Report zu Übergriffen auf Homosexuelle und Trans*personen - Opferberatungsstelle beklagt fehlende Daten der Berliner Polizei

Mo 16.05.22 | 17:57 Uhr
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Symbolbild: Ein homosexuelles Paar (Quelle: dpa/Andrey Popov)
Video: rbb24 Abendschau | 16.05.2022 | Rainer Unruh | Bild: dpa/Andrey Popov

Hunderte Fälle von Gewalt gegen Homosexuelle und Trans*personen in Berlin wurden im vergangenen Jahr bei der Opferberatungsstelle Maneo gemeldet. Die geht aber von einer sehr hohen Dunkelziffer aus - und weist auf das Fehlen wichtiger Daten hin.

731 Fälle von Drohungen, Beleidigungen und Angriffen gegen schwule Männer, trans*Personen und lesbische Frauen hat das Anti-Gewalt-Projekt Maneo im vergangenen Jahr in Berlin registriert. Meistens ging es bei den gemeldeteten Fällen umd Drohungen und Nötigungen (36 Prozent), Körperverletzungen (30 Prozent) und Beleidigungen (28 Prozent), wie die Opferberatungsstelle am Montag mitteilte.

Meiste Fälle in Schöneberg, Kreuzberg, Neukölln und Tiergarten gemeldet

Ein großer Teil der gemeldeten Fälle richtete sich den Angaben zufolge gegen schwule oder bisexuelle Männer. Die meisten Fälle seien aus Schöneberg gemeldet worden, gefolgt von Kreuzberg, Neukölln und Tiergarten. Das sind die Stadtteile, in den die schwul-lesbische Szene besonders sichtbar vertreten ist.

Maneo veröffentlicht die Jahreszahlen traditionell kurz vor dem 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homophobie.

Hohe Dunkelziffer, fehlende anonymisierte Eckdaten

Allerdings geht die Opferberatungsstelle davon aus, dass die meisten Taten gar nicht erst bekannt würden. "Das Dunkelfeld liegt unserer Einschätzung nach bei 80-90 Prozent." Zudem habe Maneo für 2021 deutlich weniger Fälle und Hinweise erfassen und auswerten können, weil die Beratungsstelle erstmals keine anonymisierten Eckdaten von der Polizei erhalten habe.

Der Datenschutzbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft hatte rechtliche Bedenken als Grund angegeben. Durch den Abgleich mit bei den Hilfsvereinen gespeicherten Datensätzen, seien die Daten nicht anonymisiert, sondern personenbezogen, heißt es in einem Vermerk des Datenschutzbeauftragten vom Januar, der dem rbb vorliegt. Die Übermittlung personenbezogener Daten sei nicht zulässig. Darüber hatte am Montag zuerst die "Berliner Zeitung" berichtet.

Schaden für Partnerschaft mit der Polizei droht

Maneo stellte fest, bei 413 Hinweisen fehlten genauere Informationen zu Tatzeit, Tatorten und Ereignissen. Früher seien solche Hinweise mit bei der Polizei eingegangenen Anzeigen abgeglichen worden. Die Zahlen von 2021 könnten daher nicht eindeutig als Anstieg oder Rückgang eingeordnet werden.

Der Leiter von Maneo, Bastian Finke, betonte bei einer Anhörung im Innenausschuss im Abgeordnetenhaus am Montag, der langjährige Austausch mit der Polizei habe drei Gründe: Vermeidung von Doppelzählungen, Informationen über Kriterien und Phänomene der Taten sowie Austausch über Prävention. Nun drohe Schaden für die Partnerschaft mit der Polizei und für die über Jahre verbesserte Anzeigebereitschaft der Opfer.

Datenaustausch von mehreren Seiten befürwortet

Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) versicherte, ein solcher Austausch werde gebraucht, man werde darüber sprechen. Laut Spranger gibt es seit 30 Jahren bei der Polizei hauptamtliche Ansprechpartner für Schwule und Lesben als Opfer von Kriminalität. Berlin sei führend im Umgang mit dem Thema homophobe Gewalt und Vorbild für andere Bundesländer.

Auch die Ansprechpartnerin der Polizei, Anne von Knoblauch, bedauerte den fehlenden Datenaustausch. Abgeordnete der Koalitionsfraktionen sagten, man wolle das ändern.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.05.2022, 18:25 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    Es muss klar benannt werden, wer vermehrt solche Übergriffe tätigt! Nur so kann etwas unternommen werden. Die Wahrheit passt aber nicht ins woke Gedankengut der links-grünen Dauerempörten. Die Ironie an der Sache ist, dass dies aber gerade ein Grund wäre, empört zu sein.

