Öffentliche Toiletten in Berlin - Die einen feiern, die anderen halten sich fern

| Von Anna Bordel
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Pissoir der 278. City-Toilette in Berlin-Wedding. (Quelle: rbb/A. Bordel)
Video: rbb|24 | 27.04.2022 | Autor: Stefan Oberwalleney | Bild: rbb/A. Bordel

An diesem Mittwoch wurde in Berlin die 278. City Toilette feierlich in Betrieb genommen. Während die Politik sich über die neuen Klos freut, haben andere ihre Not mit der Nutzung der öffentlichten Toiletten. Von Anna Bordel

"Herzlich Willkommen", begrüßt einen beim Eintreten in die öffentliche Toilette eine Männerstimme, es folgt eine sanfte Melodie. In der Klokabine in der Thomasstraße in Neukölln riecht es zwar nicht schlecht, zum Draufsetzen lädt die Toilette dennoch nicht ein. Zahlreiche braune Flecken auf dem Klositz könnten Verbrennungen einer Zigarette, aber auch anderer Schmutz sein. Da geht man als Frau lieber unverrichteter Dinge wieder. Beim Hinausgehen bekommt man wenigstens noch einen schönen Tag gewünscht, die 50 Cent, die für den Eintritt gezahlt werden müssen, sind trotzdem verschenkt.

Die Toilette in der Thomasstraße ist eine von 278 öffentlichen "City-Toiletten", die die Firma Wall GmbH im Auftrag des Landes Berlin in den letzten drei Jahren aufgebaut hat. Am Mittwochmittag feierte der Senat gemeinsam mit dem Unternehmen die Fertigstellung des letzten Klohäuschens in dieser Reihe.

Probleme beim Münzeinwurf

Hinter dem Toilettenhäuschen in Neukölln riecht es so, als hätten sich ein paar Menschen in den vergangenen Tagen hier erleichtert und das Gebäude als Sichtschutz genutzt. Zwei Pissoirs an der anderen Seite des Moduls sind kostenfrei begehbar. In dem einen liegen Alufolienreste mit schwarz verbrannten Resten darauf. Das andere stinkt nach Urin, ist aber nutzbar.

"Ich weiß, dass es diese Toiletten gibt, nutze diese aber hier nicht. Da hängen Junkies herum," sagt eine Anwohnerin aus dem Körnerkiez. "Am Ku’damm habe ich schon mal so eine Toilette genutzt". Etwas weiter nördlich steht im Schillerkiez ebenfalls eine solche Toilette. Eine Frau hat schon mehrere 50-Cent-Münzen eingeworfen, die immer wieder unten hindurchrasseln. Eine Fehlermeldung wird nicht angezeigt. "Eigentlich benutze ich diese Toilette etwa ein bis zwei Mal die Woche", sagt sie, meistens funktioniere alles. Ein paar Mal sei der Münzeinwurf allerdings kaputt gewesen, weil zuvor jemand mit einem Draht versucht hatte den Münzkasten zu knacken.

Tausende Einbrüche seit Dezember 2021

Diese Einbrüche seien in der Tat ein Problem, sagt der Geschäftsführer des Unternehmens Wall, Patrick Möller. "Knapp 7.000 solcher Einbrüche hat es in den vergangenen vier Monaten gegeben. Zu holen sind immer nur kleine Beträge zwischen 10 und 20 Euro, da die Kassen regelmäßig geleert werden".

Möll steht vor einem solchen Toilettenmodul am anderen Ende der Stadt, genau genommen in der Osterenderstraße im Wedding. Dort trafen sich am Mittwochmittag Beteiligte vom Senat und der Firma Wall zusammen, um die letzte der nun 278 öffentlichen Toiletten feierlich zu eröffnen, unter ihnen auch Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Bündnis 90/Die Grünen).

Pissoirs kostenlos nutzbar

Im Schnitt kostet laut Senatsangaben ein Modul etwa 135.000 Euro, hochgerechnet hat das Land für das Projekt seit 2019 also etwa 37,5 Millionen Euro ausgegeben. Damit hat Berlin nun 418 öffentliche Toiletten, nur Paris habe mehr, ist auf der Veranstaltung vom Stadtmöbliererunternehmen Wall zu erfahren.

