Projekt in Berlin-Mitte - Radfahrende sollen aus autofreier Friedrichstraße verbannt werden

Do 28.04.22 | 17:49 Uhr
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Archivbild: Radfahrer auf der autofreien Friedrichstraße in Berlin Mitte. (Quelle: dpa/Joko)
Audio: rbb24 Inforadio | 28.04.2022 | Boris Hermel | Bild: dpa/Joko

Zuletzt hatte es viel Kritik am Projekt der autofreien Friedrichstraße in Berlin gegeben, die Opposition bezeichnete es als gescheitert. Nun geht die Verkehrsverwaltung noch einen Schritt weiter: Nach den Autos sollen nun auch Fahrräder weichen.

Im bereits für Autos gesperrten Abschnitt der Friedrichstraße in Berlin-Mitte soll nun auch das Radfahren unterbunden werden. Die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) will das 500 Meter lange Teilstück zwischen Leipziger und Französischer Straße künftig ausschließlich für den Fußverkehr vorbehalten. Das geht aus dem Zukunftskonzept für die Friedrichstraße hervor, das die Verkehrsverwaltung am Donnerstag gegenüber dem rbb bestätigte.

Danach soll der vier Meter breite Radweg in der Mitte der Friedrichstraße komplett herausgenommen werden. Für Radfahrende ist stattdessen die parallel verlaufende Charlottenstraße vorgesehen. Sie soll zu einer reinen Fahrradstraße ohne Autoverkehr umgewidmet werden. Geschäfte und Häuser in der Charlottenstraße sollen dennoch für die Autos der Anwohner und den Lieferverkehr erreichbar bleiben. Bislang wird die Charlottenstraße vor allem vom KFZ-Verkehr als Umfahrung genutzt.

Jarasch: "Definieren den Begriff Flaniermeile neu"

Künftig soll vor allem die Perspektive der Fußgänger im Zentrum stehen, so Verkehrssenatorin Jarasch. "Wir definieren den Begriff Flaniermeile neu, schaffen eine hohe Aufenthaltsqualität und helfen so auch dem Einzelhandel vor Ort." Der nun abgeschlossene Verkehrsversuch habe gezeigt, dass der gelb markierte Fahrradstreifen die zu Fuß Gehenden daran hindere, den Raum so zu nutzen wie eigentlich geplant.

Dennoch habe der Versuch laut Abschlussbericht auch ergeben, dass es eine hohe Zufriedenheit von Passantinnen und Passanten mit der autofreien Friedrichstraße gebe. Vier von fünf Befragten wünschten sich laut Verkehrsverwaltung eine dauerhafte Sperrung für den motorisierten Individualverkehr. Folgen soll nun ein Gestaltungswettbewerb, der das gesamte Areal bis zum Gendarmenmarkt umfassen soll. Daran sollten sich sowohl die Anrainer als auch die Nutzer, der Bezirk und Verbände beteiligen.

Scharfe Kritik am Projekt

Die neue Idee der Verkehrssenatorin sorgt für teils harsche Kritik. Erst Anfang der Woche hatte eine Initiative von Gewerbetreibenden den Verkehrsversuch an der Friedrichstraße erneut für gescheitert und für geschäftsschädigend erklärt. Nach einer Auswertung von anonymisierten GPS-Handy-Daten seien dort inzwischen weniger Menschen unterwegs als vor der Sperrung. Die Verkehrsverwaltung hatte diese Darstellung bestritten. Auch die oppositionelle FDP und die CDU forderten ein Ende der autofreien Friedrichstraße.

Der FDP-Verkehrspolitiker Felix Reifschneider erklärte das Experiment "Flaniermeile Friedrichstraße" für gescheitert. "Nötig ist ein Verkehrskonzept für Berlin-Mitte, das den lokalen und überörtlichen Verkehr sowie den Wirtschaftsverkehr berücksichtigt." Den Fahrradverkehr nun allein durch die Charlottenstraße zu lenken, werde ein enormes Verkehrschaos und eine hohe Belastung für Menschen, Handel und Gastronomie vor Ort zur Folge haben.

