Interview | Berlinerin klagt wegen Platzverweis - "Ich will meine Brüste nicht sexualisieren"

Weil sie brustfrei an einem Wasserspielplatz liegt, geben die Behörden Gabrielle Lebreton letzten Sommer einen Platzverweis. Sie fühlt sich diskriminiert und klagt nun gegen das Land Berlin. rbb|24 erzählt sie, warum sie vorsichtiger geworden ist.
Gabrielle Lebreton ist eine der ersten, die im Sinne des Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetzes (LADG) über ihre Rechtsanwältin Leonie Thum Klage eingereicht hat. Als Aktivistin setzt sie sich mittlerweile dafür ein, ihre Brust in der Öffentlichkeit zu zeigen, ohne dabei diskriminiert zu werden. Lebretons Klage und der Aktivismus haben eine Vorgeschichte.
Vorfall mit Behörden an Wasserspielplatz
Zusammen mit ihrem sechsjährigem Sohn liegt sie im Sommer vergangenen Jahres oben ohne auf der Wiese der Plansche, einem Wasserspielplatz im Plänterwald in Treptow-Köpenick. Daraufhin verweist sie das Sicherheitspersonal des Straßen- und Grünflächenamts des Bezirks des Platzes, mit der Begründung, dass FKK dort nicht gestattet sei und mit Verweis auf die Richtlinien der Plansche. In den Richtlinien steht: "In der Plansche ist von allen Gästen Straßen- oder Alltagskleidung bzw. handelsübliche Badekleidung , wie zum Beispiel Badehose, Badeshorts, Bikini, Badeanzug, Burkini zu tragen."

Lebreton fühlt sich diskriminiert, weil nach ihren Schilderungen Männer oben ohne dort sein durften, sie jedoch nicht. Sie erzählt den Vorfall in den sozialen Medien und erhält dadurch viel Aufmerksamkeit. Daraufhin lässt sie sich von der LADG-Ombudstelle und dem Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg [adnb.de] beraten, wie sie gegen die für sie diskriminierende Behandlung vorgehen kann. Die Klage wird im Januar 2022 eingereicht. Das Bezirksamt gibt an, sich zu der Klage gegenüber rbb|24 nicht äußern zu wollen.
rbb|24: Warum haben Sie sich dazu entschieden, wegen des Vorfalls an der Plansche vor Gericht zu gehen?
Gabrielle Lebreton: Für mich war das von Anfang an klar nach dem Vorfall an der Plansche. Ich wusste, dass das Zeit, Energie und Geld kosten würde. Aber ich war mir der Sache sicher. Denn für mich ist klar, dass das Diskriminierung war, und ich stand auch unter Schock. Die ganze Situation war unerträglich und inakzeptabel, der Ton, der Umgang mit mir, dass mein Kind mir gesagt hat: 'Mama, zieh dein T-Shirt wieder an!'. Ich konnte das nicht so stehenlassen. Die Kinder bewundern die Polizei oder alles, was mit Autorität zu tun hat. Sie denken, was die sagen, ist richtig, und somit musste ich meinem Sohn erklären: Das ist so nicht richtig. Deswegen gehe ich vor Gericht. Ich möchte Gerechtigkeit.
Das Bezirksamt teilte kurz nach dem Vorfall öffentlich mit, die bezirkliche Gleichstellungsbeauftrage hätte Ihnen ein Gesprächsangebot unterbreitet. Was ist daraus geworden?
Ich hatte einen Termin im Bezirksamt Treptow-Köpenick kurz nach dem Vorfall. Ich habe eine Frau gesprochen, die sehr nett und freundlich zu mir war. Sie hat die Situation ganz gut verstanden, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass sie nicht so frei war, sich zu entschuldigen. Das war einfach nur ein Termin, um mich zu beruhigen und nicht so effizient, sondern nur fürs Protokoll würde ich sagen. An der Sache hat das nichts geändert.
Wie verhalten Sie sich jetzt in solchen Grünanlagen?
Ich bin jetzt sehr vorsichtig und habe das Bewusstsein, dass ich nicht einfach mit nacktem Oberkörper draußen sein kann. Ich stehe nach dem Vorfall auch sehr in der Medienöffentlichkeit, ich bin nicht mehr nur einfach irgendeine Frau. Das ist jetzt also schwierig für mich.
Bedecken Sie Ihre Brüste wegen der Bekanntheit Ihrer Person oder auch, weil Sie Angst haben, von den Behörden gemaßregelt zu werden?
Ich denke beides. Ehrlich gesagt, als ich in der Plansche im Plänterwald war, war ich, ich würde sagen, unbedarft. Das war keine feministische Aktion. Ich war einfach da und das ist passiert. Aber jetzt habe ich das Bewusstsein, welches Risiko ich mit freien Brüsten eingehe und dass das nicht neutral ist. Trotzdem möchte ich betonen, dass mir oben ohne nicht peinlich ist. Ich fühle mich wohl, wenn es heiß draußen ist und ich mit nacktem Oberkörper bin. Ich finde das ganz normal, wie auch Männer das normal finden. Die stellen sich nicht die Frage, ob sie das T-Shirt ausziehen sollen oder nicht. Ich dagegen schon, und viele Frauen auch. Und ich jetzt noch mehr als zuvor. Ich will meine Brüste nicht sexualisieren. Leider ist die Gesellschaft noch nicht so weit, viele wollen mich sexualisieren. Das nervt!
Sie sind mit der Aktion "Freie Brust für alle" politisch aktiv geworden. Um was geht es Ihnen dabei?
Wir haben eine Petition gestartet und wir organisieren Demonstrationen und Schwimmbadausflüge, nicht nur in Berlin, auch in anderen deutschen Städten. Diese Aktionen sind absolut gewaltfrei.
Suchen Sie sich da gezielt Schwimmbäder mit konservativer Kleidungsordnung aus?
Die Idee hinter "Freie Brust für alle" ist nicht, die Leute zu beurteilen. Mit nackten Oberkörpern als Frauen wollen wir stattdessen erreichen, dass die Leute darüber sprechen. Auch, dass freie Brüste als normal gesehen werden. Wenn wir dabei in kleinen Gruppen unterwegs sind, macht uns das mutiger.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Vanessa Klüber
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