Kommerzielle Angebote in Grünanlagen - Warum Friedrichshain-Kreuzberg eine Gebühr für Sport in Parks einführt
Wer künftig Geld verdienen will mit Sportkursen in den Grünanlagen von Friedrichshain-Kreuzberg, wird zur Kasse gebeten. Die Klage eines kommerziellen Anbieters hatte das nötig gemacht. Bislang steht der Bezirk in Berlin allein. Von Stefan Oberwalleney
Die Sonne scheint, die Temperaturen sind jetzt, am frühen Abend, noch relativ hoch. Trainerin Lydia läuft mit ihrer Frauen-Gruppe durch den Bosepark in Tempelhof-Schöneberg. Später gibt es noch Yoga-Übungen auf der großen Wiese. Die Teilnehmerinnen schwitzen im Rahmen des vom Senat Berlin geförderten, kostenlosen Angebots "Sport im Park".
Im Grunde eine Ordnungswidrigkeit
Sechs Kilometer weiter, im Tiergarten sind acht Trainingshungrige um Trainer Marcus Weber versammelt, um an seinem Fitness-Kurs teilzunehmen. Weber ist ein kommerzieller Anbieter, alle Teilnehmer bezahlen eine Teilnahmegebühr. Die Stimmung ist locker, auch hier wird geschwitzt.
Weil Weber sein Angebot in einer öffentlichen Grünanlage anbietet, begeht er im Grunde aber eine Ordnungswidrigkeit. Denn im Berliner Grünanlagengesetz ist die kommerzielle Nutzung untersagt und kann mit einer Ordnungsstrafe bis zu 5.000 Euro geahndet werden. Das Gesetz dient dem Erhalt und Schutz von Grünanlagen.
Grünanlagen sollen erhalten und geschützt werden
Einen neuen Weg geht jetzt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Hier wird eine Nutzungsgebühr für kommerzielle Anbieter von Sportangeboten in Grünanlagen eingeführt, wie die "Berliner Morgenpost" [Bezahlinhalt] zuerst berichtete.
Die Klage eines kommerziellen Anbieters habe es notwendig gemacht, "diese Sondernutzung jetzt auch zu regeln und nicht pauschal abzulehnen", sagt Sara Lühmann, Sprecherin des Bezirks. Man wolle mit der Pauschale explizit "den Anbietern die Möglichkeit geben, eine Nutzung zu beantragen." Das soll im sogenannten Windhund-Prinzip passieren, sprich, es gibt eine gewisse Kapazität und wer sich zuerst meldet, bekommt den Zuschlag.
Inwieweit der Erhalt und Schutz der Grünanlagen durch die Einführung einer Nutzungsgebühr für kommerzielle Sportangebote gesichert wird, wo sich im gleichen Park nichtkommerzielle Sportgruppen tummeln, bleibt unbeantwortet.
Trainer Marcus Weber weiß um den Interessenkonflikt und kennt die Rechtslage. Deshalb habe er in der Vergangenheit immer wieder das Gespräch mit den Bezirken gesucht, um eine Lösung für sich zu finden, sagt er. Vergeblich, denn eine Gesprächsbereitschaft sei schlichtweg nicht vorhanden. "Wir haben gefragt, ob wir auf einen Bolzplatz morgens um 7 Uhr rauf dürfen, wo wirklich keiner ist, und es wurde pauschal abgelehnt", erzählt Weber.
Seine ersten Kurse hatte er auf dem Tempelhofer Feld angeboten, wo bekanntlich eine Menge Sport getrieben wird und es auch eine Grillzone gibt. Es dauerte nicht lange, bis er des Platzes verwiesen wurde, wie er berichtet. Auch hier sei der Bezirk an einem Gespräch nicht interessiert gewesen.

Spanne von 150 bis 1.500 Euro pro Saison
Den Friedrichshain-Kreuzberger Vorstoß findet er deshalb jedenfalls gut, wie er sagt. So bestehe zumindest eine Gesprächsgrundlage, sagt Weber. Es komme jetzt darauf an, wie hoch die Gebühr ausfalle und ob seine Sportangebote dann noch rentabel seien.
Das Bezirksamt verweist auf eine gestaffelte Nutzungsgebühr, abhängig von Häufigkeit und der Teilnehmer:innenzahl des Angebots. So werde die Sondernutzungsgebühr zum Beispiel bei einem Kurs, der dreimal die Woche mit neun Teilnehmer:innen stattfinde, bei 700 Euro pro Saison liegen, rechnet Bezirkssprecherin Lühmann vor. "Je nachdem, ob ich mehr Angebote habe oder weniger, mehr oder weniger Teilnehmer:innen, kann das günstiger sein oder teurer." Die Spanne beginne bei 150 Euro und gehe bis zu 1.500 Euro.
Für die Ordnungsämter ist es bislang nahezu unmöglich festzustellen, welche Sportler:innen sich in den Parks privat treffen und welche an einem kommerziellen Angebot teilnehmen. Im Zweifelsfall sagen sie einfach, sie würden sich im Freundeskreis treffen, und schon sind die Ordnungshüter raus.
Im Internet sind mit wenigen Klicks zahlreiche Angebote kommerzieller Sportanbieter zu finden. Hier könnten auch die Bezirke Informationen sammeln, allerdings sei der Nachweis einer kommerziellen Nutzung schwierig, sagte etwa der Spandauer Stadtrat Thorsten Schatz der "Berliner Morgenpost", da die Verwaltung nicht anlasslos im Internet recherchieren dürfe.

Andere Bezirke folgen dem Beispiel bislang nicht
Ob nun auch andere Berliner Bezirke eine solche Sondernutzungsgebühr wie Friedrichshain-Kreuzberg einführen werden, bleibt abzuwarten. Bisher verweisen die meisten auf rbb-Anfrage unisono darauf, dass kommerzielle Angebote in den Grünanlagen generell nicht erwünscht seien. Lediglich Reinickendorf antwortete, sie würden die Notwendigkeit von Gebühren sehen, ließen es aber offen, ob sie auch eine erheben werden.
Trainer Marcus Weber fühlt sich an die Parkraumbewirtschaftung erinnert, wie er sagt. Er glaube nicht, dass es lange beim Friedrichshain-Kreuzberger Alleingang bleiben werde. "Einer fängt an, die anderen ziehen nach."
Er jedenfalls, sagt er, müsse jetzt erst einmal sehr genau nachrechnen, ob sich seine Sportangebote im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg überhaupt noch lohnen. Wenn nicht, bleibe ihm nur, auf Angebote in dem Bezirk zu verzichten. Wenn die anderen Bezirke dann aber doch irgendwann nachziehen, "wird der gesamte Outdoor-Sportbereich eingestampft".
Sendung: rbb24 Abendschau, 11.05.2022, 19:30 Uhr