Reifschneider schlug vor, zu prüfen, Charlotten- und Glinkastraße in gegenläufige Einbahnstraßen zu verwandeln, die Durchfahrt an der britischen Botschaft in der Wilhelmstraße zu öffnen und verbindliche Zeitfenster für den Lieferverkehr festzulegen. "So kann der Verkehrsfluss durch Berlins Mitte für unterschiedliche Anforderungen gut gesteuert werden."

Grünen springen Jarasch bei

"Charlottenstraße als Fahrradstraße, Friedrichstraße als Fußgängerzone - damit wären zwei der ohnehin wenigen Nord-Süd- Verbindungen in Mitte für Autos unpassierbar", erklärte der Verkehrsexperte der AfD-Faktion, Harald Laatsch. So werde der Verkehrsinfarkt mutwillig herbeigeführt. "Jarasch und der Senat machen eine Verkehrspolitik, die boshaft gegen die Interessen der Bürger gerichtet ist."

Die Grünen sprangen ihrer Verkehrssenatorin Jarasch bei. "Die Friedrichstraße bleibt dauerhaft autofrei. Gut so", erklärten die Landesvorsitzenden Susanne Mertens und Philmon Ghirmai. Jarasch führe eine sach- und bürgerorientierte Politik fort, "statt den lauten Stimmen zu folgen, die die Autostadt konservieren wollen".

Sendung: rbb24 Abendschau, 28.04.2022, 19:30 Uhr

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60 Kommentare

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  1. 60.

    Bei allem Verständnis für Ihre sicherlich prekäre Situation, allerdings handelt es sich bei der Friedrichstraße um nur eine Straße.

    Kopf hoch, davon geht die Welt schon nicht unter.

  2. 59.

    Die Gleichsetzung ist nach meinem Erleben beim großen Teil der Autofahrenden nicht angekommen. Sonst würde ich mich nicht sehr oft als bedrängter Störfaktor auf engen Straßen fühlen.

  3. 58.

    Ich geben Ihnen vollends recht. So langweilig wie die Friedrichstraße ist so gut wie keine andere zum Einkauf richtig ermüdend, weil dort nichts Attraktives ist.

  4. 57.

    Man munkelt, dass die aus dem Personalüberhang kommen, die den Fußgängerbereich auf dem Alexanderplatz überwachen. Die Mitarbeiter dort sind in Spandau und auf der Wilmerdorfer intensiv geschult worden.

    Ansonsten ist die geplante Maßnahme für sich betrachtet nur zur konsequent, wurde das Projekt doch immer gerne als Flaniermeile verkauft. Den ursprünglichen Webfehler wollten viele nicht anerkennen.

  5. 56.

    Abgase und Lärm können ja bald nicht mehr als Argument herhalten, E-Autos sind leise und ohne Abgase. Parkplätze von wegen Raumverschwendung gibt es eh nicht und Tempo 30 regelt den Rest.
    Was also soll dieser Auto-Hass? Als Fußgängerzone funktioniert z.B. der Alex, vielleicht die Wilmersdorfer und Spandau Innenstadt, aber niemals die Schlossstraße in Steglitz oder der Abschnitt Friedrichstraße. Es gleicht eher einer Thrombose mit Bypässen.

  6. 55.

    Hallo Adrian,
    am Kudamm ist auch sehr viel Auto- und Busverkehr aber da sind gute Restaurants und Cafés zum Verweilen, außerdem gibt's hier Geschäfte in die man gern reinschaut.
    Das erreicht die Friedrichstraße nie, da kann sich Fr. Jarasch noch mehr Quatsch einfallen lassen.

  7. 54.

    "Wenn das Radfahrverbot nach und nach auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet würde, wäre es auf vielen Fußwegen und Fußgängerzonen ruhiger und sicherer. "

    Da kann man mal sehen wie Radfahrerhasser ticken. Und obendrein noch getötete und verletzte Radfahrer verhöhnen.

  8. 53.

    Ich halte das ganze bisherige Konzept für Schwachsinn. Ich habe mich hier völlig unwohl gefühlt. Hässliche Sitzgelgenheiten die niemand (außer Trinker) nutzt. Kampfradler, Lastenradler und nervige Skaater vermiesen einem jeden Aufenthalt. Da sind durchfahrende Autos ein wahrer Gesundbrunnen. Dann ist der jetzige Vorschlag, auch Radfahrerninnen die Straße zu verbieten, ein erster Fortschritt.

