Report zu Übergriffen auf Homosexuelle und Trans*personen - Opferberatungsstelle beklagt fehlende Daten der Berliner Polizei

Hunderte Fälle von Gewalt gegen Homosexuelle und Trans*personen in Berlin wurden im vergangenen Jahr bei der Opferberatungsstelle Maneo gemeldet. Die geht aber von einer sehr hohen Dunkelziffer aus - und weist auf das Fehlen wichtiger Daten hin.
731 Fälle von Drohungen, Beleidigungen und Angriffen gegen schwule Männer, trans*Personen und lesbische Frauen hat das Anti-Gewalt-Projekt Maneo im vergangenen Jahr in Berlin registriert. Meistens ging es bei den gemeldeteten Fällen umd Drohungen und Nötigungen (36 Prozent), Körperverletzungen (30 Prozent) und Beleidigungen (28 Prozent), wie die Opferberatungsstelle am Montag mitteilte.
Meiste Fälle in Schöneberg, Kreuzberg, Neukölln und Tiergarten gemeldet
Ein großer Teil der gemeldeten Fälle richtete sich den Angaben zufolge gegen schwule oder bisexuelle Männer. Die meisten Fälle seien aus Schöneberg gemeldet worden, gefolgt von Kreuzberg, Neukölln und Tiergarten. Das sind die Stadtteile, in den die schwul-lesbische Szene besonders sichtbar vertreten ist.
Maneo veröffentlicht die Jahreszahlen traditionell kurz vor dem 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homophobie.
Hohe Dunkelziffer, fehlende anonymisierte Eckdaten
Allerdings geht die Opferberatungsstelle davon aus, dass die meisten Taten gar nicht erst bekannt würden. "Das Dunkelfeld liegt unserer Einschätzung nach bei 80-90 Prozent." Zudem habe Maneo für 2021 deutlich weniger Fälle und Hinweise erfassen und auswerten können, weil die Beratungsstelle erstmals keine anonymisierten Eckdaten von der Polizei erhalten habe.
Der Datenschutzbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft hatte rechtliche Bedenken als Grund angegeben. Durch den Abgleich mit bei den Hilfsvereinen gespeicherten Datensätzen, seien die Daten nicht anonymisiert, sondern personenbezogen, heißt es in einem Vermerk des Datenschutzbeauftragten vom Januar, der dem rbb vorliegt. Die Übermittlung personenbezogener Daten sei nicht zulässig. Darüber hatte am Montag zuerst die "Berliner Zeitung" berichtet.
Schaden für Partnerschaft mit der Polizei droht
Maneo stellte fest, bei 413 Hinweisen fehlten genauere Informationen zu Tatzeit, Tatorten und Ereignissen. Früher seien solche Hinweise mit bei der Polizei eingegangenen Anzeigen abgeglichen worden. Die Zahlen von 2021 könnten daher nicht eindeutig als Anstieg oder Rückgang eingeordnet werden.
Der Leiter von Maneo, Bastian Finke, betonte bei einer Anhörung im Innenausschuss im Abgeordnetenhaus am Montag, der langjährige Austausch mit der Polizei habe drei Gründe: Vermeidung von Doppelzählungen, Informationen über Kriterien und Phänomene der Taten sowie Austausch über Prävention. Nun drohe Schaden für die Partnerschaft mit der Polizei und für die über Jahre verbesserte Anzeigebereitschaft der Opfer.
Datenaustausch von mehreren Seiten befürwortet
Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) versicherte, ein solcher Austausch werde gebraucht, man werde darüber sprechen. Laut Spranger gibt es seit 30 Jahren bei der Polizei hauptamtliche Ansprechpartner für Schwule und Lesben als Opfer von Kriminalität. Berlin sei führend im Umgang mit dem Thema homophobe Gewalt und Vorbild für andere Bundesländer.
Auch die Ansprechpartnerin der Polizei, Anne von Knoblauch, bedauerte den fehlenden Datenaustausch. Abgeordnete der Koalitionsfraktionen sagten, man wolle das ändern.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.05.2022, 18:25 Uhr