Projekt in Berlin-Mitte - Radfahrende sollen aus autofreier Friedrichstraße verbannt werden

Zuletzt hatte es viel Kritik am Projekt der autofreien Friedrichstraße in Berlin gegeben, die Opposition bezeichnete es als gescheitert. Nun geht die Verkehrsverwaltung noch einen Schritt weiter: Nach den Autos sollen nun auch Fahrräder weichen.
Im bereits für Autos gesperrten Abschnitt der Friedrichstraße in Berlin-Mitte soll nun auch das Radfahren unterbunden werden. Die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) will das 500 Meter lange Teilstück zwischen Leipziger und Französischer Straße künftig ausschließlich für den Fußverkehr vorbehalten. Das geht aus dem Zukunftskonzept für die Friedrichstraße hervor, das die Verkehrsverwaltung am Donnerstag gegenüber dem rbb bestätigte.
Danach soll der vier Meter breite Radweg in der Mitte der Friedrichstraße komplett herausgenommen werden. Für Radfahrende ist stattdessen die parallel verlaufende Charlottenstraße vorgesehen. Sie soll zu einer reinen Fahrradstraße ohne Autoverkehr umgewidmet werden. Geschäfte und Häuser in der Charlottenstraße sollen dennoch für die Autos der Anwohner und den Lieferverkehr erreichbar bleiben. Bislang wird die Charlottenstraße vor allem vom KFZ-Verkehr als Umfahrung genutzt.
Jarasch: "Definieren den Begriff Flaniermeile neu"
Künftig soll vor allem die Perspektive der Fußgänger im Zentrum stehen, so Verkehrssenatorin Jarasch. "Wir definieren den Begriff Flaniermeile neu, schaffen eine hohe Aufenthaltsqualität und helfen so auch dem Einzelhandel vor Ort." Der nun abgeschlossene Verkehrsversuch habe gezeigt, dass der gelb markierte Fahrradstreifen die zu Fuß Gehenden daran hindere, den Raum so zu nutzen wie eigentlich geplant.
Dennoch habe der Versuch laut Abschlussbericht auch ergeben, dass es eine hohe Zufriedenheit von Passantinnen und Passanten mit der autofreien Friedrichstraße gebe. Vier von fünf Befragten wünschten sich laut Verkehrsverwaltung eine dauerhafte Sperrung für den motorisierten Individualverkehr. Folgen soll nun ein Gestaltungswettbewerb, der das gesamte Areal bis zum Gendarmenmarkt umfassen soll. Daran sollten sich sowohl die Anrainer als auch die Nutzer, der Bezirk und Verbände beteiligen.
Scharfe Kritik am Projekt
Die neue Idee der Verkehrssenatorin sorgt für teils harsche Kritik. Erst Anfang der Woche hatte eine Initiative von Gewerbetreibenden den Verkehrsversuch an der Friedrichstraße erneut für gescheitert und für geschäftsschädigend erklärt. Nach einer Auswertung von anonymisierten GPS-Handy-Daten seien dort inzwischen weniger Menschen unterwegs als vor der Sperrung. Die Verkehrsverwaltung hatte diese Darstellung bestritten. Auch die oppositionelle FDP und die CDU forderten ein Ende der autofreien Friedrichstraße.
Der FDP-Verkehrspolitiker Felix Reifschneider erklärte das Experiment "Flaniermeile Friedrichstraße" für gescheitert. "Nötig ist ein Verkehrskonzept für Berlin-Mitte, das den lokalen und überörtlichen Verkehr sowie den Wirtschaftsverkehr berücksichtigt." Den Fahrradverkehr nun allein durch die Charlottenstraße zu lenken, werde ein enormes Verkehrschaos und eine hohe Belastung für Menschen, Handel und Gastronomie vor Ort zur Folge haben.
Reifschneider schlug vor, zu prüfen, Charlotten- und Glinkastraße in gegenläufige Einbahnstraßen zu verwandeln, die Durchfahrt an der britischen Botschaft in der Wilhelmstraße zu öffnen und verbindliche Zeitfenster für den Lieferverkehr festzulegen. "So kann der Verkehrsfluss durch Berlins Mitte für unterschiedliche Anforderungen gut gesteuert werden."
Grünen springen Jarasch bei
"Charlottenstraße als Fahrradstraße, Friedrichstraße als Fußgängerzone - damit wären zwei der ohnehin wenigen Nord-Süd- Verbindungen in Mitte für Autos unpassierbar", erklärte der Verkehrsexperte der AfD-Faktion, Harald Laatsch. So werde der Verkehrsinfarkt mutwillig herbeigeführt. "Jarasch und der Senat machen eine Verkehrspolitik, die boshaft gegen die Interessen der Bürger gerichtet ist."
Die Grünen sprangen ihrer Verkehrssenatorin Jarasch bei. "Die Friedrichstraße bleibt dauerhaft autofrei. Gut so", erklärten die Landesvorsitzenden Susanne Mertens und Philmon Ghirmai. Jarasch führe eine sach- und bürgerorientierte Politik fort, "statt den lauten Stimmen zu folgen, die die Autostadt konservieren wollen".
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.04.2022, 19:30 Uhr
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