Jarasch, die zu ihrem Toiletten-Termin deutlich zu spät kommt, freut sich, ihre erste Schleife im Amt durchschneiden zu dürfen. Am Ende darf sie das um das Toilettenhaus führende Band aber nur aufziehen, die Schleife soll schließlich wieder verwertet werden. "Ich finde es richtig, dass für die Nutzung der Toiletten eine kleine Gebühr zu entrichten ist, sie sollen schließlich auch sauber bleiben", sagt sie. Die Pissoirs seien unentgeltlich, da man mit ihnen vor allem die vielen wildpinkelnden Männer niedrigschwellig dazu bewegen wolle, eine Toilette zu nutzen.

Die Nutzung von sogenannten "Missoirs", also Pissoirähnlichen Toiletten für Frauen werde bereits geprüft, versichert sie.

Schmaler Sichtschutz soll an Drogenkonsum hindern

Die Gebühr soll außerdem Drogenkonsumenten davon abhalten, die Toiletten für ihre Zwecke zu nutzen. Die Pissoirs hätten dafür nur einen geringen Sichtschutz. So entstehe eine "soziale Kontrolle", weil man eben nicht völlig ungestört Drogen konsumieren könne, so Jürgen Krafczik von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Eine Anwohnerin in der Ostenderstraße findet es indes "ekelhaft", dass man beim Vorbeigehen den Männern relativ großzügig beim Urinieren zusehen könne.

Ich weiß, dass es diese Toiletten gibt, nutze diese aber hier nicht. Da hängen Junkies herum.

Anwohnerin im Körnerkiez, Neukölln

Täglich würden die Toiletten von einer Reinigungskraft gereinigt und die Technik überprüft, versichert der Geschäftsführer Möller. Man werde in den kommenden Jahren darauf Wert legen, dass die Toiletten so benutzbar blieben, wie am ersten Tag. Ob das Ziel bei 278 Toilettenmodulen erreichbar ist?

Die Frau, die an der Nutzung in der Schillerpromenade gescheitert ist, ruft die angegebene Service-Hotline des Unternehmens Wall an. Nach einigen Minuten in der Warteschleife darf sie auf einen Anrufbeantworter sprechen. Auf die Toilette muss sie immer noch, aber bei der City-Toilette kommt sie damit wohl erstmal nicht weiter. Eilig verschwindet sie um eine Hausecke.

 

Sendung: Abendschau, 27.04.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Anna Bordel

23 Kommentare

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  1. 23.

    Nein, einer gewissen Komik entbehrt das ganze Thema wahrlich nicht, das stimmt wohl … Da es ja nun mal eine ganz normale menschliche Sache ist, finde ich es eigentlich auch nicht sonderlich schlimm, jemanden (egal, welchen Geschlechts) beim Pinkeln zu sehen; manchmal geht es eben einfach nicht anders. Eher aus Höflichkeit als aus Betretenheit – kucke ich dann einfach woanders hin : )

  2. 22.

    Insbesondere, weil das erwähnte Grünzeug schon vielerorts abgeholzt wurde.
    Der Herrfurthplatz in Neukölln war mal mit vielen Gebüschen geschmückt.
    Und sogar eine altmodische, rechteckige Toilettenanlage gab es da mal.
    Auch in manchen Parks habe ich den Eindruck, dass die Gebüsche sehr reduziert wurden.
    Wegen der Junkies. Der Wildpinkler. Oder beidem.
    Und was gern vergessen wird:
    Wo nimmt man ein Gebüsch her, wenn ein maßgeblicher Faktor bei der Harndrangentstehung die winterliche Kälte ist?

  3. 21.

    Komm, einer geht noch, ganz aktuell von gestern, Champions-League, Zitat Tagesspiegel "Liverpool legt vor - Jürgen Klopp: „Nur nicht kurz vor'm Klo in die Hose machen“" Zitat Ende. Das will schließlich keiner. Deswegen ist ein WC, wo man beim Münzeinwurf scheitert, ein ganz undankbares Teil - gerad fürs kleine Geschäft muss es einfachere, günstige und für alle zugängliche Lösungen geben. Und die kann einfach nicht "Gebüsch" heißen...

  4. 20.

    Je nach Klecks, hm?