  9. 52.

    vielleicht kommt bald einer auf die Idee, die Menschen zu verbannen..

  10. 51.

    "Fast alle Verkehrsteilnehmer*innen sterben bei Unfällen mit motorisierten Verkehrsmitteln" - ist das ne Prophezeiung?
    Sobald man (Frau) auf die Strasse tritt ist man (Frau) Verkehrsteilnemer, und um mich herum sterben alle andern. Bleibe ich zu Hause bin ich wohl bald der Einzige in dieser Stadt, vielleicht gar auf dem Planeten.

  11. 50.

    Schon allein die Unart, Fahrradfahrer den Autofahrern nicht gleich zu setzen, denn sie sind ebenfalls Verkehrsteilnehmer und für sie gelten die Regeln und die StVO genauso, verletzt meine Gefühle auch enorm.

  12. 49.

    Ja, genau! Super Argument! Und generell geschehen die meisten Unfälle in Haushalten ! Gleich mit verbieten!
    Irgendwann können wir Gesetzbücher abschaffen. Dann reicht ein Heftchen für das Erlaubte! China lässt " Mit sozialistischem Kampfesgruß !" grüßen ....

  13. 48.

    Die Sache ließe sich baulich recht einfach lösen. Wer auf besagtem Abschnitt viermal auf Schritt-Tempo herunter muss, wird keinen Spaß mehr haben, da durchzubrettern, wenn in der Parallelstraße diese Geschwindigkeitsbremsen nicht da sind.

  14. 47.

    Sehr guter Vorschlag.
    Als letzte Konsequenz, um auch jeglicher Verunreinigung und Lärm, Müll, Kippen und Kaugummireste Vorschub zu leisten, sollten später, nach den Fahrrädern, dann auch noch die Fußgänger verschwinden. Natürlich erstmal nur innerhalb einer Testphase.

  15. 46.

    Nein, jede Art motorbetriebener Fortbewegung - mit Ausnahme von E-Rollstühlen, weil die einem Nachteilsausgleich dienen - dürfen dann nicht mehr in der Fußverkehrszone betätigt werden. So wie überall. Jedenfalls zu den üblichen Geschäftszeiten. Und muskelbetriebene Fahrräder auch nicht, weil die eine gehörige Übersetzung haben und von ihrer Geschwindigkeit unverträglich sind.

  16. 45.

    Eine sehr gute und sehr weise Entscheidung, den Radverkehr dort entweder gänzlich herauszunehmen oder aber - das wäre ggf. eine Alternative - so stark zu verlangsamen, dass von einer gefühlten Trennung der beiden Seiten nicht mehr gesprochen werden kann.

    Das wäre ggf. auch ein Modell für die Uferwege entlang der Teltowkanals, gezielt Geschwindigkeitsbremsen in bestimmten Abständen einzubauen, sodass geringes Flanierwegstempo und versucht maximales Fahrrad- bzw. Bike-Tempo nicht wie jetzt diametral auseinanderfallen.

  17. 44.

    Das Konzept nennt man "Fußgängerzone" und funktioniert in vielen Städten im In- und Ausland sehr gut. Auch in Berlin in der Wilmersdorfer Straße. Also keine Sorge, Berlin wird daran nicht zugrunde gehen.

  18. 43.

    Jetzt muß man nur noch die Fußgänger aussperren , dann ist das Projekt Friedrichstrasse finalisiert . Ich lach mich kaputt Und Beitrag Nr.1 find ich gut !

  19. 42.

    es macht,keinen spass einzukaufen und dbbei angefbhren zu werden

  20. 41.

    Bei angedachte Herausnahme des gesamten Verkehrs, wer kommt da noch in die Friedrichstraße? Aus meiner Sicht: Ein paar Touristen, vielleicht einzelne Politiker, deren Beamte aus den Büros und abends ist dann einfach Ruhe (Totenruhe einer sterbenden Geschäftsstraße). Die Verkehrswege für die Umfahrungen wer direkt da lang muss, werden immer länger und der Aufwand in Sachen CO2 unverantwortlich. Meinerseits steht die Frage im Raum: Soll mitten in Berlin eine Geisterstadt entstehen? Scheinbar ja!

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