Interview | Stellv. Waldbrandschutzbeauftragter - "Die Waldbrandgefahr in Brandenburg ist vergleichbar mit der in Südeuropa"

Etwa jeder dritte Waldbrand, der in Deutschland registriert wird, lodert in Brandenburg. In diesem Jahr brannte es schon fast 120 Mal. Warum die Region europaweit zu den gefährdetsten gehört, erklärt der stellvertretende Waldbrandschutzbeauftragte Philipp Haase.
rbb|24: Herr Haase, nach wie vor fällt kaum Regen in der Region. Vorige Woche lag mit der Gemeinde Wiesenburg sogar deutschlandweit der trockenste Ort in Brandenburg. Führt die Trockenheit auch zu mehr Waldbränden?
Philipp Haase: Wir sind noch an einem sehr frühen Punkt der Saison. Und hier zeigt sich schon die Brisanz: Wir haben Stand Dienstag in diesem Jahr bereits 118 Waldbrände registriert, vor einem Jahr hatten wir diesen Wert erst Mitte Juni erreicht. Selbst im heißen und trockenen Jahr 2018, als es viele große Waldbrände in Brandenburg gab, hatten wir diese Zahl erst Ende Mai. Die aktuelle Waldbrand-Statistik zeigt also: Wir sind wegen der fehlenden Niederschläge in einer angespannten Situation.

Laut regelmäßiger Auswertung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) brennt der Brandenburger Wald im Schnitt bundesweit am häufigsten und wird am großflächigsten zerstört [ble.de]. Rund jeder dritte Waldbrand in Deutschland findet hier statt. Woran liegt das?
Das hat mehrere Gründe. Einen haben Sie eben schon angesprochen: Es gibt vergleichsweise deutlich weniger Niederschlag im Nordostdeutschen Tiefland, zu dem Brandenburg und auch Berlin gehören. Genau deshalb waren beide Regionen im vergangenen Jahr auch wieder die trockensten Bundesländer.
Die Bäume sind gestresst. Der laufend aktualisierte Dürremonitor des Helmholtzzentrums für Umweltforschung zeigt für Brandenburg aktuell eine außergewöhnliche Dürre im Boden bis 1,8 Meter Tiefe [ufz.de]. Daran sehen wir, dass die Niederschläge im Winter nicht ausgereicht haben, um das zu kompensieren. Im März dieses Jahres haben wir beispielsweise erlebt, dass in vielen Regionen Brandenburgs gerade mal ein Zehntel des Regens gefallen ist, der im vieljährigen Mittel eigentlich fallen sollte. Und Regen ist elementar für die Gesundheit von Brandenburger Wäldern.
Hinzu kommt, dass wir in Brandenburg einfach sehr viel Wald haben. Knapp 35 Prozent der Landesfläche sind Wald. Wir haben insgesamt mehr als eine Million Hektar Wald, zum Vergleich: Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen haben jeweils nur halb so viel. Und unser Wald besteht zu einem Großteil aus Kiefernbeständen. Dort gibt es eine wesentlich höhere Temperatur auf dem Waldboden als beispielsweise in einem Buchen- oder einem Mischwald.
Das in Verbindung mit geringen Niederschlägen ergibt eine hohe Waldbrandgefahr, übrigens eine Gefahr, die vergleichbar ist mit Südeuropa. Brandenburg ist bereits 1993 durch die EU-Kommission als Waldbrand-Risikogebiet mit hoher Gefahr, analog der südeuropäischen Länder, eingestuft worden.
Wie kann diese Gefahr reduziert werden?
Wir müssen den Waldumbau weiter forcieren. Die Kiefern-Monokulturen müssen zu klimastabilen Mischwäldern umgebaut werden, wir brauchen quasi Diversität im Wald. Durch das Einmischen mehrerer Baumarten hätten wir dann beispielsweise nicht mehr so aufgeheizte Waldböden.
Was dazu aber gesagt werden muss: Wir als Forstverwaltung können nur an die Waldbesitzer mit Rat und Anleitung herantreten und mit Fachexpertise unterstützen. Rund 60 Prozent des Brandenburger Waldes sind in Privatbesitz, es gibt bis zu 100.000 verschiedene Waldbesitzer, diese haben das letzte Wort. Aber da merken wir eine grundsätzliche Bereitschaft, es wurden Fördermittel für den Waldumbau und den vorbeugenden Waldbrandschutz abgerufen. So konnte zum Beispiel seit 2019 die Zahl der Löschwasserentnahmestellen deutlich um 147 auf 3.148 erhöht werden.
Jetzt brennt so ein Wald aber ja nicht von alleine. Wie genau kommt es zu den vielen Bränden?
Der Mensch ist die Hauptursache für Waldbrände - auch in Brandenburg. Auf die aktuellen Zahlen aus diesem Jahr bezogen: 20 Prozent der 118 Brände sind nachweislich auf vorsätzliche Brandstiftung zurückzuführen. Ein hoher Prozentsatz, der auch in den Vorjahren auf hohem Niveau war. Bei rund einem Drittel aller Brände ist Vorsatz die Ursache. Das zeigt sich dann beispielsweise an Brandmitteln vor Ort, die gefunden werden.
Dann spielt natürlich Fahrlässigkeit eine große Rolle. Also: Grillen oder Lagerfeuer im Wald. Die Zigarette, die in den Wald fliegt. Nur ein ganz kleiner Teil - aktuell drei bis sieben Prozent - geht auf Blitzschlag zurück, die einzige natürliche Waldbrandursache in Mitteleuropa.
Ist die Brandenburger Feuerwehr gewappnet?
Die Feuerwehr ist aus unserer Sicht sehr gut ausgestattet. Im letzten Jahr wurde zum Beispiel Geld in Großpumpensysteme investiert, welche aktuell ausgeliefert werden. Und zuletzt wurden ja auch einige Löschfahrzeuge bereitgestellt, die auf Waldbrände spezialisiert sind. Es passiert also in punkto Technik und Ausrüstung schon eine Menge.
Was der Feuerwehr in diesem Jahr Probleme bereitet hat, sind die Folgen der Winterstürme, die bis in den Februar hinein tobten. Es gab viele umgestürzte Bäume, die den Weg zu den Bränden versperrt haben. Zudem gibt es in Brandenburg natürlich generell das Problem von munitionsbelasteten Gebieten, die das Löschen erschweren. Eine völlige Kampfmittelfreiheit in den Wäldern herzustellen, wird allerdings Jahrzehnte dauern. Das lässt sich nicht so schnell lösen.

Auch in den kommenden Tagen soll es nach einem kurzen Gewitter sehr heiß werden.
Ja, und den möglichen Starkregen bekommt ja hauptsächlich der Süden von Brandenburg ab. Für die östlichen und nördlichen Landkreise ist kaum Regen vorhergesagt, so dass für Donnerstag im östlichen Brandenburg bereits wieder eine sehr hohe Waldbrandgefahr vom Deutschen Wetterdienst prognostiziert wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Mark Perdoni, rbb|24.
Sendung: Fritz, Nachrichten, 16.05.2022, 14:30 Uhr