Straßenbäume in Berlin - Der unerträgliche Gestank des Ginkgo-Baums

Berlin verliert pro Jahr mehr als 1.000 Straßenbäume. Umso wichtiger ist es, für ihren Erhalt zu sorgen, wo es geht. Doch in Tegel sind die Anwohner in der Berliner Straße ziemlich genervt von den dort gepflanzten 56 Ginkgo-Bäumen. Von Matthias Bartsch
Antje Sage fängt gleich an zu lachen, als sie auf das Stink-Problem im Herbst angesprochen wird. "Man kann es gar nicht anders beschreiben - es riecht wie Kotze". Sage ist Geschäftsführerin eines Sanitätshauses in der Berliner Straße im Berliner Stadtteil Tegel. Sie hat sich an den üblen Geruch mittlerweile gewöhnt.
Im Herbst fallen die mirabellenähnlichen Früchte der weiblichen Ginkgo-Bäume auf die Berliner Straße und die Gehwege. Platzen die Früchte auf, fängt es an zu stinken: nach Erbrochenem, sagen die einen, nach ranziger Butter die anderen. Auf jeden Fall ziemlich eklig. Ein paar Wochen lang spritzt Antje Sage im Herbst den Gehweg mit einem Wasserschlauch sauber. Es gebe Schlimmeres, sagt sie. Aber schön wäre es schon, wenn man das Problem lösen könnte.
Auch im türkischen Lebensmittelmarkt nebenan kennen alle den Geruch. "Gut, dass Frühling ist", sagt ein Verkäufer und hält sich lachend mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu.
Neben Gestank auch Rutschgefahr
"Das Stinken stört mich gar nicht so doll", sagt Petra aus Konradshöhe. Die ältere Dame besucht regelmäßig die Berliner Straße mit ihren vielen kleinen, alteingesessenen Geschäften. "Viel schlimmer ist, dass ich schon fast hingefallen bin, weil die Früchte den Gehweg rutschig machen. Dit is' richtig jefährlich", berlinert sie.
Eigentlich sollten die Ginkgo-Bäume den Tegeler Ortskern schöner machen. Sie sind Teil einer Initiative des Berliner Aktionskünstlers Ben Wagin. Vor über 30 Jahren ließ er von Moskau bis zum bayrischen Vilshofen 50.000 Ginkgo-Bäume pflanzen. Der Ginkgo, der ursprünglich aus China stammt, zählt zu den ältesten Bäumen der Erde und gilt als widerstandsfähig. Zum Jahrtausendwechsel hatte das "Kuratorium Baum des Jahres" den Ginkgo biloba, wie der Baum botanisch korrekt bezeichnet wird, als Mahnmal für Umweltschutz und Frieden sowie zum Baum des Jahrtausends ernannt. Der Ginkgo sei ein lebendes Fossil, hieß es. Zur Blütezeit sieht er auch sehr schön aus - wenn die Geruchsbelästigung nicht wäre.

Auffangnetze als mögliche Lösung
In der Bezirksverordnetenversammlung waren die Ginkgo-Bäume schon mehrfach Thema. Wirklich passiert ist aber nichts. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) sollte die heruntergefallenen Früchte vom Gehweg entfernen. Das erwies sich als kaum hilfreich. Eine Reinigung in den entscheidenden Wochen müsste täglich erfolgen. Dazu stehen parkende Autos im Weg.
Der Reinickendorfer Bezirksverordnete Felix Schönebeck (CDU) hat vor kurzem einen Antrag gestellt und das Bezirksamt zum Handeln aufgefordert. Eine Idee schob er gleich hinterher: Die Früchte sollen erst gar nicht herunterfallen können, sondern vorher gepflückt werden. Alternativ könnten auch spezielle Auffangnetze das Herunterfallen verhindern. Im Ausschuss für Grünflächen, Natur und Umwelt konnte Schönebeck die meisten überzeugen. Sein Antrag wurde beschlossen. Die Chancen stehen also gut, dass es an der Berliner Straße in Tegel im Herbst endlich nicht mehr stinkt.
Sendung: rbb 88.8, 25.04.2022, 5:50 Uhr