    @ kleiner Mann mit wenig Geld:

    Meine Ahnen ruhen auch nicht in Hünengräbern.
    Trotzdem kann ich Pissoirs für gewöhnlich ohne Leiter, Tritt oder Klimmzug benutzen.
    Die Dinger stinken übrigens generell IMMER - auch die von mir erwähnten Waldcontainer.
    Ich war schon lange in keiner öffentlichen Toilette mehr, aber vielleicht wären Abfallkörbe eine Lösung für die "Spielsachen" von Fixern?
    Und eine Alternative zum Entgelt sehe ich leider nicht; die Wall-Angestellten wollen ja auch von irgendwas leben.
    Aber wären derlei Bedürfnisanstalten nicht genaugenommen eine staatliche Aufgabe?
    Immerhin reden wir hier doch von einem GRUNDBEDÜRFNIS, nicht von einem Luxus.

  5. 19.

    Ne, MEIN Problem ist es nicht, wenn ein Kerl strullert :-) aber viele KÖNNEN nicht, wenn einer zukuckt *grins* also Jungs, macht euch locker, äh... sorry, ich muss irgendwie grinsen bei dem ganzen Artikel :-)

  6. 18.

    Öffentliche Toiletten sind eine tolle Idee, jedoch sollten auch mehr Bahnhöfe damit ausgestattet und kontrolliert werden. Aber dafür reicht sicher das Personal nicht. Gerade vorgestern wieder auf der Warschauer, ließ ein Mann (vermutlich obdachlos) seine Hose runter und hockte sich hin, sicherlich um sein großes Geschäft zu erledigen. Das muss ich leider öfter sehen.

  7. 17.

    Sachgerecht ist die Pissoir Lösung nur für größere Männer, denn die Pissoirs sind alle relativ hoch angebracht. Für Barrierefreiheit verbesserungsmöglich. Es stinkt oft, weil kleine Jungs und Männer an die Wand über der Abflußrinne zum Reinigen pinkeln. Gut ist, dass die Toiletten täglich gereinigt werden. Obwohl auch die Reinigungskräfte angesichts der vorgegebenen Zeiten (Akord) über die allnächtlichen Hinterlassenschaften der Junkies schimpfen. Eventuell wären an den einschlägigen Orten Lochgitter über den Abflussrinnen hilfreich.
    Für Menschen mit wenig Geld sind 50cent für einmalige Toilettennutzung ein kleines Vermögen. Auch deswegen wird wohl immer wieder in die Pissoirs gesch... . Besonders schön ist das nicht. Aber 50cent sind eben für nicht wenige auch eine Barriere.
    Trotzdem bitte noch mehr öffentliche Toiletten aufbauen. Wie der Vater im Video oben fordert, bitte "neben jeden Spielplatz eine öffentliche Toilette bauen". Denn auch dort stinkts in den Büschen.

  8. 16.

    @rbb24: Das ist doch die Gelegenheit von ständigen "Könnte"-Artikeln abzurücken und echt Erreichtes ins Rampenlicht zu rücken (auch wenn es schief gegangen ist):
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2021/08/missoir-stehtoilette-frauen-berlin-hasenheide.html
    https://grueneheldenaward.de/missoir-das-pissoir-fuer-frauen/

  9. 14.

    „Ok, wo man dem Typen mit Harndrang "draufschaut" gibt es keinen Vorteil gegenüber dem Wildpinkeln.“

    Dann lassen Sie das doch einfach, zwingt Sie ja keiner zu. Wenn Sie es nicht schaffen, Ihren Blick abzuwenden, ist das wohl eher nicht das Problem der Toilettenbenutzer …

  10. 13.

    Das Problem mit den Schuhsohlen kann man auch draußen haben.
    Und das mit dem Gelddurchfall ist sicher die Ausnahme - nicht die Regel.
    Insgesamt kann es meiner Meinung nach kaum öffentliche Toiletten genug geben (auch, um eventuell Ausweichmöglichkeiten zu haben).
    Mich wundert nur, dass Tempelhof diesbezüglich so unterversorgt ist:
    Wer im Bereich des U-Banhofs Alt-Tempelhof (der übrigens nichtmal einen Aufzug hat) mal muss, der hat die Auswahl zwischen einem Rathausbesuch, dem Aufsuchen eines gut versteckten Klos, das hinten in einem dualen (weil aus zwei Läden bestehenden) Imbiss eingebaut ist, und dem Tempelhofer Feld (nebst Warteschlangen).