  2. 9.

    Wer Opfer oder Täter ist, das gibt die Politik vor und nicht das was wirklich geschieht. Dieses rangehensweise sorgt nicht für Vertrauen.
    Augen verschließen ist immer das schlechteste Mittel

  3. 8.

    Dunkelziffern sagen nur eines, es gibt immer noch offenen Hass gegen Minderheiten, der nicht veröffentlicht wird, weil diese Art Hass totgeschwiegen werden soll. Sie haben es ja auch gerade versucht. Deshalb „Hate Crime“ unbedingt melden und veröffentlichen, damit Täter das Gesicht verlieren. Laut gegen Hass.

  4. 7.

    Trotz fehlender Daten schätzt man die Dunkelziffer auf 80-90%.
    Woraus wird dies geschlossen, will man dadurch die Bedeutung erhöhen und mehr Aufmerksamkeit erlangen?
    Eine Dunkelziffer heißt eben Dunkelziffer weil die Datenbasis nicht bekannt ist.

  5. 6.

    Kann man von der Anzahl der Kommentare schließen das es den meisten egal ist bzw sie keine Meinung haben ?
    Mir persönlich stehen die Haare zu Berge! Antisemitische
    Übergriffe sind auch betroffen.
    Mediendienst für Integration:
    Die Zahl der erfassten antisemitischen Straftaten nimmt seit Jahren zu und erreichte 2021 damit einen neuen Höchstwert seit Beginn der statistischen Erfassung vor fast 20 Jahren. Die antisemitischen Straftaten reichen von Sachbeschädigung, über verbale Hetze bis hin zu körperlichen Attacken gegen Jüdinnen und Juden.

  6. 5.

    So gehts auch mit der Statistik. Daten, die nicht erfasst werden, lassen die Statistik aber sowas von in den grünen Bereich rutschen. Ich sehe schon den Innensenator am Jahresende auf ner Pressekonferenz mit strahlendem Schulterklopfen, dass die Übergriffe in diesem Bereich deutlich abgenommen haben.
    Und überhaupt ist die Sache mit dem Datenschutz insgesamt politisch sowas von übertrieben. Der wird immer entweder hervorgeholt oder eben unter den Tisch geschoben, wie es am günstigsten ist.

  7. 4.

    Leider schützt diese Bestimmung die Täter und schweigt die Opfer tot. In wessen Sinne kann das denn sein?!

  8. 3.

    Die Berliner Polizei darf künftig keine Daten von Übergriffen an Opferhilfe-Einrichtungen und Beratungsstellen übermitteln – wegen des Datenschutzes. Das hat der Datenschutzbeauftragte der Berliner Strafverfolgungsbehörden so verfügt, wie die Berliner Zeitung berichtet. Seine Begründung in einem Vermerk erscheint abwegig: „Um eine Re-Identifizierung zu verhindern“, dürfen in den übermittelten Informationen weder die Tat beschrieben, noch der Ort, etwa die Straße, die Tatzeit oder das Alter der Beteiligten benannt werden. So heißt es in einem Vermerk, der der Berliner Zeitung vorliegt, jeder Personenbezug müsse verhindert werden: „Der Personenbezug umfasst alle Informationen, die sich auf eine Person beziehen. Jede Schilderung menschlichen Verhaltens oder menschlicher Eigenschaften hat danach Personenbezug. Die Beschreibung eines Tatgeschehens hat daher Personenbezug."

  9. 2.

    In der Vergangenheit wurde der Fokus so stark auf eine einzelne Opfergruppe reduziert, dass sich alle anderen diskriminierten Gruppen in unserer vielfältigen Gesellschaft weder von Politik, Medien noch Polizei berücksichtigt fühlen. Jetzt tut man überrascht. Das ist fast naïv.

  10. 1.

    Datenschutz oder Nichtdatenschutz,
    ist eigentlich immer die Frage.
    Wer ihn will, bekommt ihn nicht.
    Wer Ihn hat, braucht Ihn nicht.
    Wer Ihn braucht, regelt ein Unionsgesetz.
    Die Frauen im Senat könnten doch auch
    dafür Sorge tragen, daß Geburten wieder
    gezählt und der Schul-Verwaltung und den
    Jugendämtern mitgeteilt werden.
    Vielleicht noch eine Aktennotiz für
    den Finanzsenat, damit Geld für
    Schulneubauten und Pädagogisches
    Personal angespart wird ?

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