 Menschen beteiligten sich daran, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) dem rbb. Die Organisatoren sprachen von 20.000 Teilnehmern. Darunter waren nach Angaben von Polizeipräsidentin Barbara Slowik etwa 500 gewaltbereite Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem linksextremistischen Spektrum.
Die Straßen waren zum Teil abgesperrt, die Polizei mit vielen Mannschaftswagen an der Strecke postiert. Mehrfach wurde der Demonstrationszug gestoppt.
In der riesigen Menge schwenkten Teilnehmende Fahnen, Transparente waren zu sehen. Darunter auch pro-palästinensische und anti-israelische. Eine entsprechende Demonstration, die für Freitag geplant gewesen war, war von der Polizei wegen antisemitischer Parolen untersagt worden. Auch am Sonntag sollen wieder antisemitische Rufe zu hören gewesen sein.
Künftige Polizeiwache am Kottbusser Tor abgesichert
Vor dem Start wurden am Kottbusser Tor die Fenster der künftigen Polizeiwache, die an der Demo-Route liegt, mit Spanholzplatten und Gittern geschützt. Die Polizei befürchtet bei dem Protestzug dort Ausschreitungen.
Bereits am Samstag hatten dort nach Polizeiangaben etwa 200 Menschen gegen die für 2023 geplante Wache demonstriert. Dabei war es weitgehend friedlich geblieben.
Tausende bei DGB-Kundgebung - Giffey mit Eiern beworfen
Zuvor hatten sich bereits Tausende Menschen an mehreren Stellen in Berlin an Demonstrationen und Protesten beteiligt. Allein an einem Demonstrationszug des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Brandenburger Tor in Berlin nahmen am Vormittag mehrere Tausend Menschen teil, wie ein Polizeisprecher dem rbb sagte. Etwa 200 weitere Personen fuhren bei einem Fahrradkorso mit.
Am Brandenburger Tor fand am Mittag die Abschlusskundgebung statt. Dort sprachen unter anderem der DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Allerdings brach die SPD-Politikerin ihre Rede ab, nachdem sie aus der Menge mit Eiern beworfen worden war. Zuvor gab es aus der Menge heraus Buhrufe.
DGB-Chef Hoffmann: Keine Rüstung auf Kosten des sozialen Friedens
Hoffmann warnte in seiner Rede, dass der Krieg in der Ukraine genutzt werden könne, um den Rüstungshaushalt dauerhaft aufzustocken. Das Geld werde viel mehr für Zukunftsinvestitionen und für die Leistungsfähigkeit des Sozialstaats gebraucht, sagte er. Militärische Friedenssicherung dürfe nicht zulasten des sozialen Friedens erkauft werden.
Die Demonstrationen der Arbeitnehmerorganisationen sind die ersten größeren Kundgebungen nach rund zwei Jahren Pause infolge der Corona-Pandemie. Insgesamt waren für Sonntag rund 20 Demonstrationen in der Stadt angekündigt. Bis zum frühen Nachmittag verliefen alle Veranstaltungen laut Polizei friedlich.
Fahrradsternfahrt Richtung Grunewald - erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen
Fast parallel zum Demonstrationszug der Gewerkschaften startete am Morgen auch aus verschiedenen Richtungen eine Fahrradsternfahrt in Berlin. Aus fünf Richtungen (Wedding, Friedrichshain, Neukölln und zwei Gruppen aus Mitte) fuhren die Teilnehmer in den Stadtteil Grunewald, um dort gegen die aus ihrer Sicht unfaire Verteilung von Kapital zu demonstrieren. Etwa 4.000 Menschen beteiligten sich an dem Radkorso.
Als Motto der sogenannten Mygruni-Demo wurde "Die Grunewalder:innen abholen. Die Umverteilung auf die Kette kriegen" ausgegeben. Während der Sternfahrt kam es zu umfangreichen Verkehrsbeeinträchtigungen im gesamten Stadtgebiet, unter anderem in Mitte rund um den Rosenthaler- und den Alexanderplatz. Zwischenzeitlich war die A100 zwischen Hohenzollerndamm und Dreieck Neukölln in beiden Richtung voll gesperrt.
So beging Berlin den 1. Mai 2022
Mehrere Straßenfeste in Neukölln
In Neukölln fanden über den Tag hinweg darüber hinaus mehrere Straßenfeste statt. Im Zentrum stand dabei der Hermannplatz. Am Mittag begann dort ein großer Flohmarkt mit Street Food, danach fand dort Livemusik mit der Fujiama Nightclub Roadshow statt.
Rund um das Rathaus Neukölln gab es ein großes Kinder- und Familienfest. Ab 19 Uhr wurde zudem im Bereich Sonnenallee/Pannierstraße zum Ende des Ramadan ein gemeinsames Fastenbrechen begangen. Gesperrt wurden unter anderem die Karl-Marx-Straße im Bereich Rathaus Neukölln, der Hermannplatz inklusive des Kreuzungsbereiches Urbanstraße/Sonnenallee/Kottbusser Damm sowie die Sonnenallee zwischen Reuterstraße und Pannierstraße.
Die in Neukölln geplanten Feste hatten dazu geführt, dass die Route der "Revolutionären 1. Mai-Demo" geändert wurde. Die Feste waren vom Bezirk kurzfristig angemeldet worden. Die Polizei hatte die Route der Demo daraufhin verlegt, sodass der Hermannplatz nun nicht mehr zum offiziellen Verlauf gehört.

Auch in Brandenburg viele Kundgebungen
In Brandenburg sind die Kundgebungen von Parteien und Gewerkschaften zum Tag der Arbeit ohne Störungen geblieben.
Es seien keine größeren Vorkommnisse gemeldet worden, berichtete der Sprecher des Lagedienstes der Polizei am Sonntagnachmittag. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte in elf Städten zu Kundgebungen aufgerufen. Zudem hatte die AfD in Potsdam und Cottbus Kundgebungen veranstaltet. Zur Zahl der Teilnehmer machte die Polizei keine Angaben.
Der Landesverband der Volkssolidarität wies zum Tag der Arbeit auf den zunehmenden Bedarf an Fachkräften in der Pflege hin. Eine sehr hohe Arbeitsbelastung, atypische Arbeitszeiten und eine nicht entsprechende Bezahlung wirkten sich nachteilig auf die Entscheidung für einen sozialen Beruf aus, hieß es. Es müssten jetzt Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den künftigen Bedarf an Fachkräften im sozialen Bereich zu sichern.
Sendung: rbb24 Inforadio, 1. Mai 2022, 6:30 Uhr