Interview | Neuer Sound für E-Busse - "Es sollte nicht nach Star Wars klingen"
Sie sind umweltfreundlich, aber auch sehr leise: E-Busse. Damit die Sicherheit im elektronischen Öffentlichen Personennahverkehr gewährleistet bleibt, sollen die Busse nun einen einheitlichen Sound bekommen. Entwickelt wurde er in Berlin.
Elektrobusse im Nahverkehr sollen künftig ein einheitliches künstliches Fahrgeräusch verbreiten. Das empfiehlt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und präsentierte nun
den Entwurf eines Sound-Designers aus Berlin. Die Mitgliedsunternehmen sollen diesen Sound bei Ausschreibungen für den Kauf neuer Busse vorgeben. An der Entwicklung beteiligt war auch Sebastian Waschulewski, Mitgründer des FOAM-Instituts in Berlin.
rbb|24: Herr Waschulewski, warum brauchen E-Busse überhaupt einen eigenen, künstlichen Sound?
Sebastian Waschulewski: Die Elektrifizierung des Verkehrs ist einerseits ein Segen: Dadurch, dass Fahrzeuge leiser werden, wird sich auch die Lebensqualität in der Stadt verbessern. Viele Studien belegen, dass Lärm krank machen kann. Andererseits kann die Stille aber auch ein Fluch sein. Denn wie die US-Bundesbehörde für Straßensicherheit, die National Highway Traffic Safety Administration, herausgefunden hat, ist die Zahl der Unfälle von E-Fahrzeugen mit Beteiligung von Fahrrädern und Fußgängern bei Geschwindigkeiten unter 30 km/h drastisch gestiegen, um 35 Prozent.
Bereits seit ein paar Jahren gilt daher in der EU eine Verordnung, nach der alle Elektro- und Hybridfahrzeuge in Europa mit einem speziellen Warngeräusch-Generator ausgestattet sein müssen, dem sogenannten AVAS (Acoustic Vehicle Alert System). Und nun hat der Verband der Verkehrsunternehmen beschlossen, einen einheitlichen Sound für E-Busse zu entwickeln und uns als Forschungsinstitut mit ins Boot geholt. Denn: Die EU-Verordnung lässt sehr viel Gestaltungsspielraum. Und stellen Sie sich mal eine Stadt mit zig verschiedenen E-Bus-Sounds vor. Das kann ein wahnsinniges Chaos werden.
Der Sound wurde gemeinsam von Ihrem Institut und dem VDV im Rahmen eines Studierendenwettbewerbs entwickelt. Wie gestaltet man ein Bus-Geräusch?
An den Gestaltungskriterien waren sehr viele Branchenverbände und Institutionen beteiligt, beispielsweise das Umweltbundesamt, der TÜV oder der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband. Die haben dann jeweils ihre Anforderungen genannt und daraus bildeten sich dann Gestaltungskriterien. Einerseits technischer Art: Also, was sind die wichtigsten Momente, wenn der Sound zu hören ist, beispielsweise die Momente des Ankommens oder Losfahrens an einer Haltestelle. Und dann gab es inhaltliche Kriterien. Viele Interessenverbände haben Wert darauf gelegt, dass es so klingen sollte wie ein freundlicher Nachbar, unaufdringlich, gelassen. Das haben wir dann in Workshops mit den Studierenden erarbeitet. Die Verbände waren am Ende dann auch wieder in der Jury, so dass sie den Gewinner mit ausgewählt haben.
Gewonnen hat am Ende ein Berliner Student von der Universität der Künste. Beschreiben Sie doch mal den neuen Sound mit Ihren Worten.
Für mich klingt er freundlich, warm und mit futuristischen Anteilen. Es sollte aber nicht nach Star Wars klingen, denn wir brauchen keine Wow-Momente im Straßenverkehr, das finden wir die ersten drei Mal vielleicht noch lustig, aber dann nervts auch irgendwann. Klar würde auch die Sicherheit gesteigert werden, wenn wir einen piepsenden Signalton einbauen würden. Aber es soll ja auch ein angenehmer Klang sein. Und vor allem war uns wichtig, dass nicht ein Dieselmotor nachgemacht wird. Das machen wirklich manche Hersteller so. Für uns ist das nicht zukunftsgerichtet.
Wie funktioniert das dann in der Praxis: Drückt der Busfahrer auf einen Knopf und dann kommt der Sound aus zehn Lautsprecherboxen?
Die Fahrer:innen können nicht darüber entscheiden, ob der Sound läuft oder nicht. Das passiert ganz automatisch. Laut EU-Verordnung darf das AVAS auch gar nicht abgeschaltet werden, auch nicht, wenn der Wagen rückwärts fährt. Es ist also keine Musik, wo man einen Playbutton braucht. Der Sound reagiert beispielsweise auf die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, auf Bewegungen des Gaspedals oder auf die Last. Das ist also eine sehr organische Geschichte.
Und wann wird der Sound auf Berliner und Brandenburger Straßen zu hören sein?
Das ist noch nicht genau vorherzusehen. Wir sind jetzt mitten in der Phase, in der wir den Sound auch in Fahrzeugen testen. Dafür werden wir noch einige Zeit auf Teststrecken verbringen. Im Juli soll der Sound dann nochmal offiziell auf einer Konferenz des Verbandes der Verkehrsunternehmen vorgestellt werden. Aber der Verband kann ja auch nur Vorschläge machen, es gibt keine Verpflichtung für die Hersteller, diesen Sound zu nehmen. Wir hoffen natürlich, dass er so gut ankommt, dass er auch flächendeckend angenommen wird. Einfach auch, um dem akustischen Chaos von Großtstädten entgegenzuwirken.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Mark Perdoni, rbb|24.
Sendung: Radioeins, Sonntagsfahrer, 15.05.2022, 12 Uhr