  11. 12.

    Danke.
    Aber dass heutzutage jeder Sch... eine eigene App braucht, ist ein wenig nervig.
    Ich wäre dafür, Störungsmeldungen in Berlin (auch was BVG und Ordnungsamt betrifft) in insgesamt EINER App zusammenzufassen.
    Wer was Gutes tun will, dem sollte man es leicht machen.

  12. 10.

    Am Kotti hats leider nur für ein Pissoir ohne Sichtschutz auf dem Gehweg gereicht. Aber 25 Millionen für eine moderne Polizeiwache sind offenbar wichtiger. Das einzigartige Pissoir ist nach der Sanierung wieder nahe der geplanten Polizeiwache an der Rückseite des NKZ angebracht worden. Zu bewundern direkt auf dem schmalen Gehweg neben der Feuerwehrzufahrt zwischen Adalbertstraße und dem Wendekreis am Ende der Dresdener Straße. Die Bauarbeiter dachten zunächst offenbar auch das kann weg, aber jetzt ist dieses "Kunstobjekt" in der Pissalley wieder aufgetaucht.
    Hygiene spielt hier auch keine Rolle. Händewaschen unmöglich und gereinigt wird das auch sogut wie nie. Ist halt Kotti, aber die Polizeiwache kommt bestimmt - versprochen :(

  13. 9.

    Diese WC's dienen in den einschlägigen Bezirken nur den Junkies. Am Bahnhof Yorckstraße hat es keine zwei Tage gedauert. Und das WC war fest in Drogi Hand. Reparaturen sind zwecklos. Dreck. Und Spritzen überall. Und für Nachschub sorgen die Sozialarbeiter. Berlin bekommt dieses Problem nicht in den Griff.

  14. 8.

    Beispiel U-Bahnhof Yorckstraße. Neues WC hingestellt. Zwei Tage später waren dort nur noch Junkies anzutreffen. Reparaturen sind zwecklos. Die Fixer sind sofort wieder da. Und das ganze wird durch Sozialarbeiter noch unterstützt. Die fleißig Spritzen verteilen. Die dann in der Gegend und im Bahnhof landen. Jede Nacht das gleiche. Berlin bekommt dieses Problem nicht in den Griff.

  15. 7.

    Ok, wo man dem Typen mit Harndrang "draufschaut" gibt es keinen Vorteil gegenüber dem Wildpinkeln. Bei letzterem kleben aber die Schuhsohlen nicht danach... Wenn ich bei Galeria für's gleiche, freiwillige Geld eine saubere, gut riechende Toilette mit sauberer Handwaschmöglichkeit nebst Desinfektion und Handcreme finde, dann ist da was nicht stimmig. Ich habe erst ein Mal VERSUCHT, ein solches Ding zu benutzen, bei City of lights. Fakt war: du brauchst Kleingeld, das darf nicht durchfallen, und am Ende pinkelst du in die Rabatten vorm Museum hinter einen Baum, wo dich gefühlt 1000 Leute sehen könnten, weil das Klo nicht nur schmutzig ist, sondern nicht funktioniert. Gut, dass ich gesunde Knie habe, echt.

    Da ist nix, auf das Auftraggeber und Auftragnehmer stolz sein könnten...

  16. 6.

    Es lässt sich so wie der bezahlvorgang als auch ein Feedback über die die Beriner WC App abgeben.

  17. 5.

    ... und die Moral von der Geschichte:
    Ein Klecks, der auf der Brille klebt
    beim Nächsten nicht die Stimmung hebt

  18. 4.

    Die Pissoirs kostenfrei - für männliche Nutzer - und dazu passend die Bildunterschrift: „ das große Geld mit dem kleinen Geschäft“ …. aber wohl nur auf Kosten der weiblichen Nutzerinnen. Für mich eine Art Geschlechterdiskriminierung, verdient doch die weibliche Fraktion statistisch gesehen 20% weniger an Gehalt für die selbe Arbeit, zahlt aber hier jedes Mal 50 Ct, wenn die Technik denn funktioniert.
    Hauptsache Frau Jarrasch freuts, wenn sie rote Bänder zerschneidet.

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