Opfer soll Schutz gesucht haben - Schwester der in Pankow getöteten Frau erhebt Vorwürfe gegen die Polizei

Auf offener Straße in Pankow ist am vergangenen Freitag eine Frau umgebracht worden. Jetzt kritisieren die Hinterbliebenen die Berliner Polizei: Das Opfer habe sich seit langem bedroht gefühlt, doch die Polizei habe sie nicht beschützt.
Die junge Frau, die in der vergangenen Woche in Pankow auf offener Straße getötet worden ist, soll zuvor mehrfach bei der Polizei um Hilfe gebeten haben. Das geht aus einem offenen Brief ihrer Schwester hervor, der dem rbb vorliegt.
Ihre mutmaßlich vom ehemaligen Lebensgefährten getötete Schwester habe die Behörden in Berlin über ihre Bedrohung durch den Mann informiert, heißt es darin. Der Mann habe sich als ihr Eigentümer gesehen. "Unserer Schwester wurde der Schutz verwehrt, der ihr das Leben hätte retten können", steht in dem Brief weiter.
Beratungsstelle untermauert Darstellung der Schwester
Nach rbb-Informationen hatte die 31-Jährige nach der Flucht aus Afghanistan mit ihrer Familie einen Deutschkurs in Berlin besucht und sich von ihrem Mann getrennt. Am vergangenen Freitag soll der Mann an der Kreuzung Mühlenstraße/Maximilianstraße die junge Frau mit einem Messer getötet haben. Der 42-Jährige wurde wenig später gefasst und sitzt in Untersuchungshaft.
Unterstützt wird die Schwester der getöteten 31-Jährigen von Ava Moayeri. Sie arbeitet für die Berliner Anlauf- und Beratungsstelle Zora: "Die Frau wurde nicht direkt ins Frauenhaus gebracht. Ihr wurde keine Hilfe angeboten. Sie hat keinen Schutz bekommen, keine Leute, die sie irgendwie begleiten und beobachten, was da eigentlich passiert und wie der Mann eigentlich mit ihr umgeht", sagte Ava Moayeri der rbb24 Abendschau. Die Polizei habe der Frau gesagt, es gebe zu wenig Beweise für ihre Vorwürfe.
Polizei weist Vorwürfe zurück
Die Angehörigen des Opfers gingen davon aus, dass die Tat hätte verhindert werden können, so Moayeri. Und es handele sich nicht um einen Einzelfall, so die Aktivistin: In Fällen von häuslicher Gewalt würden Frauen mit Migrationshintergrund bei der Polizei häufig nicht ernst genommen, das Problem eher in der kulturellen Herkunft als in der familiären Situation verortet.
Polizeisprecher Thilo Cablitz wies den Vorwurf der Ungleichbehandlung zurück. Die Polizei differenziere nicht bei Schutzmaßnahmen, sagte er der rbb24 Abendschau. Gleichwohl sei die Berliner Polizei sehr betroffen über den Fall, so Cablitz. Eine junge Frau sei aus dem Leben gerissen worden, das Leben ihrer sechs Kinder sei zerstört. "Wir müssen uns als Polizei Berlin immer wieder die Frage stellen, ob wir alles getan haben, um diesen Menschen zu schützen." Die Behörde prüfe dies auch im aktuellen Fall. Es gehe um den Schutzauftrag der Polizei.
Opferbeauftragter: Es gibt zu wenig Schutzplätze
Der Berliner Opferbeauftragte, Roland Weber, beklagt derweil einen Mangel an Schutzplätzen, zum Beispiel in Frauenhäusern. Ein Rassismusproblem sieht er aber nicht: "Mir sind mehr Fälle zu Ohren gekommen, die ich als ‘Missverständnisse‘ bezeichnen möchte. Die Frauen sagten mir, dass sie durchaus eindeutig um Hilfe ersucht hätten. Die betreffenden Polizeibeamten erklärten mir auf Nachfrage, dass es so deutlich nicht gewesen wäre."
Die sechs Kinder der getöteten jungen Frau bleiben derweil zunächst in behördlicher Obhut. Die Familie hofft nun, so die Aktivistin von Zora, dass der Täter nicht abgeschoben, sondern in Deutschland verurteilt werde.
Sendung: rbb24 Abendschau, 4. Mai 2022, 19:30 